Textatelier
BLOG vom: 08.12.2013

Keimlinge: Das knackige Kraftfutter für die Wintermonate

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
James A. Duke schrieb das Buch „Heilende Nahrungsmittel“. In diesem Werk behauptet er, man könne Erkrankungen mit Gemüse, Kräutern und Samen „weg-essen“. Er hatte auch einen bemerkenswerten Spruch auf Lager, der in seiner grammatischen Unvollständigkeit wie eine Widmung tönt: „Den wahren Forschern dieser Welt, die gewissenhaft die nötigen Studien unternehmen, damit wir Autoren sie begierig verdauen und wiederkäuen können.“ Der Autor kennt wohl nicht die Blogger, die nicht alles für bare Münze nehmen.
 
Das neueste Beispiel aus der „Wunderküche“ der US-Forscher: Rolf P. Hess, der immer wieder US-Studien liest und kommentiert, schrieb mir in einer E-Mail vom 01.12.2013, er habe einen Bericht gelesen, der überzeugend beschreibe, wie gesund und wie stark krebsverhütend Keimlinge (Sprossen-Gemüse) seien. Diese sollen 10 bis 30 Mal die Wirkung von Bio-Gemüse haben.
 
Solche Berichte muss man sehr kritisch sehen. Die Quantifizierungen sind immer problematisch bzw. zu pauschal. Man kann eben nicht behaupten, dass dieser oder jener Keimling 30 Mal gesünder sei als ausgewachsenes Gemüse. Das ist Unsinn.
 
Wie gesund sind eigentlich Keimlinge? Sie sind sehr gesund, aber nicht gesünder als heimisches Wintergemüse. Sie sind eine wertvolle Ergänzung in den Wintermonaten, wo eben nicht soviel frisches einheimisches Gemüse zur Verfügung steht. Oft werden Produkte aus dem Ausland und aus Treibhäusern angeboten. Mit den Sprossen haben wir immer ein frisches, knackiges und hochwertiges Lebensmittel zur Verfügung.
 
Die Keimlinge enthalten in einer einzigartigen Kombination Vitamine, Mineralstoffe (Mengen- und Spurenelemente), Ballaststoffe, Proteine und Enzyme. Beim Keimvorgang nimmt der Gehalt an Vitaminen zu. Wertmindernde Inhaltsstoffe werden zum Teil abgebaut. Wer oft mit einem Blähbauch zu tun hat, wird sich freuen: Beim Keimvorgang von Samen der Hülsenfrüchte vermindern sich die blähenden Kohlenhydrate um 80 %. Wer auf Kalorien achten muss, wird auch dies positiv zur Kenntnis nehmen: Die Energiedichte der Keimlinge ist auf Grund der Wasseraufnahme geringer als in den Samen.
 
In manchen Hülsenfrüchten sind auch Trypsininhibitoren und Hämaglutinine enthalten. Sprossenliebhaber sollten die Keimlinge von Sojabohnen, Kichererbsen und Erbsen, in denen diese Stoffe vorkommen, vor dem Verzehr blanchieren. Die anderen Keimlinge können unbedenklich roh gegessen werden. Geschwächte Personen, kleine Kinder und Menschen mit einem angeschlagenen Immunsystem sollten alle Keimlinge vor dem Verzehr als Rohkost blanchieren. Wer diese knackigen Lebensmittel einfrieren möchte, sollte die Keimlinge vorher ebenfalls blanchieren.
 
Fertige Keimlinge kann man im Supermarkt kaufen, um damit chinesische Gerichte herzustellen. Im Angebot sind beispielsweise Sojabohnenkeimlinge und Mungobohnenkeimlinge in Gläsern und verschiedene Keimlinge in Fertigpackungen in den Kühlregalen.
 
Übrigens verwenden die Chinesen schon seit 3000 Jahren Keimlinge für ihre Speisen. Die knackig-gesunden Keimlinge erfreuen sich auch bei uns immer grösserer Beliebtheit. Sogar in der einheimischen Gastronomie kommen die Keimlinge meist als Salatzusatz zur Anwendung.
 
Anmerkung: Für den Keimvorgang sind Wasser, Wärme, Sauerstoff und je nach Pflanzenart auch Licht notwendig. Beim Durchbrechen der Samenschale entstehen Jungpflanzen. Diese bezeichnet man als Keimlinge (bestehen aus Keimwurzel und Keimspross). Die Keimlinge aus Getreidearten bestehen dagegen aus Keimwurzel und Keimblattscheide.
 
Laut aid ist die Bezeichnung „Sprossen“ weder botanisch noch sprachlich korrekt. Deshalb verwende ich den Begriff „Keimling“.
 
Achtung beim Samenkauf!
Wir produzieren schon seit einigen Jahren mit Erfolg Keimlinge mit einem bioSnacky®-Keimgerät von Bioforce. Die Firma liefert noch andere Keimgeräte (www.biosnacky.de).
 
Was muss man beim Samenkauf beachten? Die Samen sollten aus kontrolliert biologischem Anbau stammen, nicht behandelt, frei von Zusatzstoffen und frei von Gentechnik sein. Die Samen von Bioforce werden nach strengen Richtlinien kontrolliert und vor dem Abfüllen auf ihre Keimfähigkeit überprüft. Wir haben noch nie erlebt, dass solche Samen nicht auskeimten.
 
