Textatelier
BLOG vom: 09.12.2013

Auf Einfälle warten: Wie dumm ist der Dumme August?

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Die blanke Seite meines Microsoft-Word-Programms ist aufgeschaltet. Ich warte auf einen Schreibeinfall. Wird er mich aufsuchen?
*
 
Da erscheint mir ein junger Mann vor den Augen, und ich erkenne mich wieder. Nicht über ihn will ich berichten. Dieser Jüngling hat eine andere Lebensfährte als ich eingeschlagen. Er stammt aus Turin (Italien) und wuchs in einer begüterten Familie auf. Als Historiker ausgebildet, war er geistig im Mittelalter beheimatet. Er war als Gastdozent beliebt und konnte sein Thema anregend vortragen und bildhaft veranschaulichen.
 
Aber er war auf seiner Lebensbahn ein unruhiger Geist und hasste Wiederholungen. Abermals wechselte er sein Domizil und wollte nirgends sesshaft werden. Seinem zigeunerhaften Drang nachgebend, schloss er sich einem Zirkus an und wurde zum Clown. Das gab ihm abwechslungsreichen Spielraum, womit er das das Publikum als Dummer August ergötzte.
 
Woher stammte Augusts Inspiration? Dick und Doof (Stan Laurel und Oliver Hardy), Charlie Chaplin und weitere Hofnarren hatten es ihm als Vorbilder angetan. Er mischte und spielte den Dummen August in abwechselnder Folge im Freilauf seiner Fantasie. Alles, was er in diesen Rollen anpackte, ging schief. Die Zuschauer krümmten sich in Lachanfällen. Augusts Erfolg war durchschlagend. Er verliess den Zirkus und trat als unabhängiger Komödiant in kleinen und grösseren Kabaretts auf. Er konnte sich in mehreren Sprachen fliessend ausdrücken.
*
 
Ich wohnte einem seiner Auftritten bei. August tanzte, wankte und stolperte auf der Bühne in allen Gangarten. Immer wieder gerieten ihm seine Füsse in die Quere. Einmal wollte er eine Glühbirne auswechseln und bestieg umständlich den wackeligen Stuhl. Er musste sich hochrecken, um das Kabel mit der ausgebrannten Birne zu erreichen, denn es galt, zuerst die alte Birne aus der Fassung zu schrauben. Das konnte er nur mit beiden Händen bewerkstelligen. So schob er die Ersatzbirne in den Mund. Hell leuchtete die Birne in seinem Mund auf. Sie blendete ihn, und er spukte die Birne aus dem Maul und rieb beidhändig seine Augen. Dabei verlor sein Gleichgewicht auf dem Stuhl und landete auf der Birne, die zerbarst.
 
„Bruna“, rief er, „bringe mir eine neue Birne!“
 
Seine Frau kam und reichte ihm die Birne und ermahnte ihn: „Das ist die letzte, die wir haben“.
 
„Du blutest ja …“, bemerkte Bruna.
 
„Das kann doch nicht wahr sein“, sagte er. „Wo denn?“
 
„Aus deinem Arsch“, antwortete Bruna.
 
August musste den Hosenbund lösen und die Hose herum zerren. Erst jetzt sah er die rot verfärbte Hinterseite seiner Hose. „Ja, das stimmt“, gab er baff zu.
 
„Warte, ich hole ein Pflaster, aber zuerst muss die Wunde desinfiziert werden“, riet Bruna. Hurtig holte sie die Taschenapotheke und rieb Alkohol über seine Wunde.
 
„Ei! Das brennt!“ schnaubte August. Der Anblick seines Hintern blieb dem Publikum erspart. „Aber kleb’ mir das Arschloch nicht zu!“
 
Tapfer machte sich August nachher wieder an seine Aufgabe und steckte diesmal die Birne vorsichtshalber in seine Hosentasche. Die Wunderbirne leuchtete in der Hose auf, als er noch linkischer als zuvor den Wackelstuhl bestieg. Endlich hatte er die Birne im Griff. Sie klemmte fest in der Fassung. Darüber verlor August seine Fassung.
 
„Aha!“, bemerkte er endlich seinen Fehler. Als Linkshänder hatte er die ausgebrannte Birne in der falschen Richtung gedreht. „Autsch!“ Die Glühbirne in der Hosentasche sengte ihn. Er murkste weiter, bis er die Glut in seiner Hose nicht länger aushalten konnte. Verbissen riss er am Kabel, das nachgab und sich vom Plafond löste. Zum 2. Mal stürze er vom Stuhl. Kabel belieben, sich zu verwickeln. Das weiss jedermann. August strampelte hilflos, wie ein Maikäfer auf dem Rücken, vom Kabel mehr und mehr umwickelt und gefesselt. Die letzte Birne war zersplittert. Bruna kam mit der Schere, durchschnitt das Kabel und strich Salbe über seine Brandwunde.
*
Wer sich ins Geschirr legt, liegt bald in Scherben.
 
Kinderleicht. Wie vergesslich Erwachsene sind!
 
Tröste dich: Solange dein Leid jemandem Freude bereitet,
ist es nicht umsonst.
 
Manchmal genügt es, etwas Dummes klug zu tun.
 
Er kreierte und kriegte einen Einfall, der ihn kreierte.
 
Der Dumme August hält uns den Spiegel der Tücken vor die Augen.
 
 
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