Textatelier
BLOG vom: 20.02.2009

Irren heisst, ohne Kenntnis der Richtung umherzulaufen

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich-Altstetten
 
2 Tage verfolgte uns dieses Thema. Aus der Rückschau: Wir waren sorglos und nachlässig. Im Augenblick grosser Orientierungslosigkeit fühlten wir uns beinahe wie verhext.
 
Wir wollten Freunde besuchen, die nach Zürich-Höngg umgezogen sind, vergassen aber den Zettel mit der genauen Adresse mitzunehmen. Diese besteht aus einem Eigennamen und der Endung -steig. Mit gleichem Namen sind eine -Strasse, ein -Weg und eine -Halde bezeichnet. Es half uns die Erinnerung, dass es sich um den Steig handle, aber die Hausnummer fehlte. Ebenfalls aus der Erinnerung meinte ich, das Haus finden zu können. Ich hatte es auf dem Kartenausschnitt im Internet gesehen. Da aber die Gastgeber ihren Briefkasten noch nicht ordnungsgemäss angeschrieben hatten, fanden wir sie lange nicht.
 
Wir irrten eine Stunde lang umher, bis wir dort eintrafen, wo wir erwartet wurden. S., ein Psychologe, musterte uns kritisch. Primo und ich lösten die Spannung aber mit Lachen auf. Als wir erzählten, wie sich unsere Suche gestaltete und wie wir uns beide noch eine lange Zeitspanne aus den Augen verloren hatten, sagte er streng: „Man trennt sich nicht.“ Und später, als wir alle Details unserer Irrwege aufzeigten, diagnostizierte er eine „kognitive Dissonanz.“
 
Stimmt. Primos und meine Vorstellungen sind selten deckungsgleich. Und zusätzlich hatten wir unsere Abmachungen nach eigenem Gutdünken noch etwas ausgedehnt.
 
Am andern Morgen dann, beim sonntäglichen Auslaufen im Wald unserer Umgebung, beschäftigten wir uns nochmals mit dem Durcheinander vom Vortag. Ich wollte den Fehlern und Nachlässigkeiten nachspüren. Im Gehen lassen sich Probleme besonders gut besprechen. Es gab an diesem Sonntagmorgen viel zu bereden. Nicht nur zu den Irritationen von gestern. Besonders die Sorgen um einen Ersatz für Primos Werkstatt nahmen uns ganz gefangen. Vor 2 Tagen wurde nun das Baugespann für den Neubau aufgestellt. Der Auszug ist unausweichlich, und wir haben noch keine Lösung. Obwohl wir gingen, waren wir in Fahrt.
 
Mehr als 1½ Stunden wanderten wir durch den Wald. Wir können uns nur an eine Weggabelung erinnern, die wir bewusst wählten. Alle anderen Abzweigungen hinterfragten wir nicht mehr. Und so kam es, dass wir immer höher stiegen und dass sich der Regen in Schnee verwandelte und den Wald verzauberte, ohne dass wir das bemerkten. Irgendwann blieben wir dann doch stehen und bewunderten diese Pracht. Und wir waren uns einig: Da sind wir noch nie gewesen. Jetzt wollte ich wissen, in welcher Richtung der Heimweg anzutreten sei. Primo zeichnete mir im frisch gefallenen Schnee unsere angeblich gegangenen Wege und die Richtung heimwärts. Ich war nicht einverstanden. Mein innerer Kompass meldete mir etwas anderes. S. hätte in diesem Augenblick wohl wieder diagnostiziert: „Kognitive Dissonanz!“
 
Irritiert gingen wir nach Primos Vorgabe weiter und erreichten bald einen schönen Platz mit Tischen und Bänken, alle mit gemütlichen Schneepolstern bedeckt. Daneben das angeschriebene Forsthaus Frauenmatt. Ihm gegenüber verlässliche gelbe Wanderwegtafeln, in 3 Richtungen weisend. Primo war sprachlos. Es dauerte eine Weile, bis er seine Vorstellungen fahren liess. Dem Wanderweg nach Schlieren hätten wir folgen können, doch das wollte er nicht. Und er fand denn auch bald eine Holztafel, die den Weg nach Altstetten wies. Schon von weitem erspähte ich eine Abzweigung, die uns erneut verunsicherte. Erst als ich den Schnee mit meinem Handschuh von einem versteckten Wegweiser aus Holz abklopfte und das Wort Salzweg erschien, wussten wir, dass wir den besten Heimweg gefunden hatten. Der Salzweg führt beinahe vor unsere Haustür. Die Übersicht war wieder hergestellt. Gleichwohl rieben wir uns die Augen. Wo waren wir gewesen? Nach Primo in einem verwunschenen Wald. Er nennt es ein „Hänsel-und-Gretel"-Erlebnis.
 
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