Die folgenden Samensorten eignen sich zum Auskeimen: Getreidekörner (Weizen, Gerste, Roggen, Hafer), Hülsenfrüchte (Bockshornklee, Linsen, Mungobohnen, Kichererbsen, Erbsen, Alfalfa = Luzerne) sowie Lein, Senf, Radieschen, Quinoa, Rettich, Kresse, Buchweizen. Im Handel sind auch verschiedene Mischungen zu bekommen.
 
Kaufen Sie keine Billigsamen, da diese meistens „gebeizt“ und chemisch behandelt wurden, um eine höhere Ernteausbeute zu erzielen.
 
So keimen die Samen aus
Einige Dinge muss man beachten, um eine gute Ausbeute der Keimlinge zu erreichen. Ich ging bei meinen Keimversuchen beim Radieschensamen so vor:
 
Wenn man 1 Tasse Keimlinge haben möchte, nimmt man 1 ½ Esslöffel Samen. Die Samen und das Keimglas mit Siebeinsatz werden gründlich mit fliessendem kaltem Wasser gespült. Wichtig ist auch, dass man die Samen nicht mit den Händen berührt. Es könnte sonst eine Verkeimung eintreten.
 
Die Samenmenge wird dann ins Keimglas (Startergerät) eingefüllt, mit Wasser bedeckt und der Siebaufsatz aufgesetzt und festgeschraubt. Bei Radieschensamen ist eine Einweichzeit von 12 Stunden vorgesehen. Zum Spülen das Glas mit frischem kaltem Wasser füllen und gleich wieder abgiessen (2 Mal am Tag spülen). Nach dem Spülvorgang das Gerät mit dem Siebeinsatz schräg nach unten stellen, damit das noch vorhandene Restwasser ablaufen kann. Nach 4 bis 5 Tagen können die Keime geerntet werden. Die Keimtabelle ist auf jeder Packung angegeben.
 
Die Kresse eignet sich für die Aufzucht im Keimglas nicht. Deshalb sollte man andere Keimgeräte verwenden.
 
Weitere wichtige Hinweise: Keine alten Samen verwenden (Haltbarkeitsdatum beachten!). Samen sollten trocken sein. Das Keimgefäss mit den Samen nicht dem direkten Sonnenlicht aussetzen. Bevorzugt wird ein heller Platz bei einer Temperatur von 18−22 °C. Nicht zu viel Wasser verwenden, Gerätschaften sollen hygienisch sauber sein. Schleimbildende Samen (Kresse, Alfalfa) nur einmal kurz wässern und schliessend nur noch mit einem Wassersprüher bei Bedarf benetzen. Eine mögliche Schimmelbildung lässt sich vermeiden, wenn man anderen Samen etwas Rettich- oder Radieschensamen zusetzt.
 
Vielseitig verwendbar
Die Sprossenkeimlinge sind vielseitig in der Küche verwendbar. Die Sprossen eignen sich für knackige Salate, in Olivenöl gedünstete Aufläufe, Bruschettas, Pfannkuchen, Omeletts, Bratlinge, Suppen, Dips, für Nudel-, Reis-, Gemüse, Fisch- und Fleischgerichte. Eine einfache Köstlichkeit ist ein Butterbrot mit einer Auflage von Keimlingen.
 
Hier sind 2 Rezepte von Bioforce (jeweils für 2 Personen):
 
Sprossen-Salat-Symphonie
Zutaten: 3 EL Samen auskeimen lassen, 1 Salat der Saison waschen und in mundgerechte Stücke teilen,1 Orange oder Mandarine schälen und in 2‒3 cm lange Stücke schneiden, 1 Kiwi in Scheiben, 1 Zwiebel in dünne Ringe schneiden.
 
Ausführung: Alle Zutaten mit 2 Tassen verschiedene Keimlinge in eine grosse Salatschüssel geben und gut mischen. Aus 3 EL kalt gepresstem Sonnenblumenöl, 2 EL Orangensaft. Kräutersalz (Herbamare®-Frischkräuter-Meersalz) und Pfeffer hinzufügen, ebenfalls grründlich mischen und über den Salat geben.
 
Sprossen-Quark-Dip
Zutaten: Aus 3 EL Radieschensamen Keime heranziehen, 250 g Quark, 1 EL kaltgepresstes Pflanzenöl, 125 g Naturjoghurt, 1‒2 zerdrückte Knoblauchzehen.
 
Ausführung: Alles zusammenmischen und 1 Tasse kleingeschnittene Radieschensprossen hinzufügen. Das Ganze mit Herbamare, Curry und Paprika abschmecken.
 
Dieser Dip schmeckt hervorragend zu Getreidebratlingen, Rösti und Pellkartoffeln.
 
So bleibt nur noch, allerseits einen guten Appetit zu wünschen!
 
Internet
 
Literatur
Aid (Informationsdienst für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten), „Keimlinge“, Bonn 2000.
Buhmann, Carine: „Beiss nicht gleich in jeden Apfel“, AT Verlag, Aarau 1993.
Vogel, A.: „bio Snacky – Das kleine Buch der Sprossen und Keime“, Bioforce, Roggwil (vergriffen).
 
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