Textatelier
BLOG vom: 28.02.2012

Vorstellungen und Träume rund um die Schweiz und Geld

Autorin: Rita Lorenzetti, 8048 Zürich
 
Als ich dieser Tage mit meiner Freundin an der Bushaltestelle vor dem Neumarkt in Zürich-Altstetten stand, kam ein junger Mann aus Osteuropa auf uns zu und überreichte uns beiden je eine Rose. Ich fragte, was der Grund sei. Diese zu verkaufen. 2 Franken das Stück.
 
Wir wurden überrumpelt (völlig unvorbereitet überrascht). Noch nie hat mir jemand der Geste nach etwas geschenkt und dann dafür Geld verlangt. Wir bezahlten dann ohne Murren. Meine Freundin kommentierte unser Verhalten: „Drii gloffe!“ (In die Falle getappt.)
 
Zuvor hatte ich schon einen Augenblick lang gezögert und den Mann stirnrunzelnd angeschaut. Da erklärte er, er sei arbeitslos.
 
Gut! Besser unternehmerisch sein als stehlen.
 
Der Schweiz haftet ein Mythos an. Geld sei hier für alle in Fülle vorhanden. Er weckt Träume. Man möchte aus ihrer Quelle schöpfen.
 
Dazu eine Episode, die sich vor vielen Jahren abgespielt hat. Um sie zu verstehen, müssen wir uns vergegenwärtigen, dass wir in jenen Jahren noch ohne Internet, also ohne weltweite digitale Vernetzung, lebten. Man wusste wenig voneinander. Aber der Mythos von der reichen Schweiz war doch schon weit verbreitet. Dass unser Volk fleissig und sparsam war, das gehörte aber nicht zu diesem Wissen. Und dass es auch Armut in unserer Bevölkerung gab und gibt, schon gar nicht.
 
1977 war ich mit der Familie in Paris. Am Metroausgang einer eher unbedeutenden Station gab die Pendeltüre Widerstand. Die Kinder wollten sie öffnen und mühten sich ab. Ein Mann aus einem afrikanischen Land beobachtete uns und half ihnen. Er hörte auf unsere Sprache. Er interessierte sich, woher wir kämen. „Aus der Schweiz“ ‒ „Oh!“ sagte er dann: „Da gibt es viel Geld.“ Er sprach ein feines Französisch. Wir verstanden uns gut. – Darum antwortete ich auch locker, das Geld sei aber nicht einfach auf der Strasse zu finden. Wo denn, wollte er wissen. Auf der Bank. Ob es schwierig sei, eine Bank zu finden? Und was denn eine Bank sei, musste ich auch noch erklären.
 
Geld auf der Strasse hat mein Schwiegervater aber öfters gefunden. Weil er die Bahnhofhalle mit ihren Gehsteigen immer mit dem Blick auf dem Boden durchlief. In jungen Jahren war er sehr arm und die kleinen Geldstücke, die er fand, hochwillkommen. Noch im Alter hat er jedesmal, wenn er sich im Gelände des Hauptbahnhofs aufhielt, nach verlorenem Kleingeld ausgeschaut. Er erklärte mir einmal, an einem solchen Ort seien viele Menschen unterwegs, und da sei es immer möglich, dass jemandem eine Münze entfalle.
 
Auch Heinrich, ein Freund aus Aachen und bekannt für seinen feinen Humor, demonstrierte uns einmal, dass er die Aura der Schweizer Banken kenne. Auf einem Spaziergang durch die Bahnhofstrasse blieb er plötzlich ein paar Schritte zurück. Er hatte sein Portemonnaie hervorgeholt und es auf eine Sitzbank gelegt. Dann rief er uns zu: „Schaut! Jetzt habe ich mein Geld auch auf einer Schweizer Bank.“
 
Und wie Geld und Geist und Schweizer Banken heute im Fokus stehen, darüber berichten beinahe täglich in- und ausländische Zeitungen.
 
 
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