Textatelier
BLOG vom: 29.03.2012

Texte neben Textilien: Verwobenes im Bibersteiner Schloss

Autor: Walter Hess, Publizist, CH-5023 Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Ein Text, auch dieser, ist etwas Geschriebenes, ein Gefüge aus Buchstaben, aus ganzen Wörtern. Das Wort Text stammt aus dem Lateinischen: „textus“ steht für ein Gewebe, ein Geflecht, eine Verbindung, einen Zusammenhang. Infolgedessen muss die Kulturkommission Biberstein mit ihrem fantasiereich agierenden Präsidenten Wolfgang K. Schulze einen Rückfall in die spätmittelhochdeutsche Zeit gehabt haben, als ihr einfiel, im kunstvoll gefügten, mittelalterlichen Schloss Biberstein vom 23. bis 25.03.2012 eine Ausstellung zum Thema „Text und Textil“ zu veranstalten. Sie bot 7 Künstler auf, die das Kombinationsthema auf ihr eigenwillige Art angingen.
 
Jürg Vögtli aus Erlinsbach AG hatte zur Eröffnung der Ausstellung einen roten Fadenknäuel mitgebracht, an dem er sich bei seiner Einführungsansprache festhielt und mit dem eine Serie von Spickzetteln mit Stichwörtern umwickelt war. Das „Gnusch im Fadechörbli“ (Verwirrung im Fadenkorb, eine in der Schweiz gebräuchliche, mundartliche Redensart) blieb dank des roten Fadens aus.
 
Der wortgewandte Referent sprach lobende Wort über das Geschriebene, vor allem über das Handgeschriebene auf wertvollem Papier oder über das an Wände Aufgemalte, das nicht allein durch seine Botschaft, sondern auch durch die Art der Präsentation, das Papier und die Schrift, eine zusätzliche Aussage überbringt. Und solche Hinweise vermitteln auch die Textilien, die Kleider (die Nachfolger der paradiesischen Feigenblätter), Tücher, Säcke, Seile und Teppiche; über letztere sprach am Samstag, 24.03., Jürg Oberle („Flachgewebe und ursprüngliche Webtechniken“).
 
Das rund 60 Personen umfassende Vernissage-Publikum war in gepflegte Textilien gehüllt, präsentierte sich der Würde des Anlasses angemessen. Es wurde von Jürg Vögtli in sympathischer und kompetenter Art auch in die Welt des einzelnen Künstlers mit dessen innerer Textur, dem schöpferischen Zusammenhang, eingeführt:
 
Rita Merten (Sarmenstorf AG) spielt gern mit Wegwerfmaterialen (wie alte Zeitungen und Plastiktragtaschen), wandelt sie zur Recyclingkunst um und verhilft ihnen zu einer neuen Botschaft.
Manuel Merten, der im Schloss Biberstein AG wohnt und der Sohn von Rita Merten ist, imponiert durch seine eigenwilligen Farbkompositionen, durch die sich seine malerischen Arbeiten hervortun.
Viviana Hüppi-Zala (Regensdorf ZH) als Patchwork-Künstlerin versteht es, aus Zusammengewürfeltem ein Ganzes zu machen. Die Stoffdesignerin, die sich von allem möglichen Kulturen inspirieren liess, vertritt den verbindenden Grundgedanken der Ausstellung perfekt.
• Von Wolfgang Klaus Schulze (Biberstein), der Repräsentant der Kulturkommission, ist dasselbe zu sagen. Er beschränkt sich nicht auf sein präsidiales Wirken, sondern sucht und findet den Dialog zwischen Fotografien und Text. Beide könnten für sich allein bestehen, doch in der Vereinigung ergibt sich eine neue, tiefgründige Mitteilung.
Ernst-Peter Rommerskirchen (Baden-Dättwil AG) ist ein kunstbegabter Schönschreiber, ein Kalligraf. Er zeigt, wie jeder Text durch die Schönheit der Buchstaben-Gefüge aufblühen kann.
Peter Studler-Guidi (Buchs AG) erscheint an der Ausstellung als ein Mann des Worts, der aus Gedichten, Predigten, Bildern usw. Schriftbilder macht, diese auf Tannenbretter und Fundgegenstände malt und so „bewörtert“, wie Jürg Vögtli sagte.
 
Die ortsverbundene Stiftung Schloss Biberstein und die Schlossverwaltung stellen der einheimischen Kulturkommission alljährlich einmal einige Schlossräume für eine Ausstellung zur Verfügung, eine noble Geste. Einen idealeren Rahmen gibt es nicht, und so kamen an den 3 Tagen total rund 300 Personen ins Schloss. Zum stilvollen Arrangement von früh blühenden Stauden im Eingangsbereich und Kunstwerken in den geschichtsträchtigen, stimmungsvollen Räumen gehörte diesmal auch die gesangliche Umrahmung durch das A-cappella-Ensemble Quardofonix (mit Isabelle Jean-Richard, Katrin Portmann, Marco Baumli und Niklaus Walther). Die Gruppe gab sich insbesondere beim Dubidubidu lautmalerisch, wobei ich nicht genau herausfinden konnte, ob da der Dadaismus eine Symbiose mit der keltischen Sprache eingegangen war. Sie tönte beschwingt, diese mehrstimmige Vokalmusik, die Instrumente ersetzen kann.
 
Wie so oft bei ineinander verschlungenen Texten, Textilien und Tönen: Vieles vom Verwobenen bleibt Verschroben. Und das spricht besonders an.
 
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