Textatelier
BLOG vom: 29.10.2013

Herbst: Farbenpracht, fallende Blätter und die Windböen

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„Der Herbst ist für mich die schönste Jahreszeit. Ein Farbenfest. Es ist jener Abschnitt, der die Kraft aller Jahreszeiten zusammenfasst. Die Natur zeigt uns, was in ihr steckt, was sie wieder vollbracht hat. Es ist die Zeit der Reife, des Erntedanks und auch des Abschieds.
 
Bevor die Novembernebel ihre Schleier übers Land ziehen und die Farbe Grau dominiert, finden noch ausgelassene Tänze statt. Angefeuert von den Winden drehen und wenden sich die scheinbar vom Himmel gefallenen und am Boden vertrockneten Blätter nach ihrer eigenen Choreographie. Und sie rascheln. Das ist ihre dazugehörige Musik. Ich nenne sie chrüüsch.
 
Ich gehe gerne durch die raschelnden Blätterhaufen im Kastanien-Alleeabschnitt meiner Strasse. Ich gehe auch gern noch übers Land, wenn die Sonne tief steht und schöne Schattenbilder in die Landschaft wirft. Ich liebe den Herbst und werde nicht traurig, wenn der November dann das Szepter übernimmt. Spaziergänge im Nebel und ihre Geheimnisse sind auch schön.“
 
Diese schönen Zeilen schrieb mir Rita Lorenzetti auf meine Frage, wie sie den Herbst empfindet. Sie sieht von ihrem Fenster aus eine ganze Hagebuchallee – goldgelb. Es ist ein Traum, wie sie mir berichtete.
 
Für mich ist der Herbst nach dem Frühling die zweitschönste Jahreszeit. Deswegen nur an 2. Stelle, weil ich immer an die Vergänglichkeit der herbstlichen Pracht erinnert werde. Jetzt zieht der November mit seinem tristen Wetter ein. Dann hat bei uns der Nebel Hochkonjunktur. Aber es gibt einen guten Spruch für diese Tage: „Schöne Tage – nicht weinen, dass sie vergangen, - sondern lächeln, dass sie gewesen.“
 
Oder ein indianisches Sprichwort:
 
„Verzweifle niemals.
Die Tage vergehen wie das im Wind fliegende Herbstlaub,
und die Tage kehren wieder mit reinem Himmel und der Pracht der Wälder.
Aufs Neue wird jedes Samenkorn erweckt,
genauso verläuft das Leben.“
 
Heinz Erhardt hatte einen amüsanten Reim zum Herbst: 
„Im Herbst bei kaltem Wetter
Fallen vom Baum die Blätter.
Donnerwetter!
Im Frühjahr dann,
sind sie wieder dran.
Sieh mal an.“ 
Ein bisschen Indian Summer auch bei uns
Von einem Freund erhielt ich eine zauberhafte Präsentation unter dem Titel „Herbst mit schönen Sprüchen“. Darin waren wunderschöne Bilder zum Thema Herbst zu sehen, wie zum Beispiel eine Baumallee, Kürbisarrangement auf einem Feld, rotgefärbte Ahornbäume und ein Bild vom Indian-Summer. Das muss ein Traum sein, in den amerikanisch-kanadischen Grenzgebieten im Herbst zu reisen. Der Indian Summer ist in Neuengland, Maine, New Hampshire und Vermont zu sehen. Dort färben sich die Laubblätter von Ahornbäumen, Birken, Espen in Rot-Orange, Gold-Gelb und Scharlachrot. Die Bilder der Präsentation zeigten mir die schönsten Seiten des Herbstes.
 
Faszinierend finde ich immer die wunderbare herbstliche Färbung des Waldes und diverser Bäume in unseren Gärten. Die Blätter werden gelblich, bräunlich, rotbraun und rot. Besonders schön sind die Blätter, wenn man sie im Gegenlicht betrachtet. Wir erkennen die einzelnen Blattadern und sehen dass nicht immer das ganze Blatt von der herbstlichen Färbung betroffen ist. Vielfach, entlang der Adern, sehen wir noch die grüne Chlorophyllfärbung, oder an anderen Stellen befinden sich noch grüne Farbtupfer.
 
Alle Farbnuancen sahen wir auf einer Wanderung am 24.10.2013 rund um den Bergsee (Bad Säckingen D). Dort war ich so begeistert, dass ich einige Fotos aufnehmen musste. Besonders schön war ein Bild von Wanderfreunden, die auf dem Weg entlang schritten. Die links und rechts stehenden Bäume mit ihren herbstlich verfärbten Blättern waren ein herrliches Farbenmeer mit den wanderfreudigen Burschen unserer Gruppe. Da dachte ich unwillkürlich an den Indian Summer in Kanada und den USA. Aber wir haben auch ein bisschen davon.
 
