Textatelier
BLOG vom: 12.06.2008

Comfrey/Beinwell: Wohltat für die Gärten und Gärtnerbeine

Autor: Walter Hess, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Im Kapitel „Pflanzen, die jeder im Garten haben sollte“ des Büchleins „Paradies“ hat der bekannte deutsche Biogärtner Heinz Erven geschrieben: „Drei wichtige Pflanzen sind Comfrey (Symphytum peregrinum), Topinambur und Kapuzinerkresse. Die erstere liefert uns wertvolle Blätter, die als Beigabe zu Salat, Spinat und Tee verwendet werden können. Ausserdem macht man mit Erfolg Auflagen damit auf Prellungen, Quetschungen, Entzündungen u. ä. Die Pflanzen haben eine Lebensdauer von etwa 20 Jahren und liefern grosse Mengen von Grünmasse, die im Garten zur Verkompostierung, Verjauchung und Bodenbedeckung hervorragende Dienste leistet. Bis zu fünfmal im Jahr kann man sie schneiden; man pflanzt sie mit einem Abstand von 1 Meter. Aus den Wurzeln wird eine sehr wertvolle Salbe hergestellt.“
 
Comfrey ist der englische Name für unsere Wallwurz oder Beinwell (Symphytum officinale L.), wie die Wildform mit ihren weissgelben Blüten heisst; das griechische Wort symphein steht für zusammenwachsen, ähnlich dem althochdeutschen wallen = zusammenheilen. Symphytum peregrinum ist eine Kreuzung zwischen der Wildform und der Rauen Wallwurz (S. asperum); sie hat grössere Wurzeln und weniger stark behaarte, stark genervte Blätter, wie sie alle Borretschgewächse tragen. Der Stängel ist kantig, hohl und kann bis 1 m hoch werden.
 
Wir haben auf beiden Seiten unseres Hauses einen Gemüsegarten, und in jedem von diesen, immer im Eckbereich, wächst je ein sattgrünes Büschel der Peregrinum-Variante heran, und es gibt keine Widerwärtigkeit, die diese Pflanzen zu vertreiben vermöchte, auch Trockenheit kann ihr nichts anhaben, obschon in der Heilpflanzen-Literatur meines Erachtens unnötigerweise davor gewarnt wird.
 
Als ich vor einigen Wochen, im März 2008, einige Gartenbeete herrichtete und in der Nähe meiner Wallwurz-West den Gartenweg mit einem Spaten (der laut Erven der Würmer wegen verboten wäre) lockerte, schnitt ich ungewollt einige Tranchen der saftig-gallertigen Wallwurzwurzel ab, verteilte die kleinen Stücke aufs ganze Beet, und aus all diesen Fragmenten wachsen jetzt neue, bereits kräftig entwickelte Wallwurzpflanzen heran. Selbstredend lebt der Mensch nicht von Wallwurz allein, und so bin ich nun dabei, einige davon dem Kompost anzuvertrauen und ihnen dort ein Weiterleben zu ermöglichen, ganz im Sinne unserer Schweizer Philosophie, auch den Pflanzen eine Würde zuzugestehen.
 
Wer will, kann Sprosse und junge Blätter (laut Robert Quinche in „Wildsalate. Wildgemüse“, Ott Verlag, Thun 1980) wie Spargeln zubereiten. Und die Blättchen schmecken, zusammen mit anderen Wildkräutern, sehr gut im Salat. Die ausgewachsenen, gestielten, zungenförmigen Blätter dünstet man wie Spinat, oder man verquirlt sie mit Wasser, Quark und Joghurt zu einem bekömmlichen Gesundheitsgetränk.
 
Betagte Naturfreunde sagen manchmal, im eigenen Garten würden sich genau jene Pflanzen ansiedeln, welche die Anwohner nötig hätten. Selbstverständlich passiert mir das immer. Als sich auf meiner linken Hand eine kleine Warze niedergelassen hatte, wuchs an allen Wegrändern und sogar aus Mauerritzen das Schöllkraut (Chelidonium majus), dessen goldgelben Saft ich fleissig auf die Warze abstrich, die ihren Widerstand selbstverständlich nach wenigen Wochen aufgab und verschwunden ist.
 
