Textatelier
BLOG vom: 23.10.2013

Von Muttersprache, Fremdsprachen und Gastsprachen

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Dies vorneweg: Mein Leben in der Schweiz begann mischsprachig, dank meiner Mutter. Sie sprach eine sonderbare Mischung aus dem Schweizer Dialekt und dem Flämischen. Ausser Haus, etwa in Basel, sprach sie am liebsten Französisch. Leute aus dem Elsass bedienten sie in den Läden. Sie plauderte gern mit ihnen. Anfangs sprach ich ein Kauderwelsch im Kindergarten … Erst in der Primarschule lernte ich, zwischen den beiden Dialekten zu unterscheiden. Hinzu kam das Hochdeutsch. Damit war meine sprachliche Vorliebe geschaffen, die ich bis heute bewahrt habe und weiterhin vertiefe.
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Der Engländer beschränkt sich, Ausnahmen vorbehalten, auf die englische Sprache mit ihren regionalen Unterschieden. Die Einwanderer aus Pakistan, Indien und neuerdings aus Osteuropa, besonders aus Polen, werden nach und nach in der 1. Generation zweisprachig. In der 2. Generation trennen sie sich leicht von ihrer Muttersprache. Englisch wird ihre vorherrschende Gastsprache. Schliesslich bürgern sie sich als Briten ein. In England wird jetzt darauf beharrt, dass jeder, der seine Bleibe in England finden will, gute Englischkenntnisse vorweisen kann. Auch wer sich in der Schweiz einbürgern will, muss sich eine unserer Landessprachen aneignen und über den geschichtlichen Hintergrund der Schweiz Bescheid wissen.
 
Gegenwärtig werden englische Kinder aufgefordert, eine Fremdsprache zu erlernen – etwa Chinesisch. Im internationalen Handel und Wandel sind gute Kenntnisse der Fremdsprachen noch immer sehr gefragt. Das Angebot von Fremdsprachenkurse hat sich inzwischen vervielfältigt.
 
Die meisten Kinder in der Schweiz erlernen ihr Schulfranzösisch während rund 4 Jahren und verbessern es oft während eines mindestens einjährigen Aufenthalts im Welschland (Suisse romande). Hinzu kommen später Aufenthalte, etwa als „au pair“ oder „student trainee“ in England. Diese Sprachschulung wurde auch mir zuteil: Den 2 Jahren in der Uhrenmetropole in Le Locle folgten 4 Jahre in London. Nach einer 2-jährigen Rückkehr in die Schweiz (Zürich) zog es mich wieder nach London zurück, wo ich sesshaft geworden bin.
 
Geschäftlich hatte ich viel im restlichen Europa zu tun und verfeinerte mein Französisch und Englisch zu Gastsprachen. Das half mir u. a. beruflich voran. Ich gewann Zugang zur Mentalität und Kultur in diesen Sprachbereichen und dehnte meinen Sprachschatz auch aufs Spanische aus, das mir jedoch eine Fremdsprache geblieben ist, die ich eher radebrechend als fliessend spreche.
 
Mein Schweizer Akzent ist an mir haften geblieben, was ich als „modulierbaren Vorteil“ schätze. In Brüssel arbeitete ich jahrelang eng mit einem Flamen zusammen. Ich konnte das Flämisch verstehen. In Gent (Belgien) hatte ich ausserdem als Jüngling die Gelegenheit gehabt, von meinem Grossvater diesen und jenen Brocken flämisch während kurzer Ferienaufenthalte aufzuschnappen.
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Anekdotisch flechte ich ein, dass ich einer holländischen Firma einst einen Marktforschungsvorschlag unterbreiten musste. Während einer Kaffeepause hörte ich 2 Holländer, die sich über den Inhalt meiner Präsentation ihrer Sprache äusserten. Sie wussten nicht, dass ich ihrem Gespräch rudimentär folgen konnte … Zum Glück fanden sie meinen Vorschlag annehmbar, und ich erhielt den Auftrag.
 
Eher peinlich hingegen war mein Auftritt in einer kantonalen Behörde im Kanton Jura – genauer in Delsberg (Delémont), knapp 40 km von Basel entfernt. Die meisten Zuhörer trugen deutsche Familiennamen. So begann ich meine Anrede keck auf „Baseldytsch“. Die Zuhörer erstarrten, und mir ging auf, dass ich französisch sprechen sollte. Das rettete meinen Tag.
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Sobald man die Nuancen und Eigenarten in fremden Sprachen erkennt und schätzt, gelingt der sprachliche Anschluss. Man bleibt nicht länger bloss ein Tourist. Zu viele Sprachkurse verlocken Lernwillige mit falschen Versprechen: „In 30 Stunden sprechen Sie fliessend die Sprache X oder Y“.
 
Eine Fremdsprache wird nicht in 30 Stunden gemeistert. Dazu braucht es Jahre und sehr viel Praxis. Aber diese Mühe lohnt sich! Dabei werden nationale Dünkel begraben. Ein „Weltbürger“ wird geboren. Sie verstehen Filme in anderen Sprachen, finden sich in fremdsprachigen Zeitungen und, für mich besonders wertvoll, in der Literatur zurecht und lesen sogar Fachbücher, ohne auf Übersetzungen angewiesen zu sein.
 
 
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