Textatelier
BLOG vom: 06.08.2006

Natur im Feldberg-Gebiet: Dreizehenspecht liebt Borkenkäfer

Autor: Heinz Scholz
 
Kürzlich unternahm ich mit Toni und einem Berliner Ehepaar eine Wanderung im Feldberg-Gebiet. Ausgangspunkt war das Naturschutzzentrum. Von dort führte uns der Weg an der Talstation der Seilbahn vorbei auf dem Dreiländerweg zum Gipfel des Feldbergs (1493 m ü. M.). Von dort wanderten wir bei schönstem Wetter zur St. Wilhelmer Hütte am Südwesthang des Feldbergs. Diese sehr beliebte Almhütte ist übrigens die höchstgelegene des Schwarzwalds (1423 m ü. M.). Nach einer Stärkung ging es via Todtnauer Hütte zurück zu unserem Ausgangspunkt. Doch möchte ich in diesem Blog keine der üblichen Wanderwegbeschreibungen abgeben, sondern von einigen Besonderheiten berichten.
 
Rummel im Naturschutzgebiet
Das Feldbergareal ist das grösste Naturschutzgebiet Baden-Württembergs und befindet sich in unmittelbarer Nähe der touristischen Brennpunkte. Hier gibt es Massenbetrieb und Naturidyllen. Wie passt das zusammen? Das wird sich so mancher Blog-Leser fragen. Im Winter herrscht hier ein unglaublicher Skisportrummel, und im Sommer strömen Massen zum Gipfel oder lassen sich mit der Seilbahn in luftige Höhen schwingen. Zum Glück werden die Menschenmassen, die früher kreuz und quer über den Feldberg liefen und der Erosion Vorschub leisteten, auf zum Teil eingezäunten und vorgegebenen Wegen gelenkt.
 
„Am Feldberg wird keine Käseglocke über die Natur gestülpt, sondern Naturschutz gemeinsam mit den hier lebenden Menschen und den Besuchern verwirklicht“, betonte kürzlich Hubertus Knoblauch vom Naturschutzzentrum Südschwarzwald in einem Vortrag. Die Macher des Naturschutzzentrums haben Grossartiges geleistet. Sie bieten unter anderem Ausstellungen, Vorträge, Rangerwanderungen, Vogelstimmen-Wanderungen, Nordic Walking, Sommerferienprogramme, Exkursionen, Führungen, Schneeschuh-Wanderungen und vieles mehr an. Zeitgleich mit der Rangerwanderung können Kinder das Junior-Rangerzeichen erwerben.
 
Die Verantwortlichen legten auch einen sehenswerten Feldberggarten mit Schaubeeten an. In diesen Beeten werden 120 typische Pflanzen der Wälder, der Wiesen und der Moore und Sümpfe gezeigt. So konnte ich die Türkenbundlilie, die Arnika, den Gelben Enzian und das Wollgras und viele andere schöne Pflanzen sehen. Holzbänke und Sitzmöglichkeiten aus Granitblöcken laden zum Verweilen und Vespern ein. Schautafeln bringen Erläuterungen zu den Lebensräumen am Feldberg.
 
Er macht sich leiser bemerkbar
Auf dem Weg zum Gipfel entdeckte ich im Wald auch einige Schautafeln. Da wurde beispielsweise auf den Dreizehenspecht hingewiesen. Von dieser Spechtart hatte ich vorher nie etwas gehört. In den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts galt er im Feldberg-Gebiet ausgestorben. Seit den 90er-Jahren brütet er wieder hier. Ein Begleiter unserer Wanderung bekundete, er kenne diesen Specht nicht, dafür aber den „Schluckspecht“.
 
Wir konnten jedoch den Dreizehenspecht nicht erspähen. Diese Spechtart (Picoides tridactylus) ist kleiner als ein Buntspecht und weist keine Rot- oder Rosatöne auf. Die Gefiederanteile sind schwarz und weiss. Kennzeichen sind die dunklen Wangen und der helle, gelbliche Bart- und der weisse Überaugenstreif.
 
Das Besondere der Art sind die 3 Zehen. 2 Zehen stehen beim Auf- bzw. Abwärtsklettern nach vorne und eine nach hinten. Die meisten Spechte und fast alle anderen Vogelarten haben 4 Zehen.
 
Die Lieblingsspeise des Dreizehenspechts sind Larven, Puppen und unreife Imagines von Borkenkäfern, Rüsselkäfern, Prachtkäfern, Bockkäfern, Holzwespen und Weidenbohrern. Bei Nahrungsknappheit werden sogar Fichtensamen verzehrt. Der Specht ringelt an Bäumen und nascht gerne das ausströmende Harz. Als ringeln bezeichnet man das Löcherschlagen, weil die Löcher ringförmig angeordnet sind.
 
Der Dreizehenspecht macht sich leiser bemerkbar als seine Artgenossen. Bis auf das Trommeln sind die Lautäusserungen leiser und gedämpfter als beim Buntspecht. Er zeigt eine starke Partnerbindung, und bleibt auch in der Winterzeit im Brutgebiet.
 
Der Specht bewohnt übrigens den nördlichen Nadelwaldgürtel von Nordost-Polen, dem Baltikum und Mittelskandinavien bis Kamtschatka, Sachalin und Hokkaido. In Tschechien und der Slowakei kommt diese Vogelart relativ häufig vor. Isolierte Vorkommen sind in Westchina und in einigen Gebirgslagen Europas. In Mitteleuropa ist der Specht in Österreich, im Schwarzwald, im württembergischen und bayrischen Allgäu, im Nationalpark Bayerischer Wald anzutreffen.
 
Der Dreizehenspecht in der Schweiz
Wie sieht es mit dem Vorkommen in der Schweiz aus? Auf Anfrage teilte mir Martin Bolliger, Biologe am Naturama in CH-5000 Aarau, Folgendes mit:
 
„Der Dreizehenspecht brütet in der Schweiz vor allem in den Nordalpen. In den Voralpen ist er seltener; im Wallis ist er selten und im Tessin kommt er nur ganz lokal vor. Er lebt hauptsächlich zwischen 1000 bis 2000 m Höhe. Er bewohnt insbesondere Fichtenwälder, wo Borkenkäfer eine Hauptnahrung darstellen. Daneben erbeutet er auch Bockkäfer. Die Art trat erstmals 1993 im Waadtländer Jura als Brutvogel ausserhalb seiner ‚Stammlande’ auf. Im Moment breitet er sich im Jura, im Schwarzwald und an einigen Orten sogar im Mittelland aus (u. a. im Kanton Zürich). Die Zunahme der ‚Waldschäden’ mit absterbenden Bäumen und dem massenhaften Auftreten der Borkenkäfer dürfte dieser Art einen Populations-Anstieg verschaffen.“
 
Der Bestand in der Schweiz liegt nach Schätzungen zwischen 1000 und 1500 Paaren.
 
Eingebauter Stossdämpfer
Anlässlich einer Fotoexkursion auf dem Dinkelberg sah ich einen Buntspecht fliegen. Dieser liess sich an einem Baum nieder und fing an, diesen mit kräftigen Schnabelhieben zu traktieren. Es war ein lautes Klopfen zu hören. Ich dachte mir noch, wie der Vogelkopf diese Schläge aushalten könne. Jeder von uns würde unweigerlich Kopfweh oder eine Gehirnerschütterung bekommen. Nun, der Vogel hat einen eingebauten Stossdämpfer. Dazu die nähere Erklärung von „Naturschutz heute“ („NABU“):
 
„Der Spechtschnabel ist so gebaut, dass die Kraft des Schlages abgefangen wird. Die Knochenhülle des Gehirns ist stärker als bei anderen Vögeln. Zwischen den Augen befindet sich eine knöcherne Scheidewand, und an der Eintrittstelle des Sehnervs sind knorpelige Einlagerungen. Ausserdem befindet sich zwischen Schnabel und Schädel so etwas wie ein Stossdämpfer. Beide Teile sind federnd verbunden, und dabei wird die Stossenergie auch noch in Drehenergie umgewandelt.“
 
Warum trommeln eigentlich die meisten Spechte? Früher wurde uns Schülern nämlich gesagt, damit würden sie die Insekten aus ihren Behausungen locken. Dies war falsch. Die Spechte trommeln, weil ihnen die Sprache fehlt. Während Amseln oder Mittelspechte sich durch ihren Gesang bemerkbar machen, benutzt der Specht das Trommeln als Signal. Damit wird das Männchen oder Weibchen angelockt (es trommeln sowohl Weibchen als auch Männchen).
 
Infos im Internet
http://www.vogelwarte.ch (Vögel der Schweiz, Infos zum Dreizehenspecht)
http://de.wikipedia.org/wiki/Dreizehenspecht (Ausführliches über den Dreizehenspecht)
http://www.freiburg-schwarzwald.de/haus-der-natur1.htm (Infos zu den Veranstaltungsprogrammen)
Öffnungszeiten des Hauses der Natur: Täglich von 10.00 bis 17.00 Uhr. Weitere Infos im Internet.
 
Hinweis auf weitere informative Wander-Blogs von Heinz Scholz
Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst
Altes Giftbuch entdeckt – Wurde Mozart vergiftet?