Textatelier
BLOG vom: 08.10.2010

Nestlé gründet ein Health-Science-Institut. Was soll das?

Autorin: Lislott Pfaff, Schriftstellerin, Liestal BL/CH
 
Wenn es nicht am 28.09.2010 in einem Artikel der „Aargauer Zeitung“ (az) zu lesen gewesen wäre, hätte ich angenommen, es handle sich um ein idiotisches Gerücht. Aber es ist kein Gerücht, sondern krude Realität: Der Lebensmittelkonzern Nestlé will in die medizinische Branche einsteigen und hat zu diesem Zweck im Umfeld der ETH Lausanne die Nestlé Health Science Company gegründet. In den nächsten 10 Jahren sollen 500 Millionen Franken in die von Nestlé anvisierte sogenannte Gesundheitsforschung fliessen. Das hehre Ziel des erwähnten Instituts ist die medizinische Grundlagenforschung im Bereich der Volkskrankheiten oder was man als solche bezeichnet (Alzheimer, Diabetes, Herz-Kreislauf-Beschwerden) sowie im Bereich des Stoffwechsels und der Zellalterung. „Prävention wird zu einem Schlüsselfaktor, um die Kosten im Gesundheitswesen zu dämpfen.“, prophezeite der Wohltäter Peter Brabeck, Verwaltungsratspräsident von Nestlé.
 
Nicht durch eine vernünftige Ernährung und weniger Stress im Berufsleben soll Prävention betrieben werden, sondern mit der Vermarktung von Produkten, von denen sich das Unternehmen Milliardengewinne verspricht. Die Menschheit soll mit genussreichen Lebensmitteln überschwemmt werden, die – vermeintlich – zugleich Krankheiten vorbeugen. Welcher Konsument wollte sich da nicht solche glücksverheissenden Präparate verschreiben lassen?!
 
Nestlé-Boss Brabeck hat sich Grosses vorgenommen; denn ihm schwebt ein Umsatzboom von nie dagewesenem Ausmass vor, dank Produkten, die sozusagen Chimären zwischen Nahrungsmittel und Medikament sind: Mit gutem Gewissen sollen die Konsumenten in Zukunft eine Tafel Schokolade verdrücken können, die dank Zusatz eines Pharmapräparats Fettleibigkeit verhindert. Oder sie können mit Hilfe eines medikamentös veredelten Kaffeepulvers dem Risiko eines Herzinfarkts vorbeugen. Mit solchen Versprechen lässt sich nicht nur Geld machen, sondern auch ein Image des Heilsbringers aufbauen.
 
Die Produkte werden rezeptpflichtig sein und sollen über Ärzte, Apotheken und Spitäler abgegeben werden; denn sie werden Substanzen enthalten, die Nebenwirkungen hervorrufen können. Und Nebenwirkungen wird auch Nestlé nach altbewährter Manier abklären, indem die Firma die Präparate zuerst im Labor an Tieren ausprobieren wird. „Toxikologie“ heisst diese Disziplin der Life Sciences. Zeigen sich im Tierversuch keine Organschäden, so kann man das Lebens-Heilmittel getrost auf die Menschen loslassen.
 
Soeben hat Novartis laut einer az-Meldung vom 06.10.2010 die Entwicklung von 2 Medikamenten während der klinischen Prüfung an Patienten aufgegeben. Eines davon sollte die chronische Hepatitis C, das andere, ein gentechnisches Mittel, Pilzinfektionen bekämpfen. Beide Präparate, im Tierversuch ausgiebig getestet, zeigten offenbar bei Patienten entweder negative oder ungenügende Wirkungen. Rund 600 Mio. Franken Forschungs- und Entwicklungskosten muss sich Novartis deshalb ans Bein streichen.
 
Nestlé sollte sich also auf etwelche finanzielle Verluste ihrer Health Science Company gefasst machen; denn Versuchstiere reagieren nun einmal anders als Menschen – aber in der bisherigen Pharmaforschung wird dieser Tatsache immer noch kaum Beachtung geschenkt. Werden die Konsumenten von pharmazeutischen Nestlé-Nahrungsmitteln, statt gesund zu bleiben, krank infolge unerwünschter medikamentöser Wirkungen, genügt ja der Hinweis auf die günstigen Resultate im Tierversuch. Mögliche gesundheitliche Schädigungen beim Menschen liegen deshalb nicht in der Verantwortung des Herstellers.
 
Wenn Nestlé medizinische Grundlagenforschung betreiben will, so heisst das nichts anderes als jene Forschung an Tieren, die bisher hauptsächlich an den Universitäten durchgeführt wurde. Deshalb wohl die Gründung des neuen Instituts in der Nähe einer ETH, wo die nötige Infrastruktur für Tierquälereien bereits vorhanden ist. Die Zahl der Tierversuche in der Schweiz wird demnach in den nächsten Jahren weiter zunehmen, es sei denn, Herr Brabeck sieht noch rechtzeitig ein, dass die Vermarktung von Produkten aus dem für Nestlé branchenfernen Pharmabereich mit grossen imageschädigenden Risiken verbunden ist, was hoffentlich einen Abbruch seiner hochfliegenden Pläne zur Folge hätte.
 
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