Textatelier
BLOG vom: 27.08.2012

Ernährungsunsinn: Dicke Kinder, Pommes, Riesenwhoppers

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
US-Präsident Barack Obama hatte endlich einmal eine gute Idee. Er wollte das zu fette Schulkantinenessen mit Pommes und Pizzen durch mehr Gemüse ersetzen. Vielleicht stammte die Idee von seiner Frau. Auf jeden Fall wedelte die Präsidentengattin Michelle mit einer abgeschnittenen Rhabarberstange samt Blatt herum. Dies taten auch die Kinder, die auf diversen Pressefotos mit der Präsidentengattin abgebildet waren.
 
In den US-Schulkantinen wurden bisher fast jeden Tag Pommes frites, Pizzen, Kroketten, Kartoffelpuffer oder Chips serviert. Das wollte man nun ändern. Es sollte nur einmal in der Woche stärkehaltiges Essen geben.
 
In der Vergangenheit las man in einigen Ernährungsstudien, wie jener von Prof. Walter Wilett, Ernährungswissenschaftler an der Harvard University, dass ein übermässiger Kartoffelkonsum zu Diabetes führe. „Wer Kartoffeln isst, produziert mehr Insulin als beim Konsum von purem Zucker“ – und das erzeuge Hunger. Früher war der Kartoffelkonsum in Ordnung, weil sich der Mensch mehr bewegt hat. Heute führt dieser zu Übergewicht, Diabetes, Krebs und Herzinfarkt. So jedenfalls die Meinung des Professors. Es ist jedoch entscheidend, wie man die Kartoffel zubereitet, entweder mit Fett oder ohne diese Kalorienbombe. Hier die Zahlen, die ich auch in meinem Buch „Richtig gut einkaufen“ (Verlag Textatelier.com) erwähnte. Die Zahlen beziehen sich auf 100 Gramm der zubereiteten Kartoffeln: 
Gekochte Kartoffeln: 50 bis 70 kcal,
Rösti, Bratkartoffeln: 200 kcal,
Pommes frites: 290 kcal,
Kartoffelchips: 540 kcal. 
Kürzlich kaufte ich eine 110-g-Packung Paprika-„Naturals“-Chips mit natürlichen Zutaten, ohne künstliche Aromen und Farbstoffe, ohne Konservierungsstoffe und ohne Gluten. Die Chips waren mit Sonnenblumenöl schonend gebacken worden. 100 g dieser Chips enthalten 516 kcal, 6 g Eiweiss, 49 g Kohlenhydrate, 32 g Fett (3,2 g gesättigte Fettsäuren, der Rest besteht aus ungesättigten Fettsäuren), 4,2 g Ballaststoffen und 1,09 g Natrium.
 
Es ist schon wichtig, was man einkauft. Die besseren Produkte sind meist etwas teurer. Wir futtern Chips sehr selten, aber wenn schon, dann die Richtigen und in kleinen Portionen.
 
Mit Grausen erinnere ich mich an die englische Küche. Anlässlich unseres London-Aufenthalts vor etwa 10 Jahren wurden in den Restaurants Fisch and Chips oder Fleischgerichte mit den harten Chips serviert. Deshalb wichen wir auf die asiatische Küche aus.
 
Ursache des Dickwerdens
Eine der Ursachen des Dickwerdens ist der Trend zum ausserhäuslichen Essen. Schnellrestaurants haben Hochbetrieb. Die Schulkinder trinken auch bei uns häufig Limonaden und stopfen Süssigkeiten in sich hinein. Jetzt gibt es Initiativen, diese Getränke an Schulen nicht mehr zu verkaufen. Die Schüler werden animiert, Wasser bzw. Mineralwasser zu trinken. Dieses gibt es kostenlos aus Wasserbehältern.
 
Wie bekannt wurde, beziehen ein Viertel der amerikanischen Schulen das Essen direkt von Fast-Food-Ketten (wie McDonald´s oder Pizza-Hut).
 
