Textatelier
BLOG vom: 13.11.2005

Ex Libris: Kunstgraphik mit Widmungen im Kleinstformat

Autor: Emil Baschnonga
 
Der noch um 1925 beliebte Brauch des Buchbesitzers, auf der Innenseite des vorderen Buchdeckels sein Ex Libris (neue Schreibweise: Exlibris) einzukleben, ist heute beinahe ausgestorben, aber das Ex Libris ist ein Sammlergebiet geblieben. Besonders in Deutschland waren diese Aufkleber, die von Meisterradierern entworfen worden sind, weit verbreitet unter jenen Bücherfreunden, die sich diesen Luxus leisten konnten.
 
Im 16. Jahrhundert schon entstanden viele Buchzeichen heraldischer Art, mit Familienwappen verziert. Im ersten Viertel des letzten Jahrhunderts lebte dieser Brauch erneut auf. Wohl annähernd 2/3 der Ex Libris waren vornehmlich als Schönheitssymbole geschaffen, ganz besonders in Deutschland: Akte und Aktkompositionen von einer intim verklärten Weiblichkeit.
 
Zu den Schrittmachern obiger Gattung der Kleingraphik gehören u. a. die Leipziger Künstler Max Klinger und Bruno Héroux, der Jugendstil-Gestalter „Fidus“ (Hugo Höppner), Heinrich Vogeler (Worpsweder Künstlerkolonie), der Wiener Franz von Bayros (bekannt für seine galanten Szenen) und der Grafiker Emil Orlik.
 
Das letzte Drittel dieser Kleingraphik sind romantisch-landschaftlicher Art: Gartenpforten, Lauben, ein schlicht an ein Baumstamm gelehntes Velo (der Radler liest wohl in der Nähe ein Buch, vermute ich), der Maler hinter seiner Staffelei. Der Stuttgarter Reinhold Nägele hat seinen Ex Libris alemannisch- humorvolle Fabulierslust beigegeben – eine weitere Untergattung dieses Genres.
 
Die bevorzugte Technik war die Originalradierung, gefolgt vom Kupferstich, Steindruck und Holzschnitt. Die Ex Libris wurden in Kleinstauflagen gedruckt mit dem prominenten Aufdruck des Buchbesitzers. In grösseren Auflagen gedruckt, blieb ein Platz für den Namenseintrag vorbehalten.
 
In manchem aus 2. Hand erstandenen Buch habe ich ein anmutig gestaltetes Ex Libris entdeckt. Ich belasse diese „Visitenkarten“ im Buch, indessen Sammler sie oft vom Deckel ablösen und dabei die Bücher leicht beschädigen.
 
So sehr mich die Ex-Libris-Zettel freuen, sind mir Widmungen des Autors eigentlich noch lieber. Selbst wenn diese nicht mir gewidmet sind, bleiben sie für mich Zeichen aus schreibgeübter Hand, wobei gerechtfertigter Stolz im Schriftzug mitschwingen möge. Das Buch als Geschenk der Geliebten oder geschätzten Freunden, Bekannten und Familienangehörigen zugeeignet, stupft mich: „Mach jemand eine Freude und schenke ihm ein Buch.“ An diesen Vorsatz werde ich mich diese Weihnachten 2005 halten.
 
Ein Buch, das ich in meiner Bücherwand ausgegraben habe, ist schlicht und einfach mit „Ex Libris“ betitelt, natürlich als solches auf dem Einband gestaltet mit dem Namen des Autors: John Galsworthy (englischer Schriftsteller, 1867–1933). Im inneren Buchdeckel ist erst noch ein blumenumranktes Ex Libris von „Maud Waller“ aufgeklebt. Diese Erstausgabe aus dem Jahr 1933 ist gefüllt mit Aphorismen aus seinem Werk und dem anderer, von ihm ausgewählt. Ich streue hier einige, die ich aus dem Englischen übersetzt habe, ein:
 
Zur Kunst: Kunst ist eine grosse und universelle Erfrischung.
 
Zum Mut: Und wenn der Tod aus seinem schattigen Feld ruft, antwortet der Sterbende: „Da bin ich! Aber nicht tot!“
 
Zum Wechsel: Wechsel! Es gibt nichts ausser Wechsel. Das ist eine Konstante.
Also denn! Wer möchte nicht lieber einen Fluss haben als einen Teich?
 
Zum (verletzten) Stolz: Gibt es einen älteren, tieferen und hartnäckigeren Grund des menschlichen Übels oder einen natürlicheren und verzeihlicheren?
 
Zu England heute (also gestern): Meine Liebe, du hast zu lange unter den Primitiven gelebt. Hier stechen wir einander täglich, ohne Schaden zu stiften.
 
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