Textatelier
BLOG vom: 14.04.2006

DE: „Kein Ei ohne Quälerei.“ Für Hühner bleibt es sehr eng

Autor: Heinz Scholz
 
Vor kurzem jubelten nicht nur 30 Millionen Käfighühner (dies würden sie zweifellos tun, wenn sie es könnten), sondern auch Tierschützer und Käufer von Eiern aus Freilandhaltung, sollte doch das Verbot der unseligen Käfighaltung in Deutschland fallen. Aber erst im Jahre 2012. Die Schweizer waren hier schneller und tierfreundlicher. Sie führten das Verbot der Käfighaltung schon 1992 ein. Der damalige Beschluss war ein tiefer Schlag gegen die deutschen Hühnerbarone.
 
Aber nun beschloss der Bundesrat in Deutschland gegen den massiven Protest der Naturschützer, dass die Legebatterien doch nicht verboten werden sollen. April, April, könnte man da sagen, und so mancher Entscheidungsträger würde leise vor sich hinmurmeln: „Was interessiert mich das Geschwätz von gestern“. Leider ist diese Tendenz sehr oft in der politischen Szene festzustellen.
 
Kein Ei ohne Quälerei
Der deutsche Bundesrat war jedoch ein bisschen gnädig. Das Verbot für Kleinstkäfige wurde etwas verschoben. Nach einer Übergangsfrist von 2 Jahren müssen die Käfige ein bisschen grösser sein. Es sind jedoch nur wenige Zentimeter. Ein Huhn hatte bisher in einem Käfig so viel Platz wie knapp eine DIN-A4-Seite gross ist. Bisher waren 550 Quadratzentimeter pro Huhn vorgesehen, nach der neuen Verordnung sind es je nach Gewicht bis zu 900 Quadratzentimeter. Die Käfige müssen 60 Zentimeter hoch sein. Doch auch in diesem engen „Gefängnis“ kann sich kein Huhn richtig bewegen. Es ist klar, dass die Geflügelzüchter von der neuen Verordnung begeistert sind, ist doch die Produktion der Eier und des Geflügels kostengünstiger.
 
Der Verbandspräsident des Deutschen Tierschutzbunds, Wolfgang Apel, stellte fest, dass hier der Käfig durch einen Käfig ersetzt wird. „Kein Ei ohne Quälerei“, riefen Tierschützer den Politikern zu. Diese zeigten sich wenig beeindruckt, hatten sie doch Rückendeckung von den Hühnerbaronen. Auch sind hervorragende Lobbyisten am Werk, die Eier aus Käfighaltung als die besten zu propagieren. Die vorgetragenen Argumente sind so raffiniert verpackt, dass mancher unaufgeklärte Verbraucher geradezu beeindruckt ist. Freunde der Massentierhaltung sprachen bei der Käfighaltung von „Hühnerappartements“ und „Hühner-WGs“. Wiederum andere meinten: „Was wollt ihr, die Hühner sind gut drauf, sie legen ja Eier!“ Diese Äusserungen sind an Zynismus kaum noch zu übertreffen. Die Zyniker wissen gar nicht, wie die Hühner leben und dass sie mit Hormonen behandelt werden, damit sie täglich ein Ei legen.
 
Bayerns Regierungschef Edmund Stoiber (CSU) ist ebenfalls für die Käfighaltung. Er begründet seine Haltung damit, dass die Eierproduktion sonst nach Osteuropa abwandern würde. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) lehnt die Verordnung aus Tierschutzgründen jedoch ab. Dieser Mann hat meine Hochachtung.
 
Es darf nicht verschwiegen werden, dass 200 Bauern forderten, so genannte Kleinvolièren einzuführen. „Das ist ein tiergerechtes Haltungssystem“, sagte der Vizechef des Bundesverbands Deutsches Ei, Wilhelm Hoffrogge.
 
