Textatelier
BLOG vom: 04.10.2013

PS zum Hinschied des Chronisten Peter Siegrist, Menziken

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
Im Journalismus kann man die älteren Herren gut wiederverwerten, indem man sie Geburtstagsartikel für Betagte und Nekrologe schreiben lässt; sie haben viele Leute gekannt und halten deren Lebensdaten präsent. Mit zunehmendem Alter gerät man selber oft genug in diese Sparte hinein. Besonders, wenn es im Herbst des Lebens Herbst wird und sich die von der Natur bereitgestellten Kräfte für den Winterschlaf zurückziehen, stösst man vermehrt auf Todesanzeigen, welche die Endlichkeit des Lebens ins Bewusstsein rufen. Bei solchen Gelegenheiten tauchen Geschehnisse aus der fernen Vergangenheit auf, ein letztes Aufbäumen von Gemeinsamkeiten, bevor die Gedanken daran ihren vorläufigen Platz im Langzeitgedächtnis finden, das ja, wie man weiss, im Alter seine besten Zeiten hat.
 
Gestern lag oben auf der Post eine aufgefaltete Ausgabe der Aargauer Zeitung AZ vom 03.10.2013, in der sich auf der Seite „Wynental-Suhrental“ in der rechten Spalte ein Gedenkartikel unter dem Titel „Peter Siegrist (PS), Chronist und Publizist (19312013)“ findet. Das PS bedeutet nicht wie üblich Postskriptum = Nachschrift, etwas nachträglich Dazugeschriebenes, obschon auch diese Bedeutung zutreffend wäre. Das „PS“ war in diesem Fall das Kürzel, mit dem Peter Siegrist seine journalistischen Arbeiten kennzeichnete und das im Oberwynental zu einem Markenzeichen geworden war.
 
Peter war in Menziken AG geboren, aufgewachsen und dementsprechend verwurzelt, kannte Land und Leute, und jedermann kannte ihn. Er machte eine Kaufmännische Lehre, bildete sich in Recht und Publizistik weiter, und sein Hauptinteresse war ein lokalhistorisches. Seine Tätigkeit als Publizist und dann als Werbefachmann war immer nach aussen gerichtet, gewissermassen auf das Gemeinwohl. Dabei operierte er nicht im luftleeren Raum, sondern sammelte alte Bilder und Informationen, auch Anekdoten, aus seinem Menziken und Umgebung. Er setzte sich zudem tatkräftig für die Altertümer ein, so etwa für die Erhaltung der alten Sägerei („Sagi“), ebenso für eine alte Seetalbahn-Lokomotive, ein „Krokodil“. Denn die 1992 stillgelegte Bahnlinie führte, von Beinwil am See herkommend, über Reinach auf dem Weg nach Beromünster LU direkt am Einfamilienhaus an der Maihuserstrasse 12 im oberen Teil von Menziken, nur 150 m von der Kantonsgrenze AG/LU entfernt, vorbei. Seine einfühlsame Frau Sonja hielt und hält es nach wie vor in Ordnung. Trotz Peters Extrovertiertheit lebten die beiden in einer ausgesprochen harmonischen Ehe, und Sonja freute sich immer, wenn er nach getanen Arbeiten wieder daheim auftauchte, so unregelmässig das auch sein mochte. Als die Bahnlinie stillgelegt wurde, schaltete Peter als letzte Ehre für diese eine Todesanzeige im WB, makabrer Humor von der aufrüttelnden Art. Das Bahntrassee wurde inzwischen in einen Veloweg umgewandelt.
 
PS war in unzähligen Vereinen und Vereinigungen aktiv vertreten, wirkte als Pressechef oder im Organisationskomitee an vorderster Front mit, wenn immer sich eine bedeutende Veranstaltung abzeichnete. Er war auch eine treibende Kraft bei der Beschriftung der Wanderwege. Und so weiter. Beim Verkehrsverein und der Ortsbürgergemeinde brachte er es zum Ehrenpräsidenten. Laut dem AZ-Bericht bezeichnete ihn Frau Gemeindeammann Annette Heuberger als „wandelndes Archiv“, liess doch sein Gedächtnis nichts zu wünschen übrig.
 
Meine spezielle Beziehung zu Peter Siegrist habe ich aufgrund eines Besuchs bei ihm aus Anlass seines 75. Geburtstags im März 2006 beschrieben: Von P. Siegrist, B. Vonarburg, Feuerbestattung und Engeln. Das Blog bezieht sich auf die schöne Zeit, in der ich beim „Wynentaler-Blatt“ (WB) meine journalistischen Sporen abverdiente und in der wir uns als Konkurrenten und gleichzeitig als Freunde mit gegenseitiger Wertschätzung gegenüberstanden, war doch PS Redaktor am „Echo vom Homberg“, das in Reinach AG erschien.
 
Ich möchte die Eindrücke aus jener Zeit nicht wiederholen, sondern hier einfach festhalten, dass ich mich im Oberwynental geborgen und wohl fühlte, allseits eine freundschaftliche Aufnahme fand. Und wenn immer ich heutzutage wieder einmal auf dem Weg ins Luzernische durchs Seetal, Reinach und Menziken fahre, spüre ich nach wie vor ein Gefühl des Daheimseins. Noch immer erwarte ich irgendwie, ich müsse doch unserem Lokalreporter Theo Grote, dem WB-Verleger Manfred Baumann, dem damaligen Reinacher Gemeindeammann Kurt Heiz oder dem Publizisten Gerhard van den Bergh, der mir eine wichtige Stütze war, irgendwo begegnen. Denn vieles ist im Oberwynental noch wie damals, sogar meine ersten Wohnungen im „Handelshof“ und im Reinacher Hochhaus gibt es noch.
 
Den PS habe ich bei seinem 75. Geburtstag zum letzten Mal gesehen. Wir beide waren inzwischen beschäftigt genug, und es bedarf jeweils eines besonderen Anlasses, bis man sich wieder zu einem Treffen aufrafft. Ein solcher Anlass ergab sich nicht. Aber dem Peter ging es gesundheitlich recht gut, bis dann offenbar ein Defekt an der Herzschlagader diagnostiziert wurde, obschon Peter bis dahin keinerlei Beschwerden hatte. Bei einer Operation am 16.08.2013 wurde ein Stück dieser ausschlaggebenden Ader ersetzt. Der Patient erlitt einen kleinen Hirnschlag, suchte Erholung auf der Heilstätte Barmelweid und erlitt einen 2. Schlag, der ihm am 23.09.2013 das Lebenslicht auslöschte.
 
Peter Siegrist hatte ein erfülltes Leben; viele seiner Werke bewahren sein Andenken. Und Sonja sagte mir heute am Telefon, es sei halt schon eine Lücke vorhanden, besonders, wenn abends niemand mehr heimkomme. Doch das sei der normale Lauf der Dinge; man müsse sich damit abzufinden versuchen. Dass genau das unserer liebenswerten Bekannten gelingen möge, hoffe ich für sie aufrichtig.
 
 
Hinweis auf ein weiteres Blog über Peter Siegrist
12.03.2006: Von P. Siegrist, B. Vonarburg, Feuerbestattung und Engeln
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