Textatelier
BLOG vom: 30.09.2012

Vom Ex Libris, vom Lesen, Schreiben und Wohlwollen

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Ein vernünftiger Mensch sichert sich das Wohlwollen seiner Mitmenschen, indem er sein Ego auf der Sparflamme hält. Er macht sich als Zuhörer beliebt und fällt ihnen nicht bei jeder Gelegenheit ins Wort. Auch hält er mit Rat – der ja billig zu haben ist – zurück.
 
Damit ist schon allerlei gewonnen, um seine eigene Gemütsruhe zu bewahren – also Wohlwollen für sich selbst, das auf andere übertragbar ist. Während der jugendlichen Sturm- und Drangjahre konnten wir stundenlang hitzköpfig über Religion, Weltanschauung und Philosophie debattieren. Wir wollten andere für unsere Ansicht gewinnen. Das führe zu nichts, sahen wir in reiferen Jahren ein. Wir ereifern uns nicht mehr bei jeder Gelegenheit und halten vermehrt Abstand zu Themen, die Zwiste auslösen können.
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Das Ex Libris
Auf dem Ramschmarkt in Wimbledon entdeckte ich kürzlich in einer verstaubten Schachtel ein Ex Libris: der Holzschnitt eines Mannes, der ins Lesen eines Buchs vertieft ist. Er sitzt in einem bequemen Sessel. Mit der linken Hand umfängt er nachlässig eine lange Tonpfeife. Sie ist erloschen. Mit der rechten Hand rechts hält er gebannt das ihn fesselnde Buch hoch. Hinter seinem Rücken ist die Bibliothek mit Büchern vollgestopft.
 
Dieses Ex Libris trägt die Initialen DW und stammt von D. Acket. Das W hatte er sich als sein Synonym für „dust wrapper“ (Schutzumschlag) angeeignet. Der Künstler hatte Sinn für Humor, meine ich, denn der Schutzumschlag schützt das Buch vor Staub. Aber warum war dieses Ex Libris auf so dickes Papier (Karton) gedruckt? Zuhause legte ich es in ein warmes Wasserbad. Innert einer Viertelstunde lösen sich 12 aneinander geklebte Ex-Libris-Buchzeichen – jedes zeigt den nämlichen Leser! Diese Entdeckung freut mich als Leser. Jedes einzelne Ex Libris ist tadellos erhalten.
 
Wie flechte ich dieses Ex Libris in diesen Essay ein? Nicht durch Debatten, sondern dank des Reichtums der Literatur lässt sich das Wissen schöpfen und als Grundlage zum Dialog vertiefen. Damit sichert man sich gleichzeitig sein eigenes Wohlwollen, das sich, wie gesagt, auf andere übertragen lässt. Sei deshalb von jedem Tag etwas Zeit für die Lektüre abgezweigt! Der Belesene begegnet seiner Umwelt verständnisvoll.
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Und noch etwas. Im Bekanntenkreis äussere man sich weniger offenkundig oder freimütig als im engeren Freundeskreis. Einst wurde dem Briefwechsel ein grosser Wert beigemessen. Heute hat das Blog teilweise diese Rolle übernommen und schürt den Dialog zwischen Menschen – der belebende Wechselfluss zwischen Meinungen und Ansichten. Im Text kann ich mich nuancierter als im gesprochenen Wort ausdrücken. Auch das kann dazu beitragen, sich das Wohlwollen des geneigten Lesers zu erwerben, selbst über gegensätzliche Meinungen hinweg.
 
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