Textatelier
BLOG vom: 26.11.2012

Von einem Übeltäter bespitzelt: Rätselhafte Botschaften

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Wie leicht ein Mensch verunsichert werden kann, ist aus dieser Geschichte herauszulesen. Aus dem Hinterhalt hat sich einer seinem Opfer auf eine perfide Art und Weise angenommen, die diesem mehr und mehr zusetzte und den Schlaf raubte. Was konnte der Bedrängte dagegen tun? Wer hatte es auf ihn abgesehen?
*
 
Peter Strub gehörte als Staatsbeamter dem gehobenen Mittelstand an und lebte mit seiner Familie in einer Stadt mittlerer Grösse im schweizerischen Mittelland. Als er eines Tages nach Arbeitsschluss sein Haus in der Vorstadt erreicht hatte, bemerkte er ein Kuvert unterm Scheibenwischer seines Autos geklemmt. „Warum dort und nicht im Briefkasten bei der Eingangstüre?“ wunderte er sich und steckte das Kuvert in seine Manteltasche.
 
„Hugentoblers haben uns am Samstag zum Nachtessen eingeladen“, meldete er seiner Frau. „Geht das in Ordnung?“ Mit der Röstipfanne beschäftigt, nickte sie bloss. Da fiel ihm das Kuvert ein. Vielleicht war es Hugentoblers Einladung, mutmasste er. Er schlitzte den Umschlag mit dem Zeigefinger auf, entnahm ihm ein Foto und stutzte. Der Schnappschuss zeigte ihn um die Mittagszeit im Restaurant, neben seiner Sekretärin sitzend. Er drehte das Foto um. Mit einem schwarzen Filzstift war ein grosses Fragezeichen gesetzt, sonst nichts. War das ein geschmackloser Scherz? Herr Strub hatte ein reines Gewissen.
 
Er zeigte die Aufnahme kopfschüttelnd seiner Frau. „So ein Dummkopf verdient keine Beachtung“, stimmte sie mit ihm überein. So zerknäulte er das Kuvert mitsamt Foto und warf es in den Kehrichteimer.
 
Herr Strub klatsche kräftig in die Hände und rief „Zeit zum Essen!“ Dieses Ritual wiederholte er, bis sich seine 2 Kinder in der Wohnküche einfanden. Pflichtbewusst erkundigte er sich nach ihren Hausaufgaben, während er sich ein Glas Wein einschenkte. Nach dem Essen halfen die Kinder ihrer Mutter, nach bewährtem Brauch, beim Abwaschen des Geschirrs. Herr Strub verzog sich ins Wohnzimmer und verfolgte, wie immer, die Fernsehnachrichten. Dabei kommentierte er gern recht kritisch das Tagesgeschehen, besonders das politische.
 
Der nächste Tag begann schlecht. Wiederum war unterm Scheibenwischer seines Autos ein Kuvert eingeschoben. Verärgert riss er es auf. Jemand hatte die Familie beim gestrigen Abendessen geknipst und sich dabei nahe ans Küchenfenster geschlichen. Diesmal war auf der Rückseite der Aufnahme ein Ausrufezeichen nach dem in Druckbuchstaben geschriebenen „Ha, ha!“ angefügt. Das kam einem Hausfriedensbruch gleich, denn die Einfahrt gehörte zum Haus.
 
Herr Strub beschloss, Unbefugten das Gatter vorzuschieben. Handwerker aktivierten elektronisch das Schloss der Zufahrt und bauten ein Schloss in der Seitentüre ein, das wiederum elektronisch bedient werden konnte, mitsamt einer Gegensprechanlage ausgerüstet. Dort wurde auch der Briefkasten angebracht. „Soweit muss es heute kommen, selbst in der Schweiz“, klagte Herr Strub, „aber die Familie muss vor solchem Unfug geschützt werden.“ Ausserdem schlug er seiner Frau vor, jeweils die Kinder mit dem Auto zur Primarschule zu fahren und abzuholen. „Sicher ist sicher,“ meinte er.
 
Diese Schutzmassnahme wirkte knapp eine Woche, ehe seine Frau, Irma hiess sie, ein Päckchen im Briefkasten entdeckte. Jemand hatte sie und ihre Kinder auf ein Video gebannt, wie sie die Kinder abholte. „Was soll das bedeuten?“ Peter Strub war empört und suchte Rat bei einem befreundeten Polizeikommissar. Dieser zuckte die Schultern und sagte: „Das kommt immer wieder vor. Dagegen lässt sich im Frühstadium wenig ausrichten. Es kann ein Neider sein," fügte er hinzu. „Oder hast du kürzlich jemand entlassen, der sich rächen will?“ Peter Strub verneinte. „Am besten installierst du eine CCTV", schlug der Kommissar vor, „diskret von einem überhängenden Baumast getarnt.“ So geschah es.
 
Peter Strub hatte den Ruf, Dinge klipp und klar beim Namen zu nennen. Politische Ränke und Manipulationen nahm er dabei aufs Korn. Eines Tages erschien Hugentoblers hübsche halbwüchsige Tochter im Amtsgebäude. Peter Strub begrüsste sich herzlich, wie es sich für einen Onkel schickt.
 
2 Tage später lieferte der Pöstler per Einschreiben ein Päckchen im Haus ab, mit fiktiver Angabe des Absenders, wie es sich nachträglich erwies. Der Schnappschuss zeigte das Paar, eben wie Peter Strub seine Hand über das Haar des Mädchens gleiten liess. So hatte sich der Übeltäter sogar ins Amt eingeschlichen! Auf der Rückseite war diesmal in Grossbuchstaben vermerkt: „Vom Onkel belästigt!“
 
Hugentobler teilte Peter Strubs Aufruhr ob dieser Gemeinheit. Jemand hatte Peter Strubs Rufmord inszeniert. Er wollte eine „Anklage gegen Unbekannt“ erheben. „Das musst du unbedingt unterlassen“, riet ihm der Kommissar. „Damit setzest du ein Gerücht in Umlauf.“ Peter Strub sah dies ein. „Stattdessen kann ich dir ein Privatdetektiv empfehlen“, schlug ihm der Kommissar vor. Peter Strub sträubte sich vorderhand, diesen Rat zu befolgen.
 
Feststellbar kühlten sich die freundschaftlichen Bande zwischen Hugentobler und Strub. Schliesslich könne man ja nie wissen, meinte Hugentobler, an seine Frau gewandt.
 
Es kam noch schlimmer … Eines Tages wurde die Primarschulklasse seiner Tochter zum Schwimmunterricht ins Hallenbad beordert. Eltern seien zu diesem Anlass herzlich eingeladen, verkündete das vom Rektor verfasste Rundschreiben. So waren Irma und Peter mit dabei und freuten sich am Gaudium der Kinder. Natürlich kam es zu Fotoaufnahmen seitens der anwesenden Eltern. Nachher legte Peter seine Pixelkamera zur Seite. Dem gefürchteten Bösewicht gelang es, die Fotos aus der Kamera zu schleusen. Tags darauf wurden sie allesamt wiederum ins Haus der Familie Strub abgeliefert. Jedes Foto war auf der Rückseite beschriftet: „Nie zu jung!“ Wiederum suchte Peter Strub den Kommissar auf. „Da haben wir vielleicht eine Handhabe. Das Schwimmbad ist nicht nur von der Aufsicht behütet, sondern ausserdem von einer Videokamera überwacht.“
*
Wer hatte es auf Peter Strub abgesehen? Niemand anders als Herr Oppenheimer! Eine Stinkwut hatte sich in ihm gestaut, einfach, weil Strub den Chefposten erhalten hatte, den Oppenheimer unbedingt wollte. Er liess sich davon nichts anmerken und erweckte den Anschein von tiefer Freundschaft gegenüber seinem neuen Vorgesetzten. Auch im Hallenbad waren Herr und Frau Oppenheimer zugegen.
 
Dort eignete er sich verstohlen die Fotos von Strub an, völlig ahnungslos, dass er dabei vom Video erwischt worden war.
 
Was sich ein Mensch nicht alles einfallen lässt, wenn er von abgrundtiefem Neid befallen ist …
 
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