Textatelier
BLOG vom: 09.12.2012

Meine Geschichten rund um die amerikanischen Parkas

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich-Altstetten
 
Jetzt habe ich gerade Heimweh bekommen. Für diesen Beitrag schaute ich mich im Internet nach der Beschreibung der Parka um und fand dort eine Foto unserer damaligen Allzweckjacken aus Beständen der amerikanischen Armee. Das Modell Army Parka M-65 ist abgebildet. Ja, das war es. Dieses besassen wir. Es gab beinahe Tränen der Rührung.
 
Möglicherweise deutet die Zahl 65 im erwähnten Modell das Produktionsjahr dieser Jacke an. Wir konnten sie vermutlich 1967 kaufen. Damals war das Wort Parka erst im Kommen. Heute steht es für eine Allerweltsjacke mit Kapuze, die länger geschnitten ist als die herkömmliche Windjacke. Als ein in jeder Beziehung dienliches Kleidungsstück.
 
Jene, die wir kaufen konnten, waren gebrauchte, gereinigte Stücke aus den Beständen der amerikanischen Armee. Sensationell das wärmende Innenfutter, die tiefen Taschen und der robuste Reissverschluss. Da und dort waren sie etwas geflickt. Das gab der Parka gerade noch den letzten Schliff, um als Original zu gelten. Eine Jacke jenseits von Eleganz, aber ungeheuer praktisch. Im Winter wärmend, in den übrigen Monaten ohne Futter getragen, wurde sie zum Regenmantel. Ich schätzte sie, weil sie unkompliziert war. Besonders auch als junge Mutter, wenn ich mit den Kindern unterwegs war.
 
Trug ich die Parka, fühlte ich mich gut angezogen, geschützt und vor allem auch eigenständig. Sie unterstützte uns, dass wir Velofahrende bleiben konnten. Wohl gab es damals, kurz vor der 68er-Revolte, Leute, die meinten, sie müssten uns aufmerksam machen, wie man sich kleide. So hörten wir auch die hämische Frage: So, seid ihr alternativ? Primo antwortete einmal ganz treffend. Nein! Wir sind jungnativ.
 
Einmal wollte unser Kinderarzt die Parka genauer ansehen, als ich in der Praxis aufkreuzte. Er wusste nicht so recht, ob er uns ebenfalls belehren müsse, fand diese dann aber ganz originell. Er schaute sie mit den Augen eines Seglers an.
 
Und einmal trugen wir die Parkas in Istanbul. Dort sprach uns ein Herr an, als wir in einem Schaufenster die Teppichauslagen betrachteten. Wo solche Jacken zu kaufen seien. Er gehe öfters auf die Jagd, und diese Jacke wäre ideal für ihn. Hier befinde sich sein Teppichgeschäft, er lade uns ein, hier einzutreten und ihn darüber zu informieren.
 
Wir nannten das Geschäft in Zürich und auch den damaligen Preis. Ob er Primos Jacke probieren dürfe? Sie passte gut, nur der abgewetzte Ärmelumschlag störte ihn. Ich bot ihm meine Parka an. Es war dasselbe Modell. Sie war am Ärmel nicht beschädigt. Aber eine Jacke, die von einer Frau getragen wurde, die wollte er nicht. Primos Parka würde er gerne abkaufen. Aber dieser signalisierte Widerstand. Er sei nicht nach Istanbul gekommen, um seine Jacke abzugeben. Ich aber wusste, dass wir in Zürich problemlos Ersatz finden werden und schlug vor, doch auf einen Verkauf einzugehen. Das ergebe ein ungewöhnliches Ferienerlebnis. Gut! Dann wollte der Teppichhändler noch markten. Also CHF 120.‒ (der Handelspreis in Zürich) für eine gebrauchte und etwas beschädigte Jacke, das sei zu viel. Primo aber blieb dabei. Er hätte seine Parka sowieso gerne weiter getragen. In der Zwischenzeit hatten sich 7 Angestellte aus diesem Teppichgeschäft im Halbkreis um uns gestellt und verfolgten den Handel. Als der Teppichhändler einsah, dass sich Primo nicht überreden lasse, offerierte er einen Tausch. Er holte eine gebrauchte Lederjacke aus seinem Büro und offerierte sie. Und sie passte so gut, wie wenn sie für ihn zugeschnitten worden wäre. Er zog sie nicht mehr aus. Neben ihm trug der Teppichhändler die Parka. Dann sagten beide Ja zum Geschäft und umarmten sich.
 
Und ich beobachtete die Angestellten, wie sie ihrem Chef zunickten, und ich sah in ihrer Mimik, dass sie annahmen, Primo sei hereingelegt worden. Das war ganz und gar nicht der Fall. Auch wenn der Jackenschnitt nicht der neuesten Mode entsprach, er entsprach Primos Gestalt. Sie diente ihm noch lange. Und die Parka konnte in Zürich dann auch sofort ersetzt werden.
 
Es sind nun ein paar Jahrzehnte vergangen, und die Parka hat einen neuen Stellenwert erlangt. Heute gehört sie zu den interessanten Modeerscheinungen. Mehr und mehr faszinieren mich heute die aktuellen Modelle, die nichts mehr mit Armeebeständen zu tun haben.
 
Aber leider passt meine Figur, vor allem meine Grösse, nicht in diese schönen Kurzmäntel, die sich Parka nennen. Ich habe nun lange gesucht und nur jene Modelle für Grossgewachsene gefunden, deren Gewicht mich belasten würden.
 
Und jetzt habe ich, dank der Vorbereitungen für diesen Beitrag, im Internet unerwartet jenen Händler gefunden, der damals die Armee-Parkas importierte. Er führt neuerdings einen Army-Shop für Jeans und Jacken in einem anderen Stadtkreis. Ich werde ihn noch aufsuchen, auch wenn ich jetzt das anfangs erwähnte Modell als Grossmutter gar nicht mehr tragen würde. Ich vermute, dass es eher im Museum als in seinem aktuellen Geschäft zu finden wäre.
 
Hinweis auf ein weiteres Blog mit Bezug zur Parka
 
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