Textatelier
BLOG vom: 07.07.2009

Ausflug mit Frauen: Die Wallfahrt zu Orten am Jakobsweg

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich-Altstetten
 
Die Jakobsmuschel ist überall gut bekannt. Feinschmecker lieben diese Meeresfrucht, und Wallfahrer schätzen ihr Symbol als Wegweiser auf dem Weg nach Santiago de Compostela (http://de.wikipedia.org/wiki/Jakobus_der_Ältere).).
 
Ich freue mich immer, wenn ich dieses Zeichen an Wegkreuzungen erblicke. Dieser Pilgerweg, der vielen Menschen hilft, zu sich selbst zu finden, ist mir sympathisch. Einzelne Wegstücke innerhalb der Schweiz habe ich selber auch begangen, nach Santiago de Compostela bin ich allerdings noch nicht gekommen.
 
Auch unsere rutschfeste Plastikmatte im Badezimmer trägt die Jakobsmuschel. Wenn ich auf dieses plastische Symbol stehe, drücke ich es auf den Boden und verhindere, dass ich ausrutsche. Warum diese Matte mit der Jakobsmuschel geschmückt ist, weiss ich nicht. Vielleicht wegen des Bezugs zum Wasser, in dem sich die Muschel entwickelt. Vielleicht war sie als Mitbringsel von Santiago geschaffen. Gekauft habe ich sie in einem Ramschwarengeschäft. Sie hat mir gefallen, weil sie farblich keine dominante Rolle spielen will und mir dienen kann. Seit letztem Donnerstag spricht sie mich jetzt anders an. Sie erinnert mich an eine schöne Ausfahrt nach Beuron und Bärenthal-Gnadenweiler. Auch Orte am Jakobsweg.
 
Eingeladen von meiner Freundin und im Gefolge einer Frauengruppe führte die Reise ins deutsche Bundesland Baden-Württemberg. Mütter und vermutlich auch Grossmütter schenkten sich einen freien Tag. Auch ich schob für diesen alle Aufgaben und Arbeiten zur Seite und genoss es, dass andere Weg und Ziel schon definiert hatten. Auf mir lastete diesmal keine Verantwortung. Tapetenwechsel. So nannten wir früher einen Ausflug. Das eigene Umfeld wurde zugunsten von unbekannten Orten, Räumen und fremder Architektur einfach für eine Weile ausgeklinkt.
 
Die Fahrt im Bus wurde am Rheinfall in Neuhausen (Kanton Schaffhausen) unterbrochen. Wir trafen am frühen Morgen ein. Es war noch ruhig. Touristenströme kamen später an. Die Morgensonne leuchtete gerade in die schäumenden und tosenden Wasser hinein und verpassten dem grössten Wasserfall von Europa eine glitzernde Aura. Von meinem Sitzplatz auf der Terrasse konnte ich beobachten, wie der breite Strom aus seinem Bett heraus- und herunterstürzte. Von einem Menschen würde ich sagen, dass er ahnungslos dahergekommen sei. Die Wassermassen schienen ihren Spass zu haben. Das träge Dahinfliessen wurde, einem Spektakel gleich, für eine Weile unterbrochen.
 
Beuron D fuhren wir über die Schwäbische Alb an. Eine der Organisatorinnen ist mit diesem reizvollen und unverdorbenen Landstrich familiär verbunden; darum konnte sie den Chauffeur unseres Autocars dazu bewegen, die Route über diese Alb zu benützen. Die Fahrt hinab ins Tal beeindruckte ebenso. Am meisten, als wir der jungen und lieblichen Donau begegneten und mit Abstand die Wucht des Felsgesteins, aus dem wir eben herunter- und herausgekommen waren, sahen. Für mich hat dieser Ort Ähnlichkeit mit der Doubs-Landschaft in der Schweiz, angrenzend an Frankreich. An beiden Orten markieren Juragesteinswände mit bizzaren Formen ein Tal. Und hier stehen auf besonders markanten Felsen wuchtige Burgen und Schlösser.
 
Zur Mittagszeit trafen wir in Beuron ein. Ein geschichtsträchtiger Ort mit imposanter Klosteranlage. Mir war bis anhin nur der Beuroner Kunstverlag, vor allem wegen seiner Kunstkarten und Kunstbücher, bekannt.
 
Besuch der Wallfahrtskirche. Für uns gab es keine Führung und auch keinen Gottesdienst. Einfach etwas verweilen war angesagt. Jahreszahlen und architektonische Zuordnungen vergesse ich ohnehin schnell wieder. Aber dasein und einen spiritueller Raum auf sich wirken lassen, das ist gut.
 
Ein feines und leichtes Mahl erwartete uns im Gäste- und Tagungshaus „Maria Trost“, das ebenfalls auf eine lange Vergangenheit zurückblicken kann. Herr Peter Zimmermann, der mit seiner Frau zusammen dieses Haus führt, erzählte uns sehr eindrücklich aus deren Geschichte und verriet uns etwas von seinem persönlichen Engagement, dieses zu erhalten und weiterzuführen.
 
Mit fühlbarer Hochachtung und Respekt wies er auf Besuche von Edith Stein hin, die sich in Beuron und explizit auch in diesem Haus wohl fühlte. Die Strasse, an der das Gasthaus steht, trägt ihren Namen. Und eine Gedenktafel hält ihr Andenken wach. (Edith Stein: Philosophin, katholische Nonne jüdischer Herkunft. In Auschwitz ermordet. Wurde von der katholischen Kirche heiliggesprochen.)
 
Das eigentliche Ziel unserer Reise signalisierte uns in Gnadenweiler ein luftiger Fahnenwald in gebührendem Abstand zum Heiligtum „Maria, Mutter Europas“, das vor kurzem erschaffen und 2008 eingeweiht worden ist. Noch jung und doch schon von voller Ausstrahlung. Ein lichtdurchfluteter Bau, der Innen und Aussen verbindet. Ein aus den Schriften des alten und neuen Testaments gültig übersetztes Bauwerk für die Menschen von heute. Ein Zeichen in der Landschaft zu Ehren Europas.
 
Bilder, die im Internet zur Verfügung stehen, vermitteln mir die wahre Ausstrahlung dieses Orts nicht ganz so, wie ich sie gesehen und gefühlt habe. Sie ist grösser. Landschaft, Architektur und Glaube sind an diesem Ort vereint. Und die barocke Marienfigur aus der „alpenländischen Schweiz“ verbindet alle hier anzutreffende Detailtreue theologischer Aussagen und wandelt sie zu einem lebendigen Heiligtum.
 
Mir persönlich sind die weiblichen und mütterlichen Elemente in der Religion wichtig, weil sie sich um das echte Leben sorgen.
 
Dieser Beitrag ist mit vielen Links versehen. Die Reise soll für Leserinnen und Leser nachvollziehbar werden. Mein Bericht soll Unaussprechbares nicht zerreden. In diesem Sinne hat es mir entsprochen, dass alle Orte, die wir besuchten, nicht mit tausend Worten übergossen worden sind.
 
Ein Buch zum Thema
Hinweis auf einen kleinen, grafisch ansprechenden Bildband, der alle Grundlagen und das Werk selbst beleuchtet. Fotos und Texte: P. Notker Hiegl: „Maria, Mutter Europas“, ISBN 978-3-87071-183-2.
 
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