Textatelier
BLOG vom: 01.04.2007

Aarburg AG: Wiedersehen und Erinnerung an eine Befreiung

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich
 
Das Erlebnis, von dem ich erzählen will, liegt einige Jahre zurück. Es meldete sich wie ein Blitz, als wir im Bus zur Ostereier-Ausstellung nach Wolfwil SO fuhren. (Blog vom 30.03.07) Kaum hatten wir die Festungsanlage Aarburg AG (Bezirk Zofingen) wieder erkannt, sausten wir in Gedanken schon an jenem Gitter vorbei, das uns damals zum Verhängnis wurde.
 
Wir waren auf einer Velotour, fuhren von Olten her auf diesen Ort zu. Die Burganlage zog uns an. Wir machten Halt, schlenderten durch die Kleinstadt und versuchten auch, auf den Hügel zu kommen. Das ist nicht möglich. Denn dort oben ist das geschlossene Jugendheim untergebracht. Wir konnten nur mit einem Lift zur Kirche hinauf fahren. Ein Wirt wies uns den Weg, nachdem wir bei ihm Kaffee getrunken hatten. Oben angekommen, schauten wir auf die Aare und auf Weidlinge, die gerade ankamen und anlegten. Die Sonne schien kurz aus den Wolken heraus und ihre Strahlen spielten mit dem Wasser. Es gefiel uns da ganz gut. Wir hatten keine Eile.
 
Für eine Besichtigung der Kirche war es zu spät. Der Sigrist hatte sie gerade geschlossen. Wir folgerten, dass diese nur zu Zeiten der Gottesdienste offen sei. Es waren auch einige Touristen hier oben und prägten sich ebenfalls die schöne Aussicht ein.
 
Als wir dann auch mit dem Lift nach unten gefahren und ausgestiegen waren, standen wir vor dem verschlossenen Eisengitter, das im Felsen verankert ist und waren gefangen. Ja: gefangen. Der Lift war sofort wieder nach oben zurückgekehrt und konnte nicht mehr aktiviert werden. Da standen wir hinter dem Gitter, mit Sicht auf die Hauptstrasse, wie Affen im Zoo. Es gibt noch eine Foto davon.
 
Der Raum zwischen Lift und diesem Tor ist geräumig und mit einem Tierkäfig vergleichbar. Also, was machen? In der Zwischenzeit hatten die Wolken die Lücken zum Blau hin geschlossen. Es fühlte sich nasskalt und ungemütlich an. Ein Glück, dass ich den Rucksack und somit auch meine Jacke bei mir hatte. Wir schauten das Gefängnistor genauer an. Auf der rechten Seite schloss es sehr nahe an den Felsen. Auf der linken verhinderte die Naturform des Gesteins aber einen präzisen Anschluss. Da gab es eine minimale Hoffnung, zu entkommen. Für mich aber aussichtslos. Ebenso für Letizia. Ich konnte es mir nicht vorstellen, dass das möglich sei. Primo probierte es. Während ich meine Jacke aus dem Rucksack hervorholte, war es schon geschehen. Ich sah noch, wie er sich drehte und wendete. „Jesses Gott!“ rief ich – und schon war er frei. Selbst verwundert, stand er eine Weile still und versprach, Hilfe zu holen.
 
Und wir Frauen beschlossen, jede Person, die auf dem Trottoir daher komme, anzusprechen. Die erste war Ausländerin, der deutschen Sprache nicht mächtig. Dann kamen die Touristen, die auch die Aussicht bewundert hatten und lachten. Sie seien vom Sigristen informiert worden, dass das Tor in den nächsten Minuten geschlossen werde. Offensichtlich nahm er an, dass auch wir zur Reisegruppe gehörten. Dann kamen junge Italiener vorbei und schäkerten mit Letizia. Helfen konnte uns niemand. Später fuhr ein Auto vorbei, wendete, kam zurück. Es war eine Frau aus der Kirchenpflege, die uns bemerkt hatte. Sie wollte uns befreien, musste aber zuerst nach Hause, um den Schlüssel zu holen. Zur selben Zeit fand Primo Hilfe bei einem Wirt, der mit der Familie des Sigristen Kontakt aufnahm.
 
Dann ging alles schnell. Die Frau aus dem Auto war zuerst zurück. Sie öffnete das Tor. Dann traf Primo ein und konnte von seinen Kontakten berichten und dass die Hilfe gesichert gewesen wäre. Er erzählte von einem Wirt, der uns, falls nötig, gerne eine warme Suppe durchs Käfiggitter gereicht hätte. Und schon war auch der Sigrist da und wollte uns befreien. Mit schnellen Schritten ging er an uns vorbei, wusste noch nicht, dass die, die hier herumstanden, die Befreiten waren.
 
Ist es verständlich, dass wir elektrisiert waren, diesen Ort unerwartet wieder zu sehen? Ich konnte es wieder nicht glauben, dass sich Primo zwischen Fels und Gitter ohne Kopfverletzung durchzwängen konnte.
 
Die hilfsbereiten Menschen von Aarburg behalten wir in bester Erinnerung.
 
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