Textatelier
BLOG vom: 27.02.2011

Gewürze im Überfluss: Rauschzustände und Hautreizungen

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Am 18.02.2011 wollte eine Bekannte – Frau K. aus Schopfheim D – von mir erfahren, ob Gewürze auch Nebenwirkungen verursachen. Dies war der Anlass, mich einmal mit diesem Thema zu befassen. Der Wissbegierigen erklärte ich, sie bekomme dann einen Ausdruck von einer Zusammenstellung der Nebenwirkungen. Sie war darüber höchst erfreut.
 
Die Gewürze haben nicht nur viele gesundheitliche Wirkungen, sondern zeigen, wenn sie im Übermass genossen werden, auch Nebenwirkungen. Besonders vorsichtig muss man bei der Verwendung von den isolierten ätherischen Ölen sein. Schwangere und Allergiker sollten bei einigen Gewürzen ihren Genuss zügeln. Im Folgenden sind einige Gewürze mit ihren Nebenwirkungen aufgeführt.
 
Anisöl: Die Anisöle, gleich ob aus Anisfrüchten oder Sternanisfrüchten gewonnen, wirken schleimlösend, auswurffördernd und krampflösend. Als Nebenwirkungen wurden allergische Reaktionen der Haut, der Atemwege und des Magen-Darm-Kanals gesehen. Deshalb sollte man Anisöle immer sparsam verwenden und mit Tee oder Wasser verdünnt einnehmen. Das Anisöl ist für eine langfristige, innerliche Anwendung ungeeignet. Schwangere und Kinder sollten das Öl nicht einnehmen.
 
Basilikumöl: Schwangere und Epileptiker sollten Basilikumöl nicht anwenden. Die Ernährungswissenschaftlerin Gesa Maschkowski vom aid-Infodienst in Bonn wies kürzlich darauf hin, dass Basilikum, Estragon und Fenchel Methyleugenol enthalten. In hohen Dosen soll dieser Stoff laut Tierversuchen krebserregend und erbgutschädigend sein. Sie empfahl, dass vor allem Kinder einen Fencheltee nicht über einen längeren Zeitraum trinken sollten.
 
Kardamomöl: Nicht anwenden in der Schwangerschaft. Manche Menschen reagieren auf Bestandteile des Kardamoms allergisch.
 
Nelkenöl: Öle der Gewürznelke nicht innerlich einnehmen. Äusserlich das Öl nur sparsam und verdünnt anwenden. Das Öl kann nämlich eine Reizung auf Haut und Schleimhaut auslösen. Die Anwendung von Nelkenöl in der Schwangerschaft ist tabu, da es unter Umständen Wehen auslösen kann. Menschen, die auf Eugenol allergisch reagieren, sollten Nelkenöl meiden!
 
Oreganumöl: Überdosierungen sind zu vermeiden. In der Schwangerschaft sollte die innerliche Anwendung dieses Öls unterbleiben! Bei längerer äusserer Anwendung kann das Öl Haut- und Schleimhäute reizen. Ersatzweise kann man das deutlich mildere Majoranöl verwenden. Eine Gegnerin des Oregano war Hildegard von Bingen (1098‒1179). Sie schrieb in ihrer „Physica“: „Und wenn ein Mensch ihn ässe oder tränke, oder ihn auf irgendwelche Weise in seinen Körper aufnähme, würde er ihm die Lepra bringen (…).“
 
Thymianöl: Thymianöl immer niedrig dosieren und auf die Haut nur verdünnt auftragen. Das Öl ist hautreizend. In der Schwangerschaft und bei Epilepsie dieses Öl nicht anwenden. Für Kleinkinder ist das Öl ungeeignet. Öl nicht langfristig anwenden.
 
Liebstöckel: Der Tee aus Liebstöckelwurzel soll bei Entzündungen der Niere und ableitenden Harnwegen sowie bei eingeschränkter Nierentätigkeit nicht angewendet werden.
 
Rosmarin: Zubereitungen aus Rosmarinblättern sollen während der Schwangerschaft nicht eingenommen werden. Rosmarinöl nicht innerlich einnehmen, da es Magen- und Darmreizungen verursachen kann. Das Rosmarinbad am Abend kann den Schlaf stören.
 
Lorbeer: Reine Lorbeeröle und Zubereitungen mit diesem Öl können allergische Hautreaktionen verursachen. Eine Kräuterfrau aus Schönau (Kreis Lörrach D) gab mir vor einigen Jahren den folgenden Tipp: Vor der Anwendung sollte man immer eine kleine Probe des Öls auf die Innenseite des Armes einreiben. Zeigt sich schon nach kurzer Zeit eine Hautrötung, dann darf das Öl nicht verwendet werden.
 
Berauscht durch die Muskatnuss
Die Muskatnuss, die Muskatblüte oder das Muskatöl soll als Gewürz immer sparsam verwendet werden. Ein Übermass kann zu Vergiftungen führen. Vergiftungserscheinungen sind Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen, Mundtrockenheit, Pupillenerweiterung, Euphorie, Schwindel, Krämpfe, Desorientiertheit, Rauschzustände, Halluzinationen, Herzjagen, Blutdrucksteigerung, Todesangst, komatöse Zustände. Bei Vergiftungen sofort den Arzt rufen und/oder sich mit einer Vergiftungszentrale in Verbindung setzen (Internet-Adressen am Schluss!). Wichtiger Hinweis: Muskatnüsse immer kindersicher aufbewahren!
 
Verantwortlich für die psychotrope Wirkung ist das Myristicin. Schon im alten Ägypten war die „berauschende Frucht“ bekannt. Sie wurde gelegentlich als Ersatz für Haschisch geraucht. Auch in Indien wurde Nusspulver mit Tabak zusammen geraucht. In westlichen Ländern benutzten Strafgefangene die Muskatnuss als Drogenersatz. Gelegentlich wird Muskatnusspulver dem Betelbissen zugefügt (nach Richard E. Schultes und Albert Hofmann in „Pflanzen der Götter“).
 
Das Muskatnussöl, das in der Aromatherapie verwendet wird, dürfen Schwangere und Kinder zu Therapiezwecken nicht einnehmen. Gegen den sparsamen Gebrauch von Muskatnuss in der Küche ist aber nichts einzuwenden. Sollten Sie etwas zuviel in der Küche verwenden, dann wird das warme Aroma plötzlich bitter.
 
Anmerkung: Muskatnüsse haben manchmal einen weissen Überzug. Es handelt sich um eine Kalkschicht, die vor Schimmel und Insektenbefall schützt.
 
Zimt und Cumarin
Zimtzubereitungen (z. B. Tee) sind beim Vorliegen von Magen- und Darmgeschwüren und in der Schwangerschaft nicht anzuwenden.
 
Foodwatch (http://foodwatch.de) wies im Herbst 2006 einen erhöhten natürlichen Gehalt des Aromastoffes Cumarin, das leberschädigend ist (der Krebsverdacht ist heute ausgeräumt!), in der Sorte Cassia und in 35 Produkten, wie in Gebäck, darunter besonders Zimtsterne, Müesli mit Zimt, Milchreis mit Apfel und Zimt, nach. Die Hersteller wollten Umsatzeinbussen vermeiden und setzten alles daran, in ihren Produkten die erlaubte Höchstmenge von 2 mg pro kg zu senken. Bis im Frühjahr 2008 erfüllten alle Hersteller diese Höchstmengenverordnung.
 
Übrigens ist der aus Sri Lanka stammende Ceylon-Zimt kaum belastet. Dieser Zimt enthält lediglich 0,015 bis 0,032 g Cumarin pro kg. Er ist also völlig unbedenklich. Für meine Weihnachtsbäckerei besorgte ich mir diesen Zimt aus dem Reformhaus. Dieser Zimt und auch andere Gewürze stammen aus biologischem Anbau, sind nicht begast, bestrahlt, geschwefelt und nicht gentechnisch verändert.
 
Anmerkung: Das deutsche Bundesamt für Risikoforschung (BfR) machte zur Leberschädigung folgende Aussagen: „Aus dem Einsatz von Cumarin im Medizinbereich (Cumarin-Derivate haben blutgerinnungshemmende Eigenschaften!) ist bekannt, dass es schon bei relativ niedrigen Dosierungen bei einer kleinen Gruppe besonders sensibler Personen zu Leberschäden kommen kann, wenn die Medikamente über wenige Wochen verabreicht werden (…), die Wirkung ist aber reversibel.“
 
Das BfR kam 2004 auf einen TDI-Wert („tolerable daily intake“ = täglich duldbare Dosis) von 0,1 mg/kg Körpergewicht. Somit könnte ein 70 kg schwerer Mensch täglich 7 mg Cumarin aufnehmen, ohne dass gesundheitliche Störungen auftreten.
 
Auf dem Internetportal www.was-wir-essen-de führte Dr. Christina Rempe, Berlin, die aktuelle europäische Aromenverordnung auf. Ab 01.01.2011 gelten folgende Höchstmengen für Cumarin in Lebensmittelzutaten:
 
Traditionelle und/oder saisonale Backwaren, bei denen Zimt in der Kennzeichnung angegeben ist: 50 mg/kg. Frühstücksgetreideerzeugnisse einschliesslich Müesli: 20 mg/kg.
 
Feine Backwaren ausser traditionelle und/oder saisonale Backwaren, bei denen Zimt in der Kennzeichnung angegeben ist: 15 mg/kg. Dessertspeisen: 5 mg/kg.
 
Die tolerierbaren Höchstmengen wurden also nach oben geschraubt, weil angeblich die gesundheitlichen Schädigungen nicht erheblich waren bzw. angeblich nur bei sehr sensiblen Personen auftraten. Man fragt sich, wie sensibel soll ein solcher Mensch sein? Auf jeden Fall ist man bei den Bioprodukten und dem Ceylon-Zimt auf der sicheren Seite.
 
Internet
www.reformhaus-fachlexikon.de (Zimt aus dem Reformhaus)
www.was-wir-essen.de (Gesundheitsbewertung und Regulierung von Cumarin)
http://foodwatch.de (Cumarin: Natürlich, aber vermeidbar; 2008: Hersteller haben Cumarin-Gehalt gesenkt)
www.welt.de (Gewürze mit Risiken und Nebenwirkungen)
 
Vergiftungszentralen in D, CH und A
 
Hinweise über Gewürze in Glanzpunkte-Artikeln
 
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