Starke Windböen
4 Tage später war die ganze Herrlichkeit fast vorbei. Der Herbst zeigte sich von einer ganz anderen Seite. In Schopfheim wehte ein kräftiger Wind. Ab und zu fegte eine Windböe übers Land und erreichte auch unseren Balkon. Der Wäscheständer flog mit einem lauten Krachen um. Vorher hatte Paula noch die Wäsche bei Sonnenschein zum Trocken aufgehängt.
 
Bei einem Einkaufsbummel durch Schopfheim am 28.10.2013 fegte der Wind durch die Strassen, ab und zu fielen einige Regentropfen. Zum Glück musste man keinen Schirm aufspannen; denn sonst wären wir davongeflogen. Spass beiseite, der Wind war bei einer Temperatur um 22 °C angenehm erfrischend. Gelegentlich flog uns ein Blatt um die Ohren. An den Bäumen hingen nur noch traurige Reste von Blättern. Die anderen bedeckten den Boden. Deshalb gibt es für die Stadtreinigung und auch im Privatbereich viel Arbeit, um die Blätter zusammenzufegen und zu entsorgen. Der für Ordnung sorgende Deutsche wird das schon schaffen.
 
Wie entsteht die Laubfärbung?
Ein neugieriger Bekannter wollte wissen, wie die Laubfärbung entsteht. Nun, da konnte ich ihm die passende Antwort geben, da ich schon früher in einer Ausgabe der „Chrüteregge“ das Thema behandelt habe.
 
Die bei der Laubfärbung zutage tretenden prächtigen Farben werden durch den Grad des Chlorophyllabbaus, durch Neubildung von Karotinoiden, Anthocyanen, Flavonoiden usw. verursacht. Den Vorgang des Verschwindens der grünen Farbe und das Hervortreten gelber Farbstoffe bezeichnet man als „Vergilbung“. Dieser Prozess wird besonders durch die Dauer der abnehmenden Sonnenscheineinstrahlung und Temperatur beeinflusst.
 
Eine entscheidende Rolle spielt auch das Alter eines Blatts. Je älter ein Blatt ist, desto schneller vergilbt es im Herbst. Zunächst sind die unteren Blätter eines Zweiges, dann die mittleren und erst am Schluss die jüngeren Blätter an der Spitze betroffen. Auch Bäume, die im Frühjahr sehr früh „austreiben“, verlieren ihre Blätter im Herbst auch zeitiger.
 
Warum werfen Bäume ihre Blätter ab?
Erstaunlich ist, dass die Pflanzen zwischen 40 und 50 verschiedenartige Substanzen produzieren und verströmen. Ein gasförmiger Stoff ist das Ethylen, der den Blattfall steuert. Insgesamt geben alle Pflanzen dieser Welt 70 Millionen Tonnen Ethylen in die Atmosphäre ab.
 
Die Pflanzen schützen sich durch den Blattfall vor Kälte, weil sie im Winter das Laub über die Wurzeln nicht mehr mit ausreichend Wasser aus dem gefrorenen Boden versorgen können. Die Pflanze macht das sehr „intelligent“. Sie produziert nicht nur Ethylen, sondern Enzyme, die die Zellwände an den Ansatzstellen der Blattstiele auflösen. Dann genügt schon der kleinste Windstoss, und die Blätter schweben zu Boden.
 
Wie kam man auf das Ethylen als Initiator des Blattfalls? Im 19. Jahrhundert beobachtete man in der Nähe von Gaslaternen einen frühzeitigen Blattfall. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts untersuchten Forscher das Leuchtgas und stellten einen erheblichen Anteil an Ethylen fest. Sie brachten dann heraus, dass dieses Gas für den Blattfall verantwortlich ist. Das „Reifegas“ nutzt der Handel. Unreife Früchte werden bei der Lagerung durch Begasung mit Ethylen reif (Quelle: „Die twitternde Eiche“).
 
Wir hoffen alle, dass im Herbst sich keine Melancholie einstellt. Denken wir daran, dass laut einem Sprichwort der Herbst der Frühling des Winters ist.
 
Internet
 
Literatur
Hiemann, Yvonne: „Warum sich im Herbst die Blätter färben“, „Natürlich“, 1993-06.
Scholz, Heinz: „Erlebte Natur: Pflanzenfarbstoffe“, Chrüteregge“, Serie ab 1980.
Von der Weiden, Silvia: „Die twitternde Eiche“, „Die Welt“ vom 13.09.2011
 
Hinweis auf weitere Blogs über den Herbst
16.10.2012: Herbst-Astern: das Scheiden und der Gruss „Ruhe sanft"
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