Textatelier
BLOG vom: 31.05.2011

Der eingeklemmte Gedankenstrich – u. seine Befreiung

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Was gibt es über den Gedankenstrich zu sagen – ausserhalb des Dudens? Eigentlich nichts ... oder nur Weniges. Wer schreibt, denkt nicht an Gedankenstriche –, es sei denn, ihm fehlten die Gedanken. In der Kurzgeschichte „Das Gute im Herzen“ von Karl Borromaeus Heinrich wimmelt es von Gedankenstrichen, manchmal stehen sogar 4 hintereinander.
 
Jetzt mache ich Pause und schiebe den Gedankenstrich hier ein –, weil ich meine Gedanken sammeln will, um etwas über den Gedankenstrich zu erzählen – etwas höchst Unwahrscheinliches:
 
Es war einmal ein Gedankenstrich. Der ruhte mitten im Satz, eingefangen – ausweglos. Jemand hätte ihn mit einem Strich erlösen können. Auch ein Punkt hätte ihn befreien können. Aus dem Satz wären dann 2 Sätze geworden. – – –
 
Die Mamsell Dolores wollte sich ein Kleid schneidern und hatte das Ausschneidemuster vor sich aufgeschlagen. Mit der weichen, dreieckigen Schneiderkreide markierte sie den Stoff. Nachher folgte der Faden in ihrer Nähmaschinennadel der Vorlage. Der Fadenschlag war im Nu geschaffen. „Genug für heute“, meinte Dolores und breitete das mit Bindestrichen so ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ übersäte Gewebe über den Arbeitstisch. Damit der Stoff schön gestreckt bleibe, legte sie den Grossen Duden auf die rechte Seite und Brehms Tierleben auf die linke. Als Zugabe kam unten der zwischen den Seiten 184 und 185 auseinander geschlagene 1. Band „Deutsche Erzähler der Gegenwart“ auf den Stoff zu liegen. Dieses Buch, 1928, ist in längst zur Vergangenheit geworden – mitsamt dem auf der Seite 184 eingeklemmten Gedankenstrich  – – –.
 
Ist der Gedankenstrich der Gedankenübertragung auf Bindestriche fähig? Angesichts der Bindestriche jubelte dieser Gedankenstrich – hier ist mein Ausweg! Aber wie? Die Bindestriche wollten von ihm nichts wissen: „Wir halten zusammen“, fertigten sie ihn schroff ab.
 
Wäre die Katze in diesen Augenblick nicht auf den Tisch gesprungen, wäre diese Geschichte ohne befreiendes Ende für den Gedankenstrich geblieben. Sie zersauste und zerriss das Gewebe mit ihren Krallen. Der Bindfaden riss, und das Gewebe verlor einen Teil der Bindestriche – schuf eine Lücke für den Gedankenstrich, in die er plumpste – endlich befreit.
 
Und weil dies eine unwahrscheinliche Geschichte ist, bleibt es rätselhaft, wie das möglich war – und kann nur mit einem verdoppelten Gedankenstrich plus Fragezeichen – also so = plus ?–abgeschlossen werden.
 
Die Mamsell Dolores war erbost, als sie anderntags den Schaden sah. Die ganze Geschichte flog – zusammen mit dem dazu benötigtem Stoff – in den Eimer.
 
P.S. Natürlich schätze ich den Gedankenstrich!
 
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