Textatelier
BLOG vom: 03.10.2009

Pilze am Wegesrand: Welche sind giftig und welche essbar?

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„Erfahrungen sammelt man wie Pilze: einzeln und mit dem Gefühl, dass die Sache nicht ganz geheuer ist.“
(Erskine Caldwell, US-amerikanischer Schriftsteller)
*
Am 26.09.2009 wanderten Toni, Ewald und ich von Zell-Mambach nach Ehrsberg (Gemeinde Häg-Ehrsberg D). Es mussten 460 Höhenmeter überwunden werden. Nach 75 Minuten Wanderung durch eine zauberhafte Landschaft erreichten wir Ehrsberg, das auf einem Hochplateau liegt und eine einmalige Rundsicht bietet. Besonders eindrucksvoll war der schöne Blick auf den Belchen. In Ehrsberg stärkten wir uns im „Landgasthaus Tanne“. Dann ging es auf abenteuerlichen Wegen wieder abwärts. Wir hatten etwas Zeit und machten uns auf die Pilzsuche am Wegesrand.
 
Unser Pilzexperte Toni entdeckte dabei einige kleine Parasolpilze, Rotkappen und Blutreizker. Er übergab die Pilze dann Ewald, der diese Pilze noch nie gegessen hat und ihm versicherte, er würde die Pilze gleich am Abend in die Pfanne hauen.
 
„Du kannst mir vertrauen, ich kenne die Pilze sehr gut. Ich habe ja eine 50-jährige Erfahrung“, tat Toni kund und schon war Ewald beruhigt.
 
Auch bemerkte er, dass der Parasolpilz und die Rotkappe zu den besten Speisepilzen zählen. Aber für mich kam solch eine Pilzmahlzeit nicht in Frage, da ich keine Pilze verspeise. Nicht aus Angst vor Vergiftung, sondern aus einem anderen Grund. Als Kinder mussten wir Unmengen von selbst gesammelten Pilzen (Steinpilze, Parasole, Wiesenchampignon, Pfifferlinge) im Elternhaus essen. So hat sich dann im Laufe der Jahre eine Aversion gegen diese Gewächse entwickelt. Nur den Parasolpilz, den Toni vor einigen Jahren in einer Wirtschaft panieren und braten liess, schmeckte mir vorzüglich. Bald werde ich einen neuen Anlauf im Pilzverzehr machen, wenn wir weitere Parasole finden sollten.
 
Pilz als „vegetarisches Schnitzel“
Betrachten wir einmal die aufgefundenen Pilze näher:
 
Der Parasol oder Grosse Schirmling (Macrolepiota procera) sieht in der Tat aus wie ein Miniaturschirm. Sein Hut erreicht eine Breite von 15 bis 25 cm und hat eine feine bräunliche Oberhaut mit abstehenden Schuppen. Die Lamellen sind am Stiel in einem schmalen, kragenartigen Ring verwachsen. Vor einigen Jahren entdeckten wir an einem Hang in der Nähe von Herrenschwand ungewöhnlich viele grosse Parasole. Toni konnte sie kaum in beiden Händen halten. Als wir im letzten Jahr wieder dort auf der Suche waren, fanden wir nur wenige. Wahrscheinlich waren die einheimische Bevölkerung oder Urlauber dort auf der Suche gewesen und haben die Pilze dann mitgenommen.
 
Den Parasol kann man nicht verwechseln. Es gibt auch keine ähnlichen Giftpilze. Den ungeniessbaren Spitzschuppigen Schirmling kann sogar der Pilzunkundige leicht erkennen. Er hat einen widerlichen Geruch und Geschmack.
 
Den Parasol sollte man nur als „Schnitzel“ zubereiten. Ewald wendete den Pilz in Ei und Mehl und briet diesen in heisser Butter hellbraun von beiden Seiten. Er war vom Geschmack begeistert. Den Pilz sollte man nicht roh essen.
 
Die Rotkappe, auch Rothäuptchen und Schwarzschuppiger Birkenröhrling (Leccinum testaceoscabrum) genannt, hat einen orangeroten Hut und ist ein sehr guter Speisepilz. Bei den von Toni gefundenen 2 jungen Rotkappen war der jeweilige Hut noch geschlossen. Ansonsten wird der Hut 12–15 cm gross. Der weissgrundige Stil ist mit schwärzlichen Schuppen besetzt. Das weisse Fleisch verfärbt sich beim Anschneiden von grauviolett nach weinrötlich. Einen giftigen Doppelgänger gibt es nicht.
 
Ewald hat den Pilz in Scheiben geschnitten und dann mit den Parsolen in Butter angebraten.
 
Den Pilz kann man gut haltbar machen durch Einfrieren, Einwecken oder Trocknen. Man sollte ihn nicht roh essen.
 
Der Blutreizker (Lactariusarten) ist auch leicht zu identifizieren. Toni brach ein Stück des Hutes ab – und was geschah? Es trat eine rötliche Milch an der Schnittstelle aus. Beim Südlichen Blutreizker ist die Milch weinrot gefärbt, bei den anderen Arten ist diese rötlich.
 
Es gibt keinen giftigen Blutreizker mit rötlicher Milch. Der ungeniessbare Birkenreizker hat eine weissliche Milch.
 
Den Pilz bereitet man ähnlich zu wie den Parasol oder die Rotkappe. Ewald hat auch diesen Pilz in die Pfanne gehauen, wie man so sagt. Auch dieser Pilz sollte nicht roh gegessen werden.
 
Eine ungewöhnliche Pilzanekdote
„Ist der Pilz giftig oder nicht?“ Diese Frage stellten sich schon viele Nichtpilzkenner oder angebliche Pilzexperten, wenn sie den einen oder anderen Pilz in der Natur erblickten oder diesen sogar nach Hause brachten. Nun, bei den Pilzgerichten, die meine Mutter mir früher vorsetzte, hatten wir wohl Glück. Wir überstanden jedes Pilzgericht.
 
Bei dieser Gelegenheit erinnerte ich mich an eine Geschichte, die auch im Internet unter www.pilzpilz.de von Walter Pilsak aus Bayern geschildert wurde.
 
Ein Vater sammelte Champignon und auch einige andere Pilze in einem Korb für seine 4-köpfige Familie. Er war der Meinung, alle Pilze wären essbar, zumal sein Nachbar auch schon dieselben Pilze des Öfteren verzehrt hatte.
 
Seine Frau zauberte ein sehr schmackhaftes Pilzgericht. Fast alles wurde genüsslich verzehrt. Den Rest bekam die Katze. Nach 1 Stunde wurde die Katze unruhig, schlich sich von einer Ecke in die andere. „Es waren doch giftige Pilze dabei“, dachten alle. Allgemeine Panik brach aus. Die Eltern fuhren mit ihren Kindern flugs in die nächste Klinik und liessen sich den Magen auspumpen. Das Familienoberhaupt war am Boden zerstört. Hätte er doch besser beim Pilzesammeln aufgepasst!
 
Als sie wieder zu Hause waren, suchten sie verzweifelt die Katze. Endlich entdeckten sie die Totgeglaubte hinter dem Küchenofen bei einem Wurf junger Katzenkinder.
 
„Nicht Giftpilze, sondern auf die Katze zukommendes Mutterglück war also die Ursache ihrer Unruhe gewesen“, so Walter Pilsak.
 
Einige Sprüche über Pilze
„Alle Pilze sind essbar: Manchmal sogar öfter.“
 
„Früher haben wir vor jedem Essen gebetet, heute nur noch, wenn es Pilze gibt.“
 
Frage: „Wie lässt sich das Einladen und Gegeneinladen beenden?“
Antwort: „Einmal Pilze!“
(Aus der ehemaligen Ärztezeitschrift „Selecta“)
 
Die letzten Worte des Pilzessers: „Die Art hatte ich noch nicht.“
 
Zurück zur Wanderung
Da wir den beschwerlichen steilen Weg nach Mambach nicht nochmals gehen wollten, verliessen wir den Hauptweg und suchten eine Abkürzung. Der Weg verlief sich jedoch in einem Dickicht. Nun gingen wir wieder auf den geteerten Hauptweg zurück und mussten einen riesigen Umweg in Kauf nehmen. Aber das hatte sich gelohnt. An einem eingezäunten Grundstück entdeckten wir ein Schild am schmiedeeisernen Gartentor mit der Aufschrift „Warnung vor dem Hund!“ Aber am Tor stand kein Hund, der die Zähne fletschte und herumbellte, sondern 2 Esel, die neugierig die Wanderer betrachteten. Diese ungewöhnliche Szene habe ich in einem Foto festgehalten. Das Foto sandte ich an die Redaktion der „Badischen Zeitung". Am 05.10.2009 wurde es mit folgendem Text abgedruckt:
Vierbeinig sind die beiden Esel auch, die offenbar für den Hund eingesprungen sind und dieses Grundstück in der Nähe von Zell-Mambach bewachen. BZ-Leser Heinz Scholz hat dieses ungewöhnliche Bildmotiv entdeckt und das Foto geschossen."
 
Bald nach der Begegnung mit den beiden friedlichen Tieren konnte Ewald sein Pilzgericht genüsslich verzehren. Seine Frau ass von diesem Gericht nichts. Sie sagte noch: „Pilze esse ich nur, wenn sie mein Bruder sammelt.“
Ich teile die Ansicht, dass sich auch Brüder irren können ...
 
Literatur
Dähnke, Rose Marie: „200 Pilze“, AT Verlag, Aarau und Stuttgart 1994.
 
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