Textatelier
BLOG vom: 02.07.2009

Stoiber-Traumgarten: Historische Rosen, exotische Bäume

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„Die Natur zu schützen, ist teuer. Sie nicht zu schützen, ist unbezahlbar.“
(Elsbeth Stoiber auf der Einladung zur „offenen Gartentür“ 2009)
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„Das Rosenstöckli verrät die Spontaneität und die Liebe seiner Schöpferin für alle Lebewesen.“
(Charlotte Seeling in ihrem Buch „Frauen und ihre Gärten“ über Frau Stoiber)
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„Bitte zertreten und vernichten Sie keine Schnecken, Spinnen, Käfer, Raupen, Läuse“, stand auf der Einladung von Elsbeth Stoiber, der ehemaligen sehr bekannten Moulagenbildnerin, zur Besichtigung ihres „Rosenstöcklis“ in der Kniebrechstrasse 6 in CH-8135 Langnau-Albis. Frau Stoiber ist übrigens Deutsche. Sie kam in Stuttgart, der „Grossstadt zwischen Wald und Reben“ auf die Welt und war schon in der Kindheit von Bäumen und Tieren umgeben.
 
Die erwähnte Aufforderung hatte einen Grund. In der Vergangenheit war ein Mann im Garten unterwegs und zerschnitt die eine und andere Schnecke. Für Frau Stoiber war dies unerträglich. Sie liebt Tiere und Pflanzen und betont immer wieder, dass jedes Tier im Garten eine Daseinsberechtigung hat. Sie unterscheidet nicht zwischen Gut und Böse. In einem Interview für die Zeitschrift „Bioterra“ sagte sie einmal: „Die einzigen Tiere, die ich töten kann, sind Zecken.“
 
Schon vor Jahren hatte ich Gelegenheit ihren zauberhaften 1800 m2 grossen Garten mit etwa 200 Pflanzengattungen in Augenschein zu nehmen. Nun, am 21.06.2009 war es erneut so weit. Ich wollte unbedingt noch einige Blüten des Tulpenbaums (Liriodendron tulipifera) fotografieren. Frau Stoiber machte mich anlässlich eines Telefongesprächs darauf aufmerksam, dass der Tulpenbaum in ihrem Garten 2-stämmig sei. Bei diesem hängen die Äste weit herunter, und so ist es möglich, schöne Blüten- oder Knospenaufnahmen zu machen. Im Botanischen Garten Basel konnte ich vor einigen Wochen bereits einen Tulpenbaum in Augenschein nehmen. Aber die Blüten befanden sich so weit oben, dass Nahaufnahmen nicht möglich waren. Ich hätte mir eine Leiter besorgen müssen.
 
Dem Rosenduft entgegen
Nun zu unserer Anreise: Am 21.06.2009 fuhr ich mit Paula und unseren Nachbarn Karin und Ewald Greiner via Autobahn Richtung Zürich. Zum ersten Mal benutzte ich die Westumfahrung von Zürich, die sicherlich 20 Minuten an Zeitersparnis brachte. Laut Frau Stoiber sollten wir wegen Bauarbeiten nicht die Ausfahrt Thalwil, sondern Wollishofen benutzen. Das tat ich denn auch. Nach der Ausfahrt fuhr ich nicht nach Thalwil, sondern irrtümlicherweise nach Wollishofen. Was blieb uns anderes übrig, als einen Taxifahrer nach dem Weg zum Albispass zu fragen? Wir erhielten Auskunft, und schon ging es flugs zurück in Richtung Thalwil. Von dort aus war die Strecke zum Albispass gut ausgeschildert.
 
Während der Auffahrt hatten wir einen herrlichen Blick auf Zürich und den See. Nach kurzer Fahrtzeit erreichten wir die Passhöhe in 791 m ü. M. (www.albispass.ch). Dort oben gibt es einige Gaststätten, die für das leibliche Wohl von Besuchern sorgen. Aber das war uns an diesem Tag egal, ich steuerte den Parkplatz an der 2. Strasse rechts an. Da nur Gehbehinderte und Anwohner direkt ans Rosentöckli fahren dürfen, stiegen wir aus und wanderten etwa 500 m weit, dem Rosenduft entgegen. Nun es duftete zunächst nach Kühen und frischem Gras. Erst nach einem kleinen Waldstück erblickten wir das Anwesen, den dazugehörigen Garten, und ein Hauch von duftenden Rosen empfing uns.
 
