Textatelier
BLOG vom: 17.06.2006

Wanderung zur Sissacher Flue: Luftkampf ums Revier

Autor: Heinz Scholz
 
Ausgangspunkt einer Jurawanderung war vor einigen Tagen die Sissacher Flue (700 m ü. M.). Von dieser Aussichtskanzel, die sich oberhalb von CH-4450 Sissach BL befindet, hatten wir – Anton Fitting und ich – bei herrlichstem Wetter wohl den schönsten Blick aller Zeiten auf die in zartem Grün liegenden Orte und die sanft geschwungenen Juraberge.
 
Wir wanderten auf laubbedeckten Pfaden durch stille Wälder in Richtung Isletenrain und von dort zur Burgruine Bischofstein. In der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts bauten sich die Eptinger, die damals Lehensherren waren, die Burg. Sie zerfiel im Erdbeben von Basel 1356. Heute sind noch die Grundmauern und ein Rundturm und 2 Brunnen zu besichtigen. Wer den Rundturm besteigen möchte, der darf wohl nicht über 100 Kilo auf den Rippen haben, da die senkrecht nach oben führende Leiter, die zusätzlich mit 2 Halbreifen gesichert ist, sehr eng ist. Wir konnten uns jedoch mit Rucksäcken auf dem Buckel durch die Halbreifen hindurchzwängen. Auf dem Turm entdeckten wir etliche Eidechsen, die sich auf den warmen Steinen ein Stelldichein gaben.
 
Von der Burgruine führte uns der gut beschilderte Wanderweg über die Böckter Flue zur Rickenbacher Flue und wieder zurück zur Sissacher Flue. Von dort machten wir noch einen Abstecher zur Rickenbacher Höchi und erkundeten dort die umgebende Landschaft. Von 2 aussergewöhnlichen Beobachtungen möchte ich nun berichten.
 
Milane kontra Wanderfalken
In der Nähe der Rickenbacher Höchi beobachteten wir Luftkämpfe (diesmal ohne US-Beteiligung!) zwischen 2 Rotmilanen und 2 schwarzen, kleineren Vögeln. Die Rotmilane schraubten sich in der Thermik nach oben, während sich die beiden Angreifer auf die Rotmilane stürzten. Bei den ersten Versuchen der Abwehr berühren sich die Vögel noch. Bei den nächsten Attacken konnten sich die Milane mit eleganten Seitwärtsschwingen aus der Gefahrenzone bringen. Als die Milane das Weite suchten, verzogen sich die Schwarzen und flogen in einen angrenzenden Wald.
 
Von Martin Bolliger, ein kompetenter Vogelkundler – er arbeitet am Naturama in Aarau –, wollte ich gern Näheres zu diesem Luftkampf wissen. Er schrieb mir freundlicherweise folgende E-Mail:
 
„Ich vermute, dass Sie einen ,Luftkampf' zwischen Rotmilanen, die die Thermik an Felsflühen gerne nutzen und zudem an Waldrändern brüten, und dem seltenen, aber an Felsflühen typischen Wanderfalken (Falco peregrinus) beobachtet haben. Die letztere Art hat den ‚Eindringling’ am Brutort aus dem Revier vertreiben wollen. Der Wanderfalken-Bestand erholt sich zurzeit, nachdem er in den vergangenen Jahrzehnten unter DDT-Rückständen zu leiden hatte. Die Art brütet vorzugsweise an Felskanten.“
 
Millionen Kornblumen
Unweit der Rickenbacher Höchi entdeckte ich eine grosse Wiese mit unzähligen Kornblumen und Klatschmohnpflanzen. Eine solche Pracht habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Ich kann mich noch gut an die Nachkriegszeit erinnern, als auf den Getreidefeldern und an den Wegrändern viele Kornblumen und Klatschmohn zu sehen waren. Auf Grund der Überdüngung verschwanden diese Pflanzen fast vollständig aus den Getreidefeldern. Nun scheinen sich diese wieder zu verbreiten. Die Kornblumen wachsen oft in Gesellschaft der Echten Kamille und dem Klatschmohn.
 
Die Kornblume ist übrigens Bestandteil sehr vieler Teemischungen. So enthält beispielsweise ein Tee gegen Gallenbeschwerden Fenchel, Kamillenblüten, Kornblumenblüten, Kümmel, Ringelblumenblüten, Süssholzwurzel und Wermutkraut.
 
Dazu eine nette Geschichte über die Kornblumen. Diese entdeckte ich im Familienbuch der Gemeinde Neuenweg D. In diesem Buch war ein Zeitungsbericht vom 5. Mai 1911 eingeklebt. Hier der Text:
 
Schönau. Mehrere Millionen Kornblumen sind auf dem Wege nach den Orten, in welchen Militärvereine sich befinden, die dem Badischen Militärvereinsverband, dessen hoher Protektor Seine Königliche Hoheit der Grossherzog ist, angehören. Vielerorts sind die Blumen bereits eingetroffen und die Vorbereitungen für den Verkauf der Blumen ist im vollen Gange. Ganz besonders sind es unsere jungen Damen, die hierbei ihre Hand zu Hilfe bieten, um als Blumenverkäuferinnen die Kaiserblume jedermann in freundlichster liebenswürdiger Weise zu überreichen. Wie es in unserem Bezirk ist, so ist es im ganzen Badener Land, so ist es in allen deutschen Landen und ist damit alle Aussicht vorhanden, dass der Kornblumentag am 14. Mai in der Geschichte nicht nur unserer engeren schönen badischen Heimat, sondern auch in unserem grossen lieben Deutschen Vaterland als besonders schöner und erhebender Tag wird eingezeichnet werden können. Wir hoffen und wünschen, dass für den schönen Zweck eine weitestgehende Unterstützung bedürftiger Veteranen künftig in die Wege leiten zu können, eine recht grosse Summe erzielt wird, und sind überzeugt, dass auch die Bewohner unseres Bezirks, unseres herrlichen Schwarzwaldes, mit Freuden hierzu ihr Scherflein beitragen werden.“
 
Es ist wirklich eine wunderbare schöne Pflanze, die mit ihrem tiefen Blau ein wahrer Augenschmaus ist. Die Kornblume ist seit kurzem auch bei uns auf den Märkten als Blumenstrauss zu bekommen. Aber auch viele Hobbygärtner lassen jetzt die „verloren geglaubte“ Pflanze wieder aufleben.
 
Buchhinweis
Das im Blog erwähnte Naturama in Aarau, ein modernes natur- und geografiekundliches Museum ganz in der Nähe des Bahnhofs, ist im neuen Buch "Konsumwelt mit Naturanschluss" von Gerhard Ammann beschrieben. Im gleichen Werk findet sich auch ein Beitrag über die Bemühungen, den Storch im Suhrental wiederanzusiedeln, von Martin Bolliger. Das Buch ist 2006 im Verlag Textatelier.com in CH-5023 Biberstein erschienen. ISBN 3-9523015-3-1. Es kann für CHF 22.50 bzw. 16.–  portofrei angefordert werden.
 
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