Textatelier
BLOG vom: 22.06.2007

Lindenblütendüfte in der Zürcher Altstadt und im Quartier

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich
 
Auf einem Stadtspaziergang rasteten wir am letzten Sonntag unter der Linde neben dem Grossmünster.
 
Hier liess und lässt sich gut sein. Einerseits weil Linden befrieden und mit ihren Düften betören, andererseits der prächtigen Aussicht wegen. (Sicht zum Albis und See. Ausfluss der Limmat aus dem Zürichsee. Silhouetten von Stadthaus, Fraumünster, St. Peter usw.).
 
Schon zu Hause, als wir uns auf den Weg machten, fragte ich mich, was ich heute Besonderes finden werde. Es waren dann die blühenden und duftenden Linden. Auch auf unserem weiteren Weg wehte uns ihr Parfum entgegen, als noch weit und breit kein Lindenbaum zu sehen war. Auf der Höhe, wo die Kirchgasse mit dem Hirschengraben zusammentrifft, standen die Bäume dann zum Empfang bereit. Und sofort begriff ich, warum hier eines der Häuser „Am Lindentor“ heisst. Hier stelle ich mir ein Tor in der mittelalterlichen Stadtmauer vor, ohne aber zu wissen, ob Linden innerhalb der Mauer oder draussen angesiedelt waren.
 
Der Sonntag gehörte also der Wahrnehmung von Lindendüften. An diesen freuen wir uns auch seit mehr als einem Monat rund um die Josefswiese. Als ausgleichender Kontrast zum Kerichtheizkraftwerk von nebenan. Erstaunlich, was diese Bäume hier bewirken. Sie erfrischen den Ort. Sie reinigen die Luft. Hier atme ich voll und tief und gern.
 
Linden umranden hier die grosse, rechteckige Wiese im Neugassbereich 1-reihig, an der Josefstrasse 2-reihig, und im Bereich Ottostrasse 3-reihig. Erst jetzt, für diesen Beitrag ins Blogatelier, habe ich die Gestaltung dieser Anlage endlich einmal genauer angeschaut. Dabei komme ich hier fast täglich vorbei. Doch schaue ich immer nur auf die Bäume und ihre Ausstrahlung, die in diesem Jahr ausserordentlich üppig ist.
 
In der Auflistung der Parks von „Grün Stadt Zürich“ wird auf den deutschen Sozialreformer Leberecht Migge hingewiesen, in dessen Geist die Josefswiese gestaltet worden sei. Obwohl sie unter den Parks figuriert, wurde sie nie als solcher empfunden. Noch heute ist sie ein Platz, der beansprucht werden darf. In ihren Anfängen war sie in erster Linie ein Ort, wo die Schüler im Sommer turnen und sich ganze Familien am Sonntag auf der Wiese tummeln konnten. „Rasen betreten verboten“ war damals eine bekannte Weisung, die hier nicht mehr galt. Die Josefswiese durfte benützt, nicht nur angeschaut werden.
 
Obwohl zu einer Zeit geschaffen, als wir Menschen aus anderen Kulturkreisen nur in Geschichten begegneten, ist die Josefswiese für die Bedürfnisse von heute ideal. Sie ist ein Tummelplatz der multinationalen Bevölkerung, auch aus angrenzenden Stadtkreisen. Hier werden Quartier- und Spielfeste und auch das alljährliche Pétanque-Turnier abgehalten. Mehr und mehr entdecken die Afrikaner diesen schönen Ort und entführen uns trommelnd oder singend solange in unbekannte Welten, wie unsere Velofahrt der Grünfläche entlang dauert. Manchmal halten wir an und hören eine Weile zu.
 
Ja, die Linden. Sie blühen an vielen Orten, aber nur in verkehrsfreien Zonen fällt uns ihr Wohlgeruch auf.
 
Als Autos noch Ausnahmeerscheinungen waren, also bis etwa 1950, wurden Lindenblüten von den Anwohnern für den eigenen Gebrauch geerntet. Primo kann sich gut erinnern, wie sein Vater die Leiter schulterte und er mit den Eltern zusammen an der Heinrichstrasse von diesen Teeblüten pflückte. Und ich weiss noch, dass wir in der Nähschule einen Stoffsack aus locker gewobener Baumwolle bestickten, um darin eine Jahresportion Lindenblüten aufbewahren zu können. Lindenblüten waren geschätzt. Ihr Tee erfrischte uns im Sommer. Mutter stellte ihn kühl und gab ihm einen Schluck Rotwein bei. So habe ich ihn auch heute noch gern. Er ist wertvoll, sein Vitamin-C-Gehalt beachtlich.
 
Allgemein bekannte Wirkungen von Lindenblüten sind: Husten lindernd, Fieber senkend, beruhigend, schweisstreibend.
 
Weniger bekannt sind Lindenblüten-Kompressen für ermüdete Augen: Lindenblüten-Teesäcklein mit heissem Wasser übergiessen, ziehen und abkühlen lassen. Je ein Säcklein auf die geschlossenen Augen legen. Mit einem Tuch bedecken. Ungefähr eine Viertelstunde wirken lassen.
 
Ich kann diese Prozedur empfehlen. Sie beruhigt auch, weil man sich dafür hinlegen und stille sein muss.
 
Den Hinweis habe ich von Pauline Felder bekommen, und sie beruft sich auf Hildegard von Bingen.
 
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