Die US-Restaurants bieten zu grosse Portionen an. So verdoppelten sich dort die Portionsgrössen innerhalb von 20 Jahren. Die Portionen und Softdrinks enthalten 50 bis 100 Prozent mehr Kalorien als 1992. Dazu „focus“: Ein besorgter US-Psychologe wog einen Hauptgang in einem Chinarestaurant in Frankreich und tat dasselbe mit dem entsprechenden Gericht bei einem US-Chinesen: Bei diesem, US-geschädigt, häuft man 72 Prozent mehr aufs Porzellan.
 
Aber auch bei uns in Deutschland wird im Fernsehen für doppelte Portionen geworben. So waren es Doppel-Whopper, übergrosse Sandwiches und grosse Becher mit Cola im Angebot. Dadurch wird man kugelrund, besonders dann, wenn solche Produkte oft verzehrt werden.
 
Warum die US-Amerikaner immer dicker werden, erklärte der deutsche Landeskenner Hans-Dieter Gelfert in seinem Buch „Typisch amerikanisch“ (Verlag H. C. Beck) so: Der Trend zu Riesenportionen sei in den USA deshalb so ausgeprägt, weil „alle lebensnotwendigen Ressourcen in unerschöpflicher Fülle vorhanden zu sein schienen“. Die Siedler kamen ins Land und fanden jede Menge Büffel und fruchtbaren Ackerboden vor. Büffel wurden aber auch abgeschossen, um die Nahrungsgrundlage der Indianer zu zerstören; die toten Tiere blieben auf freier Wildbahn liegen. Das war der Auftakt zur US-Kultur.
 
„Focus“-Redakteur Frank Gerbert: „Die daraus entsprungene Mentalität wirkt bis heute nach. Tief im Herzen wohnt die Überzeugung: Nur ein voller Amerikaner ist ein guter Amerikaner.“
 
In meinem Glanzpunkte-Artikel „Dicke Amerikaner“ schrieb ich: Sind in diesem Fall schlanke Amerikaner (Politiker einschliesslich George W. Bush) keine guten Amerikaner?
 
Aber es gibt jetzt ganz andere Ansichten und Warnungen. So schlugen, wie in einem „Spiegel“-Bericht (28/2012) zu lesen war, US-Generäle kürzlich Alarm. Sie machten sich Gedanken über dicke US-Kinder. Sie seien zu fett, um das Land verteidigen zu können. Man kann sich vorstellen, dass die Militäroberen zukünftig kaum kampffähige Soldaten für ihre Kriege gewinnen könnten. Vielleicht kommen dann vermehrt Kampfroboter zum Einsatz. Oder die Bewerber werden einer Abspeckkur unterworfen. Dass die USA friedliebender werden, ist wohl kaum zu erwarten.
 
Es kam zur Abstimmung
Zurück zu Obamas Gesundheitsinitiative. Kaum wurde das Vorhaben bekannt, begannen die Gegner und Lobbyisten der Kartoffelanbauer, die Messer zu wetzen. Sie wollten nicht, dass die geliebte Kartoffel von den Tellern verschwindet oder auch nur reduziert wird. Selbst die nationale Schulbehörde wurde eingespannt, weil durch den Kartoffelverzicht die Preise für Schulessen in die Höhe klettern würden.
 
Prof. Willett bemerkte: „Die Kartoffel ist in Amerika ein religiöses Gut“. Er ahnte damals schon, dass die Lobbyisten und Kartoffel-freundlichen Senatoren bei einer Abstimmung die Oberhand gewännen. Besonders setzte sich der Senator Mark Udall für die Kartoffelnanbauer ein. Es wurde dann im Senat abgestimmt (Mark Udalls Senate Amendment 804). Es gab 70 Ja- und 30 Nein-Stimmen. Das Ergebnis war, wie der Spiegel berichtete, ein überwältigendes, historisches Votum für Pommes frites in einem Kongress. Udall, der Retter der Pommes, bedankte sich bei seinen Kollegen für ihren „gesunden Menschenverstand“. Man kann sich heute nur so wundern, was so manche Politiker unter gesundem Menschenverstand verstehen.
 