Natürlich kann ich aus dem Vorhandensein von Kräutern, die sich in meinem Umfeld ausbreiten und mich wie die Spatzen begleiten, auch auf meinen Gesundheitszustand schliessen. Dieser ist untadelig; Ralph Bircher hätte dem „sturmfest“ gesagt. Eine kleine Einschränkung muss ich hinsichtlich meiner Beine machen. Sie schmerzen zwar nicht, sind aber manchmal am Abend leicht angeschwollen, wenn ich 10 bis 14 Stunden am Computer gesessen habe. Das ist zuerst Eva aufgefallen und war nicht zu bestreiten. Das zwingt mich dann zu mehr oder weniger ausgiebigen Wanderungen, die nur den Nachteil haben, dass sie mich wieder zu neuen Blogs animieren – und damit zu meinem Schreib- und Sitzwerk. Das auch gerade jetzt wieder stattfindet …
 
Wenn ich nun die Beinwell-(Beinwohl-)Invasion in meinem Garten richtig interpretiere, muss daran schon etwas sein. Und so habe ich denn meine Heilpflanzen-Bibliothek auf dem Estrich, wo die Bücher in langen Zweierkolonnen stehen und sich auch aufeinander türmen, abgesucht. Ich weiss, dass ich einmal ein Büchlein hatte, das „Comfrey“ hiess und allein dieser Pflanze gewidmet ist. Es ist untergegangen und wird zum gegebenen Zeitpunkt schon auftauchen. Das ist nicht weiter schlimm, denn der Beinwell/Wallwurz ist in jedem anständigen Heilpflanzenbuch feierlich erwähnt, so etwa im Werk „Natürlich und gesund mit Heilpflanzen“ von Bruno Vonarburg (AT Verlag, Aarau 1988). Während meiner Jahre als Redaktor der Zeitschrift „Natürlich“ war Vonarburg unser aktiver und beliebter Heilpraktiker und Heilpflanzenexperte in Teufen AR, dessen Urteil ich schätzte – und ich tue es noch immer.
 
Auch Vonarburg vermeldet die Einsatzmöglichkeiten der grossen Blätter der bienenfreundlichen Beinwohltäterin als Düngungsmittel oder zur Bodenabdeckung. Als Heilmittel werden die Wallwurz-Wurzeln im März/April oder September/Oktober gegraben und möglichst schnell zu einer Tinktur verarbeitet; dann sind sie am gehaltvollsten. Man kann sie aber auch bei 45 °C trocknen (sie dürfen nicht schimmlig werden). Man sollte diese Pflanzenteile aber niemals in Metallgefässen aufbewahren, weil diese sonst korrodieren.
 
In der Regel wird man Wallwurz-Zubereitungen wohl in der Drogerie besorgen. Doch kann man laut Vonarburg frische und sauber gewaschene Wallwurzwurzeln in kleine Stücke schneiden und mit einem Wallholz oder einer Flasche zerquetschen, eventuell etwas heisses Wasser zugeben und den Brei auf ein Tüchlein geben und über Nacht auf die zu behandelnden Stellen auflegen und einwirken lassen. Das ist z. B. bei Beinhautentzündungen nützlich.
 
Aber auch Wallwurztee dient in der Volksheilkunde zur innerlichen Behandlung von rheumatischen Prozessen an Knochen, Gelenken und Muskeln sowie bei Durchfall, Magen- und Darmgeschwüren, Darmentzündungen und Verschleimung der Atemwege. Im Buch „Gesundheit durch Heilkräuter“ von Richard Willfort (Rudolf Trauner Verlag, Linz 1959) ist die Zubereitung des Teeaufgusses so beschrieben: „2 Teelöffel der klein geschnittenen Wurzeln für 1 Tasse im Aufguss ohne Zucker. 2 bis 4 Tassen am Tag werden schluckweise getrunken. Der Tee kann auch auf folgende Art bereitet werden: 3 gehäufte Teelöffel der fein geschnittenen frischen oder getrockneten Wurzeln werden in 2 Tassen Wasser 10 Stunden kalt angesetzt und dann abgeseiht. Auf die abgeseihten Wurzeln gibt man nun 1 Tasse Wasser, lässt einmal aufkochen und seiht dann sogleich ab. Diese heisse Teemenge wird nun mit den gewonnenen 2 Tassen kalten Tees vermischt und untertags schluckweise getrunken.“
 
Die spindelförmigen Wurzeln, die schon im Mittelalter „zu allen Wunden, Rissen und Brüchen“ verwendet wurden, enthalten eine grosse Menge von Allantonin, Gerbstoff, Schleim, Asparagin, Consolidin, Cholin, Inulin, Saponin und Mineralien wie Kobalt und Kieselsäure sowie die Vitamine B1, B2, B12, C und P.
 
Das Allantoin ist der Wirkstoff, der die Wundheilung beschleunigt – hier in einer wunderbaren Umgebung. Er verflüssigt die Wundsekrete, regt den Gewebsstoffwechsel an, entfernt abgestorbenes Gewebe, fördert die Zellsprossung und die Gewebserneuerung. Das Cholin seinerseits wirkt der Eiterbildung entgegen.
 
Für mich ist die anregende Wirkung auf den Blutkreislauf von Belang, weil die Gefässe in der Haut erweitert werden. Und ich verstehe nun Heinz Erven, wenn er die Wallwurz zum Wohl des Gartens und der Beine, die bebauend auf ihm herumtrampeln, als etwas vom Wichtigsten bezeichnete.
 
Hier will ich abbrechen, um als Präventivmassnahme einen Wallwurztee zubereiten zu können.
 
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