Textatelier
BLOG vom: 16.12.2006

Wanderung anderer Art: Gletscher, Philosophen, Denkmal

Autor: Heinz Scholz, Schopfheim D
 
Am 7. Dezember 2006 unternahm ich mit Toni und Jürgen bei herrlichstem Spätherbstwetter oberhalb von Schönau im südlichen Schwarzwald eine Wanderung. Wir umrundeten die imposante Ruine des ehemaligen Schlageter-Denkmals und inspizierten auf dem Philosophenweg und dem Anton Schelshorn Weg die zahlreichen Tafeln mit Sprichwörtern, Gedichten und Gedanken zur Natur, zum Wald und zum Menschen. Es ist wohl einer der schönsten und interessantesten Wanderwege, die ich kennen gelernt habe. Ab und zu hatte man eine phantastische Aussicht auf Schönau und die umliegenden Schwarzwaldberge.
 
Der Anton Schelshorn Weg wurde übrigens vom Schönenberger Anton Schelshorn in 1200 Arbeitsstunden angelegt. Eine Tafel erinnert an diese imposante Einzelleistung. Wie mir sein Sohn (er heisst ebenfalls Anton) mitteilte, war Anton Schelshorn Mitglied im Schwarzwaldverein und in anderen Vereinen. Der Wegebauer lebte zwischen 1901 und 1968. Es gibt übrigens mehrere Familien namens Schelshorn in Schönau und Schönenberg. Eine Telefonrecherche führte mich zu dieser Erkenntnis.
 
Wer wandert, braucht keine Turnhalle
Einige Sprüche, die ich mit meiner Digitalkamera fotografierte und später in den Computer einspeiste, möchte ich hiermit bekanntgeben. Als Blogger habe ich mir die Freiheit erlaubt, das Spazierengehen in der unten stehenden Weisheit durch Wandern zu ersetzen. Denn schliesslich ist das Wandern unsere sportliche Freizeitbeschäftigung, die uns viel Freude bereitet.
 
Und wenn dann noch am Wanderweg solche dichterische Ergüsse in unsere Gehirnwindungen strömen, kommt man zur Erkenntnis, dass man sich den einen oder anderen Spruch oder eine passende Lebensweisheit zu Herzen nehmen sollte. Viele solcher Zitate fallen jedoch der Vergessenheit anheim. Erst beim Lesen werden diese wieder in Erinnerung gerufen.
 
„Wandern ist ein Sport, für den man keine Turnhalle braucht. Es ist ein Rezept ohne Medikament, ein Schlankmacher ohne Diät, eine Kosmetik, die kein Schönheitssalon bieten kann. Es beruhigt ohne Tabletten, ist eine Therapie ohne Psychoanalytiker, ein Jungbrunnen, den es wirklich gibt. Eine Wanderung ist Urlaub, der keinen Pfennig kostet.“
(A.S., R. G.) 
„Verdriesse Dich nicht darüber,
dass der Rosenstrauch Dornen trägt,
sondern freue Dich darüber,
dass der Dornenstrauch Rosen trägt.“
(Arabisches Sprichwort)
 
„Die Jahreszeiten wandern durch die Wälder.
Man sieht es nicht. Man liest es nur im Blatt.
Die Jahreszeiten strolchen durch die Felder.
Man zählt die Tage. Und man zählt die Gelder.
Man sehnt sich fort aus dem Geschrei der Stadt.“
(Erich Kästner) 
„Von deinen Kindern lernst du mehr, als sie von dir. Sie lernen eine Welt von dir, die nicht mehr ist, du lernst von ihnen eine, die nun wird und gilt.
(Friedrich Rückert)
 
„Die Angst vor einer Zukunft, die wir fürchten, können wir nur überwinden, durch Bilder von einer Zukunft, die wir wollen.“
(Wilhelm E. Barkhoff)
 
Und hier noch eine Lebensweisheit, die ein unbekannter Autor niedergeschrieben hat. Diese Weisheit ist Wanderfreund Tonis Lieblingsgedicht. 
Lebensweisheit
„Mit Verstand ein Weinlein schlürfen,
froh sein, dass wir leben dürfen.
Eine hübsche Jungfrau küssen,
nie sich sklavisch ducken müssen.
Freundschaft unter Freunden pflegen,
möglichst sich normal bewegen.
Keinem den Erfolg neiden,
dankbar werden und bescheiden.
Aber mit sich selbst im Klaren,
jedoch seinen Stolz bewahren.
Die Talente frei entfalten,
kritisch sein und wach erhalten.
Gegen die Vergreisung kämpfen,
seine eigne Stimmung dämpfen.
Auch die Gegner gelten lassen,
weder sich noch andre hassen.
Niemals wegen Nichtigkeiten,
blau sich ärgern oder streiten.
Oder hypochondrisch werden
und dadurch sein Glück gefährden.
Darum still sein Weinlein schlürfen
und, solange wir noch dürfen,
die besagte Jungfrau küssen.
Das ist alles, was wir müssen.
Das ist alles, was wir sollen,
respektive können sollen.“ 
Gletscherschliff im Schlageter-Denkmal
Es ist schon erstaunlich, was man alles auf so einer Wanderung entdecken kann. Unweit der Ruine des Schlageter-Denkmals befindet sich der Gletscherpfad. Kaum zu glauben, dass sich hier einmal ein Gletscher des Feldbergmassivs befand. Dieser bildete sich in der letzten Eiszeit, die vor ungefähr 10 000 Jahren endete. Im gesamten Feldberggebiet sind eiszeitlich bedingte Formen, wie Trogtäler, Hängetäler, Kare, Rundhöcker, Gletscherschliffe, Schmelzwasserrinnen und Moränen zu sehen. Der Mummelsee, Titisee und Feldbergsee sind die einzigen heute noch erhaltenen Karseen.
 
