Textatelier
BLOG vom: 03.10.2010

Linzer Torte: Köstliche badisch-österreichische Spezialität

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Es ist eine Tatsache, dass die Linzer Torte nicht nur eine österreichische, sondern auch eine badische Spezialität ist. „Linz liegt doch nicht in Baden, sondern in Österreich. Wie kann ein fremdländisches Gebäck eine badische Spezialität sein?“ Diese oder ähnliche Bemerkungen höre ich immer wieder. Falsch gedacht. Ein Teil von Baden südlich von Freiburg i. Br. gehörte bis kurz nach 1800 zu Vorderösterreich, und Freiburg war die Hauptstadt. Und diese Österreicher haben Spuren in der badischen Küche zurückgelassen. Das finde ich gut, zumal fremdartige Impulse für Vielfältigkeit sorgen. Es gab Einflüsse aus der Schweiz, dem Elsass, von Italien, Schwaben, Pfalz, Hessen und dem Frankenland. Auch die Touristen sorgten für die Vielseitigkeit.
 
„Die geschilderte Entwicklung, die Verschmelzung von vielerlei gaumenfreundlichen Einflüssen zur heute mit Fug und Recht gerühmten ,badischen Küche’ wäre ohne die Lebensfreude der Badener, ohne eine liebenswerte Neigung zum Geniessen nicht möglich gewesen“, schrieb Horst Scharfenberg in seinem Buch „Ein kulinarisches Rendezvous mit Baden“. Das kann ich vollauf bestätigen. Die Lebensart der Badener schätze ich sehr und freue mich immer, wenn ich mit Leuten aus der Region in Kontakt trete und die kulinarischen Kreationen in den urigen Gaststätten geniesse.
 
Baden wird übrigens als die Schlemmerecke Deutschlands genannt. Das kulinarische Musterländle wird immer wieder von Feinschmeckern und Reiseschriftstellern gelobt.
 
Die Torte ist übrigens auch in der Schweiz beliebt. Walter Hess schrieb mir dies: „Schon meine Mutter buk herrliche Linzertorten mit viel Konfitüre drauf, und Eva hat kürzlich eine im Bibersteiner Schlossladen gekauft; das Schloss Biberstein hat eine ausgezeichnete Bäckerei. Die Torte war schmackhaft und gut. Grundsätzlich darf sie einfach nicht trocken sein.“
 
Bei uns wird die Linzer Torte nicht immer zu Kaffee gegessen, sondern zu einem Viertele Wein. Als wir einmal im südlichen Schwarzwald nach einer Wanderung in einer von einem Norddeutschen gepachteten Wirtschaft einkehrten, verlangten wir eine Linzer Torte. Wir freuten uns schon, zumal wir einen Gutedel zu dieser Köstlichkeit trinken wollten. Aber wir hatten Pech. Die Bedienung verneinte, da der Wirt nur das in seiner Küche zubereitet, was er kennt. Wir gaben der Kellnerin den Tipp, dass eine Linzer Torte in jede badische Wirtschaft gehöre. Nun, wir waren seitdem nicht mehr dort. Vielleicht setzte er unseren Tipp um.
 
Warum ich gerade als Blogger auf dieses Thema komme, werden Sie sich fragen. Es ist nämlich so: Ich fertigte als Hobbykuchenproduzent zum ersten Mal in meinem Leben eine Linzer Torte. Nachdem ich schon Erfolge mit der Engadiner Nusstorte hatte, wollte ich einmal diese Kuchenspezialität backen. Obwohl ich ein „Wiener Kochbuch“ in meinem Archiv habe, wählte ich die badische Version aus.
 
Das älteste Rezept
Zunächst wollte ich wissen, wer diese Torte erfunden hat. Da gibt es wie bei der Schwarzwälder Kirschtorte unterschiedliche Meinungen.
 
Im Kochbuch der Gräfin Anna Margarita Sagramosa (Verona) von 1653 sind 4 Tortenrezepte mit dem Namen Linz aufgeführt. Das Buch wird im Stiftsarchiv Admont als Codex 35/31 aufbewahrt und wurde 2005 von Waltraud Faissner, der Leiterin der Bibliothek der Oberösterreichischen Landesmuseen (OÖ-Landesmuseen), entdeckt. Das Tortenrezept ist somit das älteste, das nach einer geographischen Bezeichnung benannt ist.
 
Als Erfinder der Linzer Torte wird auch der Linzer Zuckerbäcker Johann Konrad Vogel (1796‒1883) genannt. Sein Verdienst besteht jedoch darin, dass er seine Linzer Torte für die Massenproduktion geeignet und damit einer breiten Bevölkerungsschicht zugänglich gemacht hat.
 
Bereits 1856 brachte Franz Hölzhuber, seines Zeichens Maler, Dichter, Komponist und Dirigent, das Rezept der Linzer Torte nach Amerika. Er führte die Torte dann in Milwaukee, Wisconsin, ein.
 
Bestreichen mit Eigelb nicht vergessen
Als Küchenlaie wollte ich es wissen, ob es mir gelingen werde, eine Linzer Torte herzustellen. Im Vorfeld hörte ich schon, das sei nicht einfach. Voller Stolz erzählte ich unserer Gemüsefrau, die immer am Freitagabend ihre Produkte verkauft, von meinem Vorhaben. Ich sagte zu ihr, ich hätte sogar Kirschwasser gekauft, um damit die Torte zu verfeinern. Sie grinste und sagte: „Kirschwasser gehört zu einer badischen Linzer Torte unbedingt dazu.“ Im Rezept der Linzer Torte aus dem Buch „Alte österreichische Küche“ ist kein Kirschwasser aufgeführt.
 
Zutaten:
300 g Mehl, Type 405
150 g Zucker + 1 Päckchen Vanillezucker
200 g gemahlene Mandeln (oder Haselnüsse)
2–3 EL Kakaopulver
Abgeriebene Schale einer unbehandelten Zitrone
½‒1 TL Zimt
1 Messerspitze Nelkenpulver
200 g kalte Butter
1 Ei
3 EL kaltes Kirschwasser
2 Tassen Johannisbeer- oder Himbeermarmelade
1 Eigelb zum Bestreichen
 
Zubereitung:
Oft wird ein Backbrett zum Zusammenmischen mit Butter benützt. Aber ich begnügte mich mit einer Rührschüssel. Mehl, Zucker, Vanillezucker, Mandeln, Kakao, Zitronenschale, Zimt und Nelken vermischte ich frohen Muts in einer Schüssel, dann fügte ich die klein geschnittene Butter hinzu. Dann hackte ich die Butter mit einem Löffel in die Masse hinein. Nun wird das Ei eingearbeitet und das Kirschwasser zugegeben und leicht von Hand durchgemischt. Danach hatte ich etwas Ruhe, da der Teig unbedingt 1 Stunde im Kühlschrank ruhen muss.
 
Der Teig wird zu einer Kugel geformt und gedrittelt. Etwa 2/3 des Teigs wird auf einer Mehlunterlage ausgewellt und in eine gefettete runde Kuchenform (24 cm im Durchmesser) gegeben und der Teig am Rand etwa 1 cm hochgezogen. Oft gibt es beim Übertragen des ausgewellten Teiges Schwierigkeiten. Ich probierte etwas ganz anderes aus: Ich brachte den Ballen Teig direkt in die Kuchenform und verteilte ihn mit der Hand auf dem Blech.
 
Der restliche Teig (1/3) wird jedoch ausgerollt, und es werden kleine, 1 cm breite Streifen mit einem Messer herausgeschnitten.
 
Auf den in der Kuchenform ausgebreiteten Teig wird reichlich Johannisbeer- oder Himbeermarmelade gestrichen. Man kann auch die beiden Marmeladen mischen. Für meine Kreation verwendete ich köstliche Himbeermarmelade mit den Kernen.
 
Danach werden die Streifen gitterförmig auf die Marmeladenschicht platziert. Natürlich gelang mir dies nicht so gut wie es der Konditor gemacht hätte.
 
Dann wurde es heiss: Im vorgeheizten Backofen wird der Kuchen bei 175 °C etwa 1 Stunde gebacken.
 
Während der Kuchen im Ofen schmorte, fiel es mir siedend heiss ein, dass ich die Streifen nicht mit Eigelb bestrichen hatte. Ich zog den schon heissen Kuchen etwas aus dem Ofen hervor und bestrich die Streifen schnell mit Eigelb. Aber dies war keine gute Idee. Das Eigelb ballte sich teilweise zusammen und erzeugte einige gelbe Klumpen. Das Bestreichen des Teigs (der Streifen) vor dem Erhitzen ist deshalb notwendig, um ein glänzendes gelbes und schöneres Aussehen zu erzielen.
 
Nach der angegebenen Backzeit wurde die Linzer Torte aus dem Ofen gezogen und zum Abkühlen auf einen Bastuntersetzer gestellt. Ich betrachtete mein Werk, war ganz zufrieden. Ich entfernte die wenigen gelben Klumpen, so gut es ging.
 
Es wird immer darauf hingewiesen, dass man die Torte erst nach 2 Tagen essen sollte. Wir hielten uns nicht daran, sondern kosteten schon nach einigen Stunden die Torte. Da ich von vorneherein schon den Zuckeranteil von 250 auf 150 g reduziert hatte, war ich mir nicht sicher, ob die Torte süss genug sei. Das war der Fall. Meine Frau Paula und meine Nachbarn Ewald und Karin Greiner, die immer etwas von meinen Kreationen zum Testen abbekommen, waren auf jeden Fall zufrieden. Meine kulinarische Spezialität ist also gelungen. Nun werde ich mich an andere Torten wagen.
 
Anhang: Rezept „Original Linzer Torte“
Wie mir Waltraud Faissner in einer E-Mail am 27.09.2010 mitteilte, gibt es keine „Original Linzer Torte“, also keinen Erfinder. „Die Linzer Konditoren haben sich darauf geeinigt, dass jeder in Linz ansässige Betrieb eine `originale` Linzer Torte backen darf.“
 
Frau Faissner verwies auf die Datenbank www.alteskochbuch.at. Wenn man bei „Rezeptsuche“ Linzer Torte eingibt, findet man viele Rezepte in Originalsprache, übersetzt und in moderne Masse umgerechnet. Frau Faissner hat die meisten Rezepte nachgebacken und mit bestem Erfolg präsentiert. Seither werden besonders Gäste der OÖ-Landesmuseen mit diesen Torten bewirtet.
 
In ihrem neuen Buch „Linzerische Torten auf andere Art“ wird auch viel zur Entwicklungsgeschichte der Torte enthalten sein, dazu Literarisches und Musikalisches rund um sie, Rezepte aus aller Welt, schöne Illustrationen und Angaben zur Kochbuchsammlung der OÖ-Landesmuseen. Die Buchpräsentation findet am diesjährigen „Tag der Linzer Torte“, am 19.11.2010 im Schlossmuseum Linz, statt.
 
Unter Linz-Tourismus (www.linz.at/tourismus/722.asp) entdeckte ich das Rezept einer „Original Linzer Torte“. Hier die Zutaten:
150 g Butter
250 g Mehl /Type 700
150 g Staubzucker
100 g geröstete Haselnüsse
1 Ei
Gewürze (Vanille, geriebene Zitronenschale, Zimt, Nelkenpulver)
10 g Backpulver
300 g Ribiselmarmelade
 
In Linz gibt es einige Bäckereien, die die „Original Linzer Torte“ anbieten und auch versenden. So produzierte beispielsweise die Konditorei Jindrak (www.linzertorte.at) bisher 80 000 Linzer Torten. Diese Torten werden in die ganze Welt versandt.
 
Auch die älteste Bäckerei in Linz, diese von Heinz und Claudia Hofmann, fertigt mittlerweile in 5. Generation Gebäck, darunter Hochzeitstorten und „Original Linzer Torten“ (www.linzertorten.at). Die Zutaten werden gerührt und nicht aus Mürbteig ausgestochen. Das garantiert Frische und Saftigkeit.
 
Internet
www.chefkoch.de (viele Linzer Torten-Rezepte)
 
 
Literatur
Faissner, Waltraud: „Linzerische Torten auf andere Art“, Historische Rezepte zur Linzer Torte aus der Kochbuchsammlung der Bibliothek der OÖ-Landesmuseen und anderen Quellen, Neuauflage, Linz 2010. Rhum, Gisela, Henrietta: „Alte österreichische Küche“, Area Verlag, Erftstadt 2004.
Scharfenberg, Horst: „Ein kulinarisches Rendezvous mit Baden“ (100 erlesene Rezepte),
Mira Verlag, Künzelsau (ohne Jahresangabe).
 
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