Textatelier
BLOG vom: 09.11.2007

Thema Heizen: Eine Störung weckt Erlebnisse von früher

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich
 
Letzte Woche erschreckte mich ein mäandrierendes Bächlein im Keller. Es trat wie eine Quelle aus dem Geviert, in dem die Heizung untergebracht ist. Nachdem nun die verkalkten Schutzanoden im Wassertank durch neue ersetzt worden sind, kann ich sie wieder vergessen. Sie ist ja autonom und wird unser Zuhause weiterhin zur rechten Zeit und im rechten Ausmass wärmen.
 
Ganz anders früher. Da wurde unser Kachelofen mit Holz und Kohle gefüttert, und das war hauptsächlich meine Aufgabe. Ganz im traditionellen Mutter-Verständnis von damals. War ich ohne grosse Unterbrüche zu Hause, war es hier gemütlich und warm. Wir liebten unseren Ofen, der von der Küche her geheizt wurde. Im Spätherbst, wenn die Saison begann, jubelten die Kinder, wenn sie Feuer entfachen und dem Knistern der Tannenholzspäne zuhören konnten. Und alle liebten wir die auf dem Ofen lagernden, mit Kirschensteinen gefüllten Stoffsäcke. Froren wir beim Heimkommen aus der Stadt, legten wir sie auf den Boden, standen darauf und lehnten an den Ofen. Und sogleich kehrte unsere eigene Wärme zurück. Wir nahmen sie auch ins Bett mit. Sie waren immer richtig warm, ganz anders als die Bettflaschen, die mit warmem oder heissem Wasser gefüllt werden müssen.
 
Im Ofen konnte auch gekocht werden. Die beiden Fächer wurden rege benützt. Von der Küche her, hinter einer Klappe, brodelten Eintöpfe und briet Rösti. Im Stubenfach liessen wir Wasser verdunsten. Da konnten die Kinder auch beobachten, wie sich am emaillierten Gefäss Kalk ablagerte und Gesteinswände entstanden. Das aus Messing hergestellte Ofentürli in der Stube wurde jeweils von Felicitas hingebungsvoll poliert und sah dann wie ein Schmuckstück aus.
 
Es faszinierte uns auch das Simmern im Ofen, das vom verdunstenden Wasser ausging. Obwohl sehr leise, tönte es doch so, wie wenn Geschichten erzählt würden. Lauschten wir ihnen, fühlten wir, dass hier unser unverwechselbares Zuhause sei. Das ist denn auch der grösste Verlust, den uns die moderne Gasheizung, mit der wir übrigens sehr zufrieden sind, abverlangte. Das Simmern ist verstummt.
 
Auch in unserer ersten gemeinsamen Wohnung in Zürich-Höngg mussten wir selber heizen. Primo sagte oft, Holz gäbe doppelt warm. Erstmals, wenn wir es in den dritten Stock hinauftrügen und dann, wenn es verbrannt werde.
 
Wir heirateten in jenem Oktober, dem dann der sehr kalte Winter mit der „Seegfrörni“ folgte. (1963 gefror der Zürichsee zum letzten Mal.) Unsere schlecht isolierte Wohnung war kaum zu erwärmen. In der Dachlukarne, die mir als Kühlschrank diente, gefror die Milch zu einem Block. Meinem Schwager, der in einem hinteren, nicht beheizbaren Zimmer wohnte, schob ich jeweils am Morgen nach dem Betten eine heisse Bettflasche unter die Decke, um ihm eine minimale Wärme bereit zu halten. Es bildete sich dann Kondenswasser, und die Matratze schimmelte. So waren die Verhältnisse früher.
 
Und zum Heizen gehörte die Kaminreinigung mit dem unheimlichen Russ, der sich in unserer Stube überall absetzte. Mit Leintüchern deckte ich Schränke und die offene Bücherwand jeweils vorsorglich ab, wenn ich den Kaminfeger erwartete. Wir lebten wirklich elementar.
 
Wenn die Holzlieferung angesagt war, hatte ich immer ein schlechtes Gefühl, dass sich die wackeren Männer für uns abmühen müssen, obwohl es ihr Beruf war. Ein Trinkgeld allein konnte doch ihre Rücken nicht stärken. Einmal ergab es sich wieder, dass eine extreme Kälte wochenlang anhielt und das Holz und die Kohle überall knapp wurden. Es war vor Weihnachten und alle Kundschaft drängte auf Lieferung. Wir wurden als letzte noch bedient. 4 Männer trugen am 23. Dezember die schweren Lasten in unseren Keller. Es war 8 Uhr abends. Man sah ihnen an, wie erschöpft sie waren. Da luden wir sie ganz unkompliziert zu Kaffee, Fleisch, Käse und Brot an unseren Tisch ein. Sie langten gerne zu, konnten aufatmen, denn sie hatten ihr Soll mehr als erfüllt. Wir kamen ins Gespräch. Ich erinnere mich gut, weil dieses Zusammensein für mich zu den schönsten Weihnachtserlebnissen gehört.
 
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