Die Stullen der Superlative
Als ich kürzlich Rolf Hess per E-Mail die unter www.gmx.net aufgeführten Bilder von Riesen-Whoppern zusandte, habe ich wohl Rolfs Appetit verdorben. Das war natürlich nicht meine Absicht. Er schrieb: „Habe soeben eine halbe Papaya zum Frühstück gegessen, nun, nach der Bildbetrachtung, ist mir der Appetit vergangen.“
 
Manche Fast-Food-Fresser sind entzückt, wenn sie solche Giganten verzehren dürfen. Es gibt inzwischen viele absurde Burger- und Sandwich-Kreationen.
 
Beispiel 1: So wurde ein Whopper mit 1050 Scheiben Speck von Mr. Sato verzehrt. Seinen Kampf mit dem Speck-Monster hat er auf „Rocket News 24.com“ präsentiert. Mitarbeiter von „Burger King“ brauchten 2 Stunden, um diesen Giganten mit 14 300 kcal zu produzieren.
 
Beispiel 2: Die japanische Hamburger-Kette Lotteria kreierte den „Tower Cheeseburger“ mit 10 Hacksteaks und 10 Scheiben Käse für 10 Euro. Vielesser konnten ihren Burger mit beliebigen Zutaten (für 99 Yen, rund 1 Euro, pro Hack-Käse-Bratling) erweitern. Die Redaktion des japanischen Blogs „Rocket News 24“ orderte einen Cheeseburger mit 30 Hacksteaks und ebenso vielen Käsescheiben.
 
Beispiel 3: Die erwähnte Redaktion bestellte einen Hamburger-Turm mit 12 Fleischbratlingen. Der „Dodeca-Whopper“ mit 3000 kcal wog 1,2 Kilo.
 
Auch bei uns werden Vielesser bewundert. So gibt es etliche Wirtschaften, in denen riesige Schnitzel und Steaks ab 1 kg Gewicht angeboten werden. Dann wird gefuttert und geschmatzt, bis der Sieger feststeht. In USA gibt es sogar einen professionellen Fresser, der in Restaurants eingeladen wird und dann seinen Magen voll schlägt. In einer Fernsehsendung wurde dieser Bursche auch bei uns vorgestellt. Der Vielfrass war überraschenderweise nicht dick. Er betonte, er bewege sich oft und lebe sonst gesund.
 
Betrunken durch Sandwiches?
Kaum zu glauben: Eine Imbissbude in New York verkauft alkoholhaltige Sandwiches. Der Schnaps wird direkt auf die Stullen platziert, und schon kann der Konsument drauf los kauen. Er könnte sich regelrecht einen Rausch anfressen. Zurzeit wird geklärt, ob Konsumenten erst ab 21 Jahren Alkohol-Sandwichs verzehren dürfen oder nicht. Bei uns gibt es ja die Schwarzwälder Kirschtorte, die Kirschwasser enthält. Ich habe schon erlebt, dass in Cafés vor dem Servieren der Kuchen noch einen Schuss Alkohol bekommen hat. Dann schmeckte die Torte wirklich nach Kirschwasser.
 
Internet
http://home.1und1.de (Betrunken durch Sandwiches“)
www.gmx.net (Grösser, teurer, besser? – Die Stullen der Superlative“)
 
Literatur
Hujer, Marc: „Das Ende der Vernunft“, „Der Spiegel“, 28/2012.
Scholz, Heinz: „Richtig gut einkaufen“ (Die moderne Lebensmittelkunde für den Alltag), Verlag Textatelier.com, Biberstein 2005.
Der kleine Souci.Fachmann.Kraut: „Lebensmitteltabelle für die Praxis“, wvg Stuttgart 2003.
 
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