Was Eugen Drewermann sagte
In meinem Buch „Richtig gut einkaufen“, das im Herbst 2005 im Verlag Textatelier.com, CH-5023 Biberstein, erschienen ist, wies ich bereits auf die unsägliche Käfighaltung hin. Inzwischen liegt mir auch eine Äusserung von Eugen Drewermann vor, der in seinem Büchlein „Über die Unsterblichkeit der Tiere“ (1990) Folgendes aussprach:
 
„Hühner in Käfigen, denen in ständigem Dämmerlicht auf schräg abfallenden Drahtböden gerade die Fläche einer Schreibmaschinenseite als Lebensraum zur Verfügung steht. Kälber, eingekerkert in 4 enge Bretter, die diesen Sarg nur einmal in ihrem qualvollen Leben verlassen – auf ihrem letzten Gang zum Metzger. Ferkel in Drahtkäfigen, Schweine in lebenslanger Anbindehaltung, ohne Einstreu auf Betonböden, einzige Bewegungsmöglichkeit – aufstehen – hinlegen. Kühe ein Leben lang an einer Kette von 40 cm angebunden.“
 
Dazu Walter Hess: „Drewermann apostrophiert das zu Recht als ,monströse Tierquälerei’, unterstützt von der moralischen Blindheit oder Bestechlichkeit so genannter wissenschaftlicher Gutachter, die es fertigbekommen, diese unglaublichen Praktiken als ‚artgerechte Tierhaltung’ zu bezeichnen. Sein Büchlein müsste den aktualisierten Titel ,Über die Unsterblichkeit der Tierquälerei’ erhalten.“
 
Nach all dem Gegacker im Hühnerhof und auf der politischen Bühne bleibt ein einziger Trost: Die Boden- und Freilandhaltung soll ausgebaut werden. Dies gilt jedoch nur, wenn die Vogelgrippe nicht weiterhin verbreitet wird – obschon sie sich ja gerade in Intensivställen am besten verbreiten kann. Ich bin jedoch überzeugt, dass es die Lobbyisten und Hühnerbarone auch in Zukunft fertig bringen werden, die Freilandeier zu verteufeln. In der Vergangenheit wurde ja behauptet, Freilandeier seien stärker mit Dioxin belastet als Eier aus Boden- und Käfighaltung. Später wurde diese Meldung korrigiert.
 
Der Verbraucher hat es selbst in der Hand, zu entscheiden, welche Eier er isst und welche er meidet. Er kann damit den Tendenzen entschieden entgegentreten, die eine tierquälerische Haltungsform befürwortet.
*
Nachtrag: So wird ein Huhn zur Legemaschine
Es ist immer wieder ein schöner Anblick, wenn man ein junges, flauschig gelbes Kücken schlüpfen und später glücklich der Glucke nachlaufen sieht. Dies beobachtete ich immer wieder in der Nachkriegszeit, als wir auf einem Bauernhof lebten. Weit und breit gab es keine Käfighaltung und noch keine Massenproduktion von Eiern. Die Landeier schmeckten vorzüglich. Es war für uns Kinder immer eine riesige Freude, Eier aus den Nestern einzusammeln.
 
In der heutigen Zeit werden Tiere zum Wegwerfartikel und zu Eierproduktionsmaschinen. Wer sich über diese Quälerei, die nichts für schwache Nerven ist, informieren möchte, sollte unter den Infos Nr. 1 das Kapitel „Hühnerindustrie – das Tier als Wegwerfartikel“ lesen. Es ist grauenvoll, was in der Massentierhaltung passiert. Die Politiker sollten sich einmal vor Ort informieren. Ich bin überzeugt, dass dann keiner mehr ein Produkt aus Massentierhaltung essen würde.
 
Hinweise auf Informationen
 
Buchhinweis
Scholz, Heinz: „Richtig gut einkaufen. Die moderne Lebensmittelkunde für den Alltag“, Verlag Textatelier.com 2005. ISBN 3-9523013-1-5.
 
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