Textatelier
BLOG vom: 11.03.2014

Pumpspeicherwerke: Wasserkreislauf als ein Auf und Ab

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
Wegen des unregelmässigen Energieanfalls aus Solar- und Windkraftwerken erhalten die Pumpspeicherkraftwerke eine wachsende Bedeutung. Da man überschüssige, d. h. zur falschen Zeit anfallende Elektrizität nicht einfach in grossen Behältern sammeln und bei Bedarf abrufen kann, sind Energietechniker schon längst auf die Lösung verfallen, sie zum Hinaufpumpen von Wasser in höher gelegene Sammelbecken zu nutzen und dann, bei Bedarf, daraus ein gewöhnliches Wasserkraftwerk zu betreiben. Eine weitere Lösung wäre die Förderung von Elektrospeicheröfen, die man ja zu beliebigen, passenden Zeitpunkten aufladen kann. Doch bei der momentanen heillosen energiepolitischen Verwirrung wird diese Form der Heizung in der Schweiz amtlicherseits eher bekämpft ... Auch Boiler sind im Prinzip Energiespeicher.
 
Pumpspeicherwerke müssen reversibