Textatelier
BLOG vom: 12.09.2006

„Volver“ – verzwickter Wunderfilm von Pedro Almodovar

Autor: Emil Baschnonga
 
Viele Filme vergesse ich, kaum habe ich sie gesehen. Der spanische Film „Volver“ – („Zurückkommen“) – wird mir im Gedächtnis haften bleiben. Wenige Tage zuvor hat ihn meine Frau mit ihrer chilenischen Freundin angeschaut. 3 Tage später ging Lily ihn zum 2. Mal, diesmal mit mir zusammen, anschauen.
 
Viele Handlungsfäden durchziehen 3 Frauengenerationen und sind kapriziös ineinander verwoben, mit vielen Rück- und Einblenden zwischen Madrid und La Mancha.
 
Raimunda, von Penelope Cruz kräftig und leibhaft schön dargestellt, ist mit einem arbeitsscheuen Handlanger verheiratet, der am liebsten bei Büchsenbier Fussballspiele im Fernsehen verfolgt. Er ist der Stiefvater ihrer Tochter Paula – das Kind von Raimundas Vater … Inzucht und Vergewaltigung sind der Rahmen, der ein ganz anderes Bild zusammenhält: den Mut und Lebenswillen der Frauen zeigt und wie sie mit ihrer Vergangenheit − und ganz besonders mit der Gegenwart − fertig werden, und darüber auch ihre Lebensfreude trotz aller Unbill erhalten.
 
Wie es kam, dass ihr Mann Pedro von ihrer Tochter erstochen wurde und dann schlicht und einfach in den Gefrierschrank im nahen stillgelegten Restaurant gestopft wurde, gibt kein Rätsel auf, sei aber hier nicht verraten. Daraus hat Almodovar keine Tragödie gemacht, auch nicht aus den Umständen, wie zuvor Raimundas Mutter ihren Mann mitsamt seiner Geliebten im Feuer umkommen liess. Die Leute in La Mancha glaubten, dass ihre Mutter im Feuer verbrannt sei …
 
Die Wiederauferstehung ihrer Mutter Maura, als „Russin“ im Coiffeurladen von Raimundas Schwester Sole auftretend, ist keinem Wunder zuzuschreiben, sondern löst viel Spass aus. Nach und nach erfahren die anderen Familienmitglieder – Paula, Raimunda und ihre beste Freundin aus der Kinderzeit, Augusta –, wie sich Maura schalkhaft der ganzen Familie zu erkennen gibt.
 
Dieser Film ist von Frauen für Frauen gespielt (und für Männer, die Frauen besser verstehen möchten). Wie herrlich diese Frauen zusammenhalten und wie die ganze Nachbarschaft Raimunda tatkräftig unterstützt, um das Restaurant wieder in Gang zu bringen! In diesen Restaurant-Szenen kann der Zuschauer heiter mithalten, denn die südländische Lebensart triumphiert.
 
Der Umstand, dass ich dem Film auf Spanisch folgen wollte, statt mich auf die englischen Untertitel abzustützen, hatte zur Folge, dass ich den Handlungsverlauf nur mangelhaft mitkriegte. Lily hat mir nach dem Film geholfen, meinen gordischen Knoten zu lösen, denn, wie gesagt, da waren viele der Handlungsfäden für ein einfaches Schweizer Gemüt wie meines zu verwickelt, hauptsächlich die Familienverhältnisse zwischen den Frauen, verbunden mit dem zeitlich verschobenen Hin und Her zwischen Madrid und La Mancha. Die bunte Bilderfolge hingegen, von spanischen Eigenarten durchdrungen, verstand ich sehr wohl, und meine Augen saugten sie auf.
 
Das Kino hier in Wimbledon war gepackt voll. Es war für mich eine Freude festzustellen, wie sich die Engländer so wacker an einem ausländischen Film beteiligen, der so weit abseits der üblichen amerikanischen Gewaltskost liegt und als Meisterwerk gelten darf.
 
Ich bin jetzt gespannt darauf zu erfahren, wie „Volver“ in der Schweiz aufgenommen werden wird.
 
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