Textatelier
BLOG vom: 31.01.2006

Hamas und Israel: Die Provokateure sitzen am Geldhahn

Autor: Walter Hess
 
Es geht schon wieder los: Wie in den DRS1-Nachrichten am Montagmittag, 30. Januar 2006, verkündet worden ist, will Israel die so genannten Transfergelder von monatlich 40 bis 50 Millionen Euro an die Palästinenser nicht mehr auszahlen. Diese Steuer- und Zolleinnahmen treibt Israel auf der Grundlage des Oslo-Abkommens ein, und Israel ist verpflichtet, die Gelder an die palästinensische Regierung weiterzuleiten. Der scheidende palästinensische Wirtschaftsminister Mazen Sunukrot hatte bereits auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos (WEF), das am 29. Januar 2006 zu Ende ging, die Befürchtung geäussert, dass die Gelder zurückbehalten werden könnten.
 
Momentan deutet alles darauf hin, dass Israel und die westliche Wertegemeinschaft Palästina finanziell strangulieren werden. Nun kann ich noch ein gewisses Verständnis dafür bekunden, dass man keine freiwilligen Geschenke an ungeliebte, terroristische Organisationen macht. Aber es ist eine Provokation den ohnehin schwer gekränkten Palästinensern gegenüber, wenn man sie schon wieder bestiehlt, indem man ihnen Millionen, die ihnen rechtmässig zustehen und die für sie lebenswichtig sind, vorenthält. Irene Meier, Nah- und Mittelostkorrespondentin von Schweizer Radio DRS, die ich von meiner früheren journalistischen Tätigkeit her persönlich kenne und schätze, sprach vorsichtig von einer „umstrittenen Massnahme“ – sie machte diese wenigstens publik. Irene Meier ist eine ausserordentlich interessierte und lernfähige Dame mit dem Herzen am rechten Fleck.
 
Ich erachte die Reaktion Israels als eine reine Provokation, welche die verletzten palästinensischen Seelen zum Kochen bringt und neue Terroranschläge geradezu herausfordert. Ein Volk wie das jüdische, das selber viel Unrecht ertragen musste, ist nicht legitimiert, sich unanständig zu verhalten, sondern es sollte durch ein untadeliges Verhalten auffallen und sich Respekt verschaffen.
 
Durch völkerrechtswidrige Besetzungen wurde den Palästinensern Land gestohlen, und kaum jemand hat sich in der Wertegemeinschaft dagegen und und auch nicht gegen die Apartheid-Mauer auf palästinensischem Gebiet gewehrt. Das mussten die Palästinenser mit ihren bescheidenen Mitteln selber tun. Selbstverständlich können nicht alle ihre Aktionen gutgeheissen werden. Die stärkste militante Kampforganisation ist die Hamas, und sie kam nun in einer demokratischen Wahl an die Macht. Die Demokratie zeigte eine unerwünschte Seite.
 
Die westliche Dollar- und Erdölgemeinschaft, die gerade wieder von einem unendlichen Wirtschaftswachstum träumt, hätte die Möglichkeit, nach den Wahlen in Palästina auf dem Trümmerfeld der jüngsten Geschichte einen Neubeginn zu wagen – durch ein einsichtiges und korrektes Verhalten. Doch ihre Weisheit erschöpft sich in einseitigen Forderungen. Die eingebetteten Länder fordern die Hamas ultimativ auf, der Gewalt abzuschwören. Das ist gut und recht; doch wer unterbreitet dieselbe Forderung der Kriegsnation USA, der Nato und deren militärischen Mitläufer? Gewalt hin oder her – da werden fröhlich Geschäfte gemacht. Die EU macht sich immerhin Gedanken, ob das Zudrehen des Geldhahns und die Zerstörung der langsam heranwachsenden Wirtschaft in Palästina die richtigen Massnahmen seien – oder ob dadurch die Palästinenser noch mehr in den Radikalismus abgedrängt werden. Das ist schon einmal etwas.
 
Und dieser Tage reiste die neue deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Welt umher und forderte unter wertegemeinschaftlichem Jubel neben dem Gewaltsverzicht, dass die Hamas das Existenzrecht Israels anerkennen und die bisherigen Vereinbarungen aus dem Friedensprozess akzeptieren müsse. Aber sie meidet direkte Kontakte mit der nun für Palästina verantwortlichen Partei, hielt sich an die korrupte Fatah und forderte mit keinem Wort die Rückgabe aller besetzten Gebiete und die Einhaltung der Verpflichtungen, die schliesslich auch Israel hätte.
 
Damit hat Frau Merkel eine politische Oberflächlichkeit an den Tag gelegt, die zwar nicht ihr allein anzulasten ist – sie reiht sich bloss als verheissungsvolles Jungmitglied nahtlos in den US-hörigen Klub ein, der den Zusammenprall unterschiedlicher Zivilisationen anzuheizen pflegt und aus dem Terrorismus Kapital und Machtgewinn schlägt. Sie hat einseitig Stellung bezogen und damit jede Chance, vermittelnd einzuwirken, vertan.
 
Atombomben und militärische Hochrüstung auf der einen sind ebenso wie Sprengstoffgürtel auf der anderen Seite verwerfliche Mittel, für eine bessere Welt vollkommen ungeeignet. An der politischen Front müssten stattdessen wieder einmal ein paar Geistesgrössen mit einer stabilen ethischen Grundhaltung mitwirken.
 
Vielleicht sollten diejenigen, welche sich der wirtschaftlichen Sonne und nur von Gewinn blenden lassen, einmal umdrehen, damit sie ihren eigenen Schatten erkennen. Bei ihrem Verhalten und beim Gestalten ihrer Gesetze sollten sie die Sprache jenes Schattens berücksichtigen. Nur daraus könnten erträgliche Verhältnisse entstehen.
 
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