Textatelier
BLOG vom: 05.12.2012

Verrückte Bedienungsanleitungen: Infantilismus-Auswüchse

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
Dieser Tage habe ich eine Funkwetterstation („Ascot“) zum erstaunlich bescheidenen Preis von CHF 24.50 gekauft, 5 Batterien (1,5 Volt) eingeschlossen. Das Gerät besteht aus einem kleinen Aussensensor und einer Basisstation, die im Hausinneren aufgestellt wird. Letztere zeigt auf einem grossen Bildschirm die Aussen- und die Innentemperatur, wahlweise in Celsius oder Fahrenheit, die Luftfeuchtigkeit draussen und drinnen und die sekundengenaue Uhrzeit, welche freundlicherweise regelmässig von der Physikalisch-technischen Bundesanstalt Braunschweig D über Langwellen angeliefert wird – sie tickt also so genau wie die Cäsium-Atomuhr. Weitere Informationen betreffen den Luftdruck in Hektopascal (hPa), der wie die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit rückblickend verfolgt werden kann. Auch entsprechende Trendanzeigen sind vorhanden. Mit Symbolen bezeichnete Wettervorhersagen gehören dazu – bis hin zu Schlechtwetter- und Sturmwarnungen. Ein Kalender nennt das Datum, den Wochentag, und auch die Mondphasen werden veranschaulicht. Das Gerät kann zudem als Wecker mit Weckwiederholung dienen.
 
Als ich dieses elektronische Strahlenwunder aus der Originalverpackung herauszog, kam mir zuerst ein Wust von Papier entgegen, darunter eine 6 A4-Seiten umfassende Bedienungsanleitung und Garantiekarten, alles in den Sprachen Deutsch, Slowenisch, Ungarisch, Italienisch und Französisch, insgesamt also ein Sprachkurs für multikulturell Ausgerichtete. So weiss ich jetzt, dass der Satz „Die Garantiezeit beträgt 3 Jahre“ auf Slowenisch „Garancijska doba traja 3“ heisst und dass der Begriff Idõjárás-állomás in Ungarn für eine Wetterstation angewandt wird, worauf ich nie gekommen wäre.
 
Die Installation der Idõjárás-állomás ist in allen Sprachregionen sehr einfach: Batterien einlegen, bedruckte Schutzfolien über den Displays wegziehen und die Geräte draussen und drinnen am gewünschten Ort platzieren – sie kommunizieren noch über 100 Meter Distanz und bis zu einem gewissen Grad durch Wände hindurch.
 
Die Frage stellte sich mir aber, wie man es fertigbringt, für solch ein einfach bedienbares Gerät eine 6 Seiten umfassende (übrigens verständlich geschriebene) Bedienungsanleitung zu verfassen. Sicher, es gibt Funktionen, die erklärt werden müssen, etwa wenn man vergangene Minimum-Maximum-Werte zurückverfolgen will. Aber vieles ist das Resultat von Absicherungen, die sich von den USA aus weltweit verbreitet haben, wo Advokaten-Heerscharen darauf lauern, einem Anbieter einen Fehler nachweisen zu können, ihn in die Verantwortung zu ziehen und Millionenbeträge aus ihm herauszupressen. Auf einem Plastiksack muss aufgedruckt sein, dass man ihn nicht über den Kopf stülpen und unten zubinden sollte, ansonsten Erstickungsgefahr bestehe. Und Mikrowellenöfen müssen mit dem Warnhinweis begleitet werden, dass man darin keine lebendigen, nassen Katzen trocknen sollte. Und der Geschirrspüler ist von der Belehrung begleitet, er sei kein Spielplatz für Kinder. Der im Volk verbreitete Infantilismus, gepaart mit nachlassenden Geisteskräften, hat seinen Anteil an diesem Nonsens made in USA.
 
Die US-Haftpflichtsitten haben es zur Berühmtheit gebracht, als McDonald’s einer Frau einen Millionenbetrag zahlen musste, weil sie sich mit dem Kaffee im Kaffeebecher verbrannt hatte und auf dem Kaffeebecher kein Hinweis stand, das Getränk sei heiss. Wer kommt denn schon drauf, dass Kaffee heiss sein könnte! Bei zusammenklappbaren Kinderwagen darf der Hinweis nicht fehlen, dass das Kind vor dem Falten des Wagens aus diesem zu entfernen ist – am besten mit einem Symbol, damit auch die vielen Analphabeten davon etwas haben.
 
In den USA gibt es einen Preis für Wacky Warnings (= verrückte Warnungen), die auch Sinnbilder für das unberechenbare Rechtssystem in den USA sind, das kriminelle Energie einschliesst. Überlagert wird das noch durch das Verhalten einer verblödenden Gesellschaft. So empfiehlt ein Fieberthermometer-Hersteller: „Wenn dieses Thermometer rektal eingesetzt wird, sollte anschliessend keine Messung im Mund durchgeführt werden.“ So etwas muss man den Amerikanern schon schriftlich auf den Weg geben.
 
In der global vereinheitlichten Welt muss man immer damit rechnen, dass ein Gerät in die Hände eines Amerikaners kommt, so dass sich Produzenten überall auf der Welt wappnen müssen, denn die US-Gesetze werden jedermann aufgezwungen.
 
Wetterstation-Warnungen
Die Frage ist nur, was man an solchen Warnhinweisen in Bezug auf eine Wetterstation unterbringen kann. So muss man zum Beispiel (wie bei bald jedem veröffentlichten Text) einen Disclaimer (Haftungsausschluss) anbringen: „Für Schäden aus dem nicht bestimmungsgemässen Gebrauch wird keine Haftung übernommen.“ Und auch vor einem groben Umgang mit den Gehäusen wird zur Schadensbegrenzung gewarnt: „Legen Sie keine Gegenstände auf die Basisstation und auf den Aussensensor und üben Sie keinen Druck auf das Display aus, sonst kann das Display brechen. Berühren Sie das Display nicht mit kantigen Gegenständen, um Beschädigungen zu vermeiden.“ Man ist geneigt, beizufügen, dass man auch nicht mit dem Auto darüberfahren sollte.
 
Die Firma hat zweifellos Interesse, Garantieleistungen vorzubeugen, die auf Grobiane zurückzuführen sind. Verständlich.
 
Die wesentlichen Überlebenshilfen folgen im Kapitel „Gefahren für Kinder und hilfsbedürftige Personen“: „Halten Sie Verpackungsfolien von Babys und Kleinkindern fern. Es besteht Erstickungsgefahr. Dieses Gerät ist nicht dafür bestimmt, durch Personen (einschliesslich Kinder) mit eingeschränkten physischen, sensorischen oder geistigen Fähigkeiten oder mangelnder Erfahrung und/oder mangelndem Wissen benutzt zu werden, es sei denn, sie werden durch eine für ihre Sicherheit zuständige Person beaufsichtigt oder erhielten von ihr Anweisungen, wie das Gerät zu benutzen ist. Beaufsichtigen Sie Kinder, um sicherzustellen, dass sie nicht mit dem Gerät spielen.“
 
Da ja heute bald einmal alles in Folien verpackt ist, selbst Bücher zu Gesundheitsthemen oder Überlebensstrategien, kann man sich leicht ausrechnen, von welchen Todesgefahren wir ständig umgeben sind – ähnlich wie die Fische, die am Plastikmüll in den Gewässern ersticken.
 
Und wie wir Menschen auch, so sind selbst Wetterstationen auf elektromagnetische Strahlungen empfindlich, werden irritiert, weshalb man sie nicht in der Nähe z. B. von Computern, Druckern, Fernsehern, Mobiltelefonen oder Radios aufstellen sollte.
 
Und dann folgt ein Lehrstück über das Zusammenleben mit Batterien: „Batterien dürfen nicht geladen oder mit anderen Mitteln reaktiviert, nicht auseinander genommen, ins Feuer geworfen oder kurzgeschlossen werden. Bewahren Sie die Batterien immer ausserhalb der Reichweite von Kindern auf. Batterien können bei Verschlucken lebensgefährlich sein. Bewahren Sie die Batterien und die Funk-Wetterstation deshalb für Kleinkinder unerreichbar auf. Wurde eine Batterie verschluckt, muss sofort medizinische Hilfe in Anspruch genommen werden.“ Eine traurige Nachricht für alle Liebhaber von einem Batteriesalat an französischer Sauce mit viel Ketchup.
 
Und irgendwann wird man die Verpackung der Wetterstation entsorgen müssen, solle man einfach die kommunale Stelle befragen. Bei uns, wo alles wohlorganisiert ist, kommt sie via Kehrichtsack in die Kehrichtverbrennungsanlage.
 
Mit keinem Wort wollte ich die Krippl-Watches im österreichischen A-4600 Wels kritisieren. Die Firma verhielt sich innerhalb der heutigen Rahmenbedingungen mit dem eklatanten Manko an gesundem Menschenverstand vollkommen korrekt, gehorchte der Not. Doch wird der modernen Gesellschaft der Spiegel vorgehalten: Wie blöd sind wir doch (geworden)!
 
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