Auf der Rückseite des Denkmals ist ein vergitterter Eingang, der einen Blick auf einen  Gletscherschliff frei gibt. Das Denkmal wurde also über einen Felsen mit diesem Gletscherschliff errichtet. Bruno Lais, 1. Vorsitzender des Schwarzwaldvereins Schönau, empfahl das Mitführen einer Taschenlampe. Durch weitere Fenster, die mit einem Gitter versehen sind, kann man nämlich in den Hohlraum der Ruine hineinschauen.
 
Die Gletscherschliffe entstehen durch die schleifende Kraft des fliessenden Gletschereises. Werden Steine mitgerissen, dann bilden sich Schrammspuren. Südlich der Zastler-Hütte sind solche Schleifspuren deutlich zu sehen.
 
Die Grundsteinlegung des Denkmals war am 26. Mai 1925 und die Einweihung erfolgte am 31. Oktober 1926.
 
Wer war Albert Leo Schlageter?
Nach Besichtigung des Schlageter-Denkmals informierte ich mich zur Person Schlageter. Ich wusste schon, dass er für die Nationalsozialisten eine Identifikationsfigur war.
 
Albert Leo Schlageter wurde 1894 in einem streng katholischen Elternhaus in Schönau D (Baden) geboren. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges nahm er an etlichen Schlachten teil. Nach dem Krieg studierte er 1 Jahr Politikwissenschaften und war damals Mitglied einer katholischen Studentenverbindung. Später trat er dem Freikorps bei und nahm an Kämpfen im Baltikum teil. Während der Ruhrbesetzung versuchte er durch Sabotageakte die französischen Besatzungstruppen zu bekämpfen. Auf Grund eines Verrats in den eigenen Reihen wurde er am 7. April 1923 verhaftet, zum Tode verurteilt und am Morgen des 26. Mai 1923 hingerichtet.
 
Schlageter schrieb am 8. Mai 1923 an seine Eltern u.a. folgende Zeilen: „Seit 1914 bis heute habe ich aus Liebe und reiner Treue meine ganze Kraft und Arbeit meiner deutschen Heimat geopfert. Wo sie in Not war, zog es mich hin, um zu helfen. Das letzte Mal hat mir gestern mein Todesurteil gebracht. (…) Kein wildes Abenteuerleben war mein Verlangen, nicht Bandenführer war ich, sondern in stiller Arbeit suchte ich meinem Vaterlande zu helfen. Ein gemeines Verbrechen oder gar einen Mord habe ich nicht begangen.“
 
Schlageter wurde später von einem Teil der deutschen Bevölkerung verehrt (er galt als Patriot). Er wurde sogar von einigen politischen Kreisen als „mutiger Konterrevolutionär“ bezeichnet.
 
Während der Jahre bis 1933 wurden in Deutschland zahlreiche Schlageter-Denkmäler errichtet. Diese wurden teilweise von rechten Organisationen initiiert.
 
„Die Nationalsozialisten stilisierten Schlageter zu einer zentralen Identifikationsfigur und einem Märtyrer ihrer Bewegung. Nach ihm wurden nach der Machtergreifung ein Segelschulschiff der deutschen Kriegsmarine sowie das Jagdgeschwader 26 der deutschen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg benannt“, so Fakten aus der freien Enzyklopädie „Wikipedia“.
 
Der Obelisk und Teile des Sockels vom Denkmal in Schönau wurden übrigens 1937 gesprengt und sollten einem grösseren Denkmal weichen. Die Arbeiten zum Neubau wurden wegen des Kriegsausbruchs eingestellt. Was wir heute besichtigen können, ist ein sehr stabiles Rondell aus Granitsteinen.
 
Um einen guten Eindruck von der Grösse des Rundbaus zu bekommen, sollte man unbedingt um die Ruine herumwandern. Wir staunten nicht schlecht über diesen Grössenwahnsinn aus vergangner Zeit. Auf dem Vorplatz liegen noch einige gewaltige Granitblöcke, die für das geplante neue Denkmal, gebraucht worden wären.
 
Infos im Internet
 
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