Traumgarten am Albis
Elsbeth Stoiber, die Gärtnerin mit einem grossen botanischen Wissen, war sehr erfreut, als sie einige Gäste willkommen heissen konnte. Dann ging es in den Garten. Mein erster Weg führte mich zum Tulpenbaum mit seinen einigen hundert Blüten und Knospen. Zum Glück hielt sich das bewölkte, zeitweise sonnige Wetter bis 13:00 Uhr, so dass ich schöne Aufnahmen von den Blüten und Pflanzen machen konnte.
 
Frau Stoiber, die den Tulpenbaum vor über 20 Jahren selbst gepflanzt hatte, erzählte mir, dass einmal 25 Personen unter dem Baum die Kühle genossen haben. Im Sommer liegt die Temperatur unter den tief herabhängenden Zweigen um 12 °C niedriger als in Zonen mit direkter Sonnenbestrahlung.
 
Im Garten sind viele Rosen, darunter sehr schöne historische Strauchrosen (Rosa gallica, Rosa alba, Rosa centifolia, Chinarosen, Damaszenerrose, Remontantrosen, Kletterrosen, japanische Kartoffelrosen), andere Duftpflanzen, Weihrauchzedern und eine Sammlung von Baumpaeonien (Baumpfingstrosen), anzutreffen. Die Remontantrosen blühen übrigens im Herbst noch mal. Diese Rose wurde bereits vor 200 Jahren gezüchtet. Die Kartoffelrose (Rosa rugosa), von der ich zum ersten Mal gehört habe, ist eine japanische Wildrose. Sie wurde 1756 nach Europa eingeführt. Andere Bezeichnungen sind Apfel-Rose oder Japan-Rose. Der Name bezieht sich auf die runzligen, kartoffelähnlich aussehenden Blätter.
 
Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich eine blühende Decaisnea fargesii, die Blaugurke. Der frosttolerante Strauch wird bis 3 Meter hoch und wächst in den Bergwäldern Westchinas. Die gelb-grünlichen und glockenförmigen Blüten stehen in Trauben zusammen. Im Herbst reifen längliche blaue Früchte heran. Sie sind essbar und haben einen leicht süsslichen Geschmack.
 
Auch entdeckte ich den Pfeifenstrauch (Philadelphus inodorus L.), der in den östlichen USA beheimatet ist. Auch die Pfeifenwinde (Aristolochia) mit den Pfeifen nach Appenzeller-Art, wie Frau Stoiber betonte, war zu entdecken. Weitere interessante Gewächse waren der Bambus, Rainfarn, Ginkgo und die Lieblingspflanze von Frau Stoiber, der Indigostrauch (Indigo ambliantha). Diese Indigopflanze ist wahrscheinlich identisch mit Indigo heterantha.
 
Im Garten sind Pflanzen unterschiedlichster Herkunft, von den Höhen des Himalaya bis zu den Steppen- und Wüstengebieten zu sehen.
 
Karin Greiner war bei unseren Streifzügen über die schmalen Wege durch den Garten sehr überrascht, als sie einige Brennnesseln entdeckte. Sie ragten am Rande eines Weges dem Sonnenlicht entgegen. In den meisten „sterilen“ Haus- und Schrebergärten werden die Brennnesseln und andere Beikräuter (Unkräuter) gnadenlos ausgerissen.
 
Beim Griff nach einer Pflanze verirrte sich eine Zecke auf Karins Hand. Nun, die Zecke wird wohl zum letzten Mal einen Menschen aufgesucht haben. Da musste ich unwillkürlich an die Äusserung von Frau Stoiber denken.
 
In einem Teich des Gartens sahen wir einen Molch umherschwimmen, der bei unserem Anblick in den Tiefen des Wassers verschwand.
 
Auf heimeligen Ruhe- und Kraftplätzen auf dem weit verzweigten Wegenetz sind Sitzgelegenheiten zum Ausruhen und zum Geniessen der Stille platziert. Auch einige Kleinplastiken schmücken die eine oder andere Ecke.
 
Im Garten sahen wir auch einen abgestorbenen Baum mit je einem Hornissen- und Vogelnistkasten. Der 200-jährige Baum, der seit 4 Jahren tot ist, ist eine „Schweizer Bratbirne“ (Kugelbirnli). Diese alte Birnensorte ist kaum mehr im Handel.
 
Auch am Eingang des Hauses ist ein Hornissenkasten zu sehen. Als Karin fragte, ob die Hornissen gefährlich sind, meinte Frau Stoiber: „Nur, wenn Sie sich in die Flugbahn stellen.“ Die Hornissenkästen bezog unsere Gastgeberin aus Deutschland, weil die Hornissen seltsamerweise in der Schweiz nicht geschützt sind. Die Hornissen sind nützlich und tatsächlich ungefährlich, wenn man sie nicht stört.
 
Pflege ohne Chemie
Als Frau Stoiber 1962 das 1799 erbaute Haus mietete, war von einem schönen Garten noch nichts zu sehen. Vor dem altehrwürdigen Haus standen 3 Holunderbüsche und ein alter Nussbaum, 5 Johannisbeersträucher und ein damals 150 Jahre alter Birnbaum. Innerhalb von 40 Jahren entstand ein attraktiver, artenreicher Garten. Dieser ist einzigartig und wurde 1988 von der Schweizer Gesellschaft für Gartenkultur mit dem 1. Preis ausgezeichnet.
 
Alle Tiere und Pflanzen stehen bei ihr unter Schutz. Sie verwendet keine Herbizide, Insektizide und streut kein Schneckenkorn aus. Sie pflanzte robuste Arten, verzichtete auf Edelrosen, die sonst gespritzt werden müssten. Sie verzichtet auch auf Rittersporn, der gerne von Schnecken heimgesucht wird. Ihre Leidenschaft gehört, wie schon kurz angedeutet, den historischen Rosen.
 
Wichtig ist, dass jede Pflanze am richtigen Ort und in der richtigen Erde gepflanzt wird. Der Garten ist geobotanisch angelegt. Es sind Pflanzen, die mit ähnlichen Lebensbedingungen nebeneinander gedeihen. Was macht die vitale Gärtnerin, wenn Blattrollwespen am Werk sind? Nun, dann ist Handarbeit gefragt. Sie schneidet die befallenen Blätter ab und verfrachtet sie in den Müll.
 
Hat sie auch Probleme mit Blattläusen? Die treiben doch in anderen Gärten immer ihr Unwesen. Frau Stoiber betonte, mit diesen Läusen habe sie keine Probleme, weil in ihrem Garten viele Marienkäfer, Florfliegen usw. sind, die sich an den Blattläusen gütlich tun.
 
Welche Düngung führt sie durch? Im Frühjahr und Herbst gibt sie den Sträuchern Rosendünger, Knochenmehl, Rindenmulch und Spurenelemente. Alle 2 bis 3 Jahre kommt Stalldünger zur Anwendung. Auch Kompost aus eigener Herstellung wird ausgebracht.
 
Nach dem Rundgang durften wir noch einen Blick in die Gartenbibliothek mit Raritäten tun. Sehr interessant fand ich das Wohnzimmer im 1. Stock. Dort befanden sich nicht nur Bücher und Schreibtische, sondern auch ein wunderschöner Kachelofen von 1800. An der Frontseite des mit grünen Nelkenmuster-Kacheln versehenen Ofens steht auf einer Ofenkachel in Zierschrift Folgendes:  „Hs. Rudolff Bodmer, und Frau Anna Barbara Seitler.“ Es waren wohl die 1. Besitzer des Hauses.
 
Blick in die Gästebücher
„Mit Erfrischungen bedienen Sie sich bitte selbst und bringen Sie nichts mit ausser Freude an Pflanzen und Pflanzenfreunden“, so war es auf der Einladung zu lesen gewesen. Nun wir liessen uns das nicht zweimal sagen. Wir stillten nach den Rundgängen unseren Durst mit diversen Getränken und labten uns an einem hervorragend schmeckenden Birnenbrot.
 
Zum Schluss blickte ich noch in die auf einem separaten Tisch liegenden Gästebücher. 2 Einträge möchte ich den Lesern nicht vorenthalten. M. E. verewigte sich so: „Im Rosenstöckli ist die ganze Welt zu Hause – wer’s besucht, sieht viel von ihr ohne weit zu verreisen. Ganz herzlichen Dank für die offenen Türen!“
 
M. E.-B. aus Thalwil schrieb: „Vor ungefähr 60 Jahren wohnte meine Grossmutter väterlicherseits in diesem Haus ,Kniebreche’. Wenige Male durfte ich bei ihr zu Besuch sein. Es war eine riesige Überraschung, als ich 2004 wieder hierher kam, das Haus noch fast wie früher sich präsentierte. Heute habe ich zum 2. Mal Frau Stoibers Rosenstöckli bewundert – welch ein Paradies.“
 
Nun, das mit dem Paradies stimmt. Es ist ein herrlicher Garten in einer noch intakten Umwelt. Dank gilt Frau Stoiber, die mit grossem Fleiss hier einen Garten geschaffen hat, wie er woanders kaum zu finden ist. Der Aussenstehende kann nicht erahnen, welches Arbeitspensum hier vonnöten ist. Elsbeth Stoiber hegt und pflegt ihre Rosen und andere Gewächse während der gesamten Vegetationszeit, von Ende Winter bis in den Spätherbst.
 
Elsbeth Stoiber, die mit ihrem Hund Sirius in dem „Kniebreche“-Haus allein lebt, sagte einmal Folgendes: „Ich bin wohl ein zum Glück begabter Mensch, weil ich es dort finde, wo es leicht erreichbar ist und doch von den wenigsten gesucht wird: in der Stille.“
 
Anhang: Gärtnern mit Strauchrosen und Kletterrosen
(Tipps von Elsbeth Stoiber, „Bioterra“, 2004-03):
 
• Robuste Rosen wählen, damit sie biologisch pflegbar sind.
 
• Pflanzgrube vor der Pflanzung mit Wasser füllen und beobachten. Bei Wasserstau dort keine Rosen pflanzen.
 
• Bei einmal blühenden Kletterrosen und Strauchrosen nie die neuen Triebe abschneiden. An diesen Trieben blühen im darauffolgenden Jahr Rosen.
 
• Bis an den Boden hängende lange Rosentriebe ganz leicht an dünne Bambusstecken festbinden, die zuvor im Boden verankert wurden. Die Triebe müssen sich im Wind bewegen können.
 
• Als Bindematerial eignet sich am besten ein so genannter Baumanbinder, ein netzartiges Band in Rollen. Ungeeignet sind Draht oder dünne Schnüre.
 
• Damit sich Rosentriebe nicht gegeneinander reiben, umhüllt Elsbeth Stoiber als Schutz exponierte Stellen mit längs aufgeschnittenen Stücken von einem Gummischlauch.
 
• Rosenpflanzen, die an einem gut durchlüfteten Standort wachsen, sind weniger anfällig für Mehltau und Sternrusstau.
 
• Eingerollte Rosenblätter, die von der Rosenblattrollwespe befallen sind, sofort abzwicken oder wegschneiden und in den Kehricht geben.
 
• Rosen nur mit scharf geschliffenem Schnittwerkzeug schneiden, um das Entstehen von Krankheiten zu vermeiden.
 
Gartenbesichtigung
Besichtigungen im Juni und Juli. Weitere Führungen durch das „Rosenstöckli“ in Langnau am Albis: 12. und 13. September 2009 (von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang).
 
Weitere Führungen sind nach Anmeldung möglich.
Tel.: 044-713 39 58 (Schweiz), von D aus: +41 44 713 39 58
 
Literatur
Beck, Roland: „Das Rosenstöckli: Freude an der Vogelschau“, „Schweizer Garten“, 2003-10.
Guarisco, Doris: „Ein Garten voller Rosen“, „Bioterra“, 2004-03.
Kappeler, Suzanne: „Rosengarten am Albis“, „Gartenpraxis“, 1995-06.
Scheidegger, Esther: „Das Königinnenreich auf dem Albis“, „Die Weltwoche“, Nr. 24, 2001.
Seeling, Charlotte: „Frauen und ihre Gärten“, Gerstenberg-Verlag, München 2000
(Kapitel: „Das Rosenstöckli. Ein Garten zum Hören und Fühlen“).
 
Internet
Heinz Scholz: „Heilpflanzen, Rosengärten und Firmenbesuche“ unter www.textatelier.com (Glanzpunkte).
 
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