Textatelier
BLOG vom: 04.04.2011

Kirchgänge, Konferenzen und wie man ihnen entkommt

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Ziel-und planlose Promenaden langweilen mich – seien es an Schweizer Seen entlang oder durch Stadtpärke, trotz der Blumenbeete. Einzig der Bouquinistes (Gebrauchtbüchermärkte) wegen schlendere ich am Pariser Seine-Ufer entlang. Auch gegen Strandferien im Süden habe ich etwas. Nach einer halben Stunde im Liegestuhl unter der brütenden Sonne werde ich ganz zappelig. Dagegen hilft kein Lesefutter.
 
Diese Abneigungen rühren vielleicht daher, dass ich als Kind am Sonntagnachmittag mit meinen Eltern zur Stadtmitte spazieren musste. Weder eine Tasse Schokolade noch ein Glas Süssmost konnten meinen Missmut vertreiben. Der Besuch des Botanischen Gartens wäre mir viel lieber gewesen. Ausserdem hatte es für mich am Sonntag zu viel Glockengeläut’. Kirchenbesuche waren mir so zuwider wie Promenaden, es sei denn, der Gottesdienst war vorbei. Dann lasse ich die Architektur und die bunten Glasfenster auf mich einwirken. Und spielt erst noch ein Organist, bin ich wunschlos glücklich.
 
Was ich als Kind am Sonntag am allerwenigsten mochte, war das unerwartete Erscheinen von Nachbarn zum Kaffee. Rasch musste ich in der Konditorei (dem einzigen geöffneten Laden) „Pâtisserie“ holen. Dann musste ich mich brav an den Tisch setzen. Die Wanduhr rasselte wieder einen Stundenschlag – wie lange wird dieses Elend andauern, bis sich die ungebetenen Besucher endlich verziehen?
 
An Sonntagen sind erst noch alle Läden (die Confisérie ausgenommen) geschlossen. „Der Sonntag soll ein Ruhetag bleiben“, wird entgegnet. Das stimmt und so sollte es bleiben, gebe ich zerknirscht zu. Doch die Kurzweil bleibt leider auf der Strecke. Hunde an der Leine haben es besser: Sie können wenigstens an Baumstämmen schnüffeln. Zum Glück nahmen wir das Tram zur Rückfahrt – das geht schneller als das Watscheln. Nichts übertrifft einen normalen Wochentag.
 
Es ist von grossem Vorteil, wenn man weiss, was man mag und was nicht. In späteren Jahren kamen Konferenzen und andere Geschäftssitzungen hinzu. Diese dauern allesamt viel zu lange und sind kein Stehbüffet wert. Sogar der Blutkreislauf schläft ein.
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Und was sonst noch – fragen sich dieser Leser und jene Leserin kopfschüttelnd. Ich juble: Heute muss ich nicht mehr mithalten. Ich habe meinen Freipass verdient! Mit gewissen Einschränkungen, auch Rücksichten genannt, kann ich endlich tun und lassen, was ich mag: Ausstellungen besuchen, Konzerte und … und … Hinzu kommen das Schreiben und Lesen als meine liebsten Beschäftigungen, die ich nicht länger wegen anderweitiger Aufgaben einzuschränken brauche.
 
Diese und andere Steckenpferde werden im Alter zum Jungbrunnen. Und dieser Jungbrunnen ist jedermann zugänglich – zu allen Jahreszeiten des Lebens. Die Interessenbereiche sind weitfächerig und abwechslungsreich und verjagen garantiert die Langeweile.
 
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