Textatelier
BLOG vom: 27.04.2006

Kritik an EU-Palästina-Politik: Moritz Leuenberger hat Recht

Autor: Walter Hess
 
Der Schweizer Bundespräsident Moritz Leuenberger hat in einem Interview mit dem arabischen TV-Sender Al Jazira die Nahostpolitik der EU kritisiert: Es wäre „vernünftiger“ gewesen, sagte er, der radikalislamischen Hamas nach ihrem Wahlsieg eine Probezeit einzuräumen (als ihr gleich den Geldhahn zuzudrehen). Im Prinzip hatte er durchaus Recht.
 
Allerdings ist auch solch eine Probezeit unnötig. Müssten sich neu gewählte Regierungen bewähren, wären die meisten von ihnen nicht mehr im Amt. Das einzige, was zählt: Die Hamas wurde demokratisch gewählt, und die demokratischen Spielregeln gelten nicht nur, wenn die Resultate mit dem westlichen, pro-amerikanischen Geschmack übereinstimmen. Daran wird man sich im Abendland in den nächsten Jahren noch gewöhnen müssen.
 
Leuenberger bekräftigte die Haltung der Schweiz, wonach die neue palästinensische Regierung an ihren Taten gemessen werden müsse. Man kann das tun und politische Konsequenzen ziehen, sollte aber als guter Demokrat nicht ihre Existenz in Frage stellen. „Es gab demokratische Wahlen. Man muss das Ergebnis akzeptieren“, sagte Leuenberger, und das war ein grosses Wort. Vielleicht ist die Schweiz das letzte Land, in dem die Demokratie noch ernst genommen wird.
 
Die EU und die USA haben ihre Finanzhilfen für die palästinensische Regierung aus Protest gegen die politischen Positionen der Hamas suspendiert. Die Schweiz hält an ihrer Entwicklungshilfe für die palästinensischen Gebiete fest. Ich bin wieder einmal stolz darauf, Schweizer zu sein.
 
Leuenberger hatte sich bereits am Sonntag, 23. April 2006, auf Al Jazira geäussert. Das Schweizer Fernsehen zeigte am Dienstagabend in der Infotainment-Sendung „10 vor 10“ Ausschnitte aus dem in diplomatischer Tonlage geführten Interview. Der ehemalige CVP-Präsident und heutige Ständerat Philipp Stähelin aus dem Thurgau, der die Partei herunterwirtschaftete, liess in einem Radio-Interview am Mittwochmittag, 26. April 2006, durchblicken, dass ihm auch der Fernsehsender Al Jazira (Al-Dschasira, Al Jazeera) ein Dorn im Auge ist – Sprachrohr Bin Ladens und der Al Kaida. Dabei hätte man Leuenberger eher einen Vorwurf machen müssen, wenn er bei CNN aufgetreten wäre, denn dieser ist ein einseitiger, rein pro-amerikanischer Kriegs- und Kommerz-Sender und Sprachrohr der Bush-Gang, der nichts zu einer ausgewogenen Informationsvermittlung beiträgt. In Kabul und Badgad wurden die Al-Jazira-Büros von den Amerikanern bombardiert, was bezeichnend für deren Haltung zur Medienfreiheit ist.
 
Wer objektiv über das Weltgeschehen informiert sein will, kommt um Al Jazira nicht herum; denn hier sind unabhängige, professionelle Journalisten erster Güte am Werk, die aus wenig Mitteln ein Maximum herausholen und nicht in den Globalisierungs-Kommerz eingebunden sind.
 
Leuenberger war gerade in Doha, der Hauptstadt des Emirats Katar, um das zweitägige Energieforum zu eröffnen. Er forderte dabei eine Verlängerung des Kyoto-Protokolls über 2012 hinaus. Nur so könne der Kampf gegen die globale Erwärmung fortgesetzt werden. Wahrscheinlich hat er die grösste Energieverschwender-Nation USA, die sich ums Kyoto-Protokoll futieren, nicht mit der gebührenden Kritik bedacht – jedenfalls steht in der SDA-Meldung nichts davon. Umweltkriminelle kommen noch immer ungeschoren davon, besonders wenn sie als die Besten die „Guten“ anführen.
 
Ich könnte mir vorstellen, dass Al Jazira kompetenter als CNN über diesen Anlass, der zu einem verantwortungsvolleren Umgang mit der Energie aufrief, berichtet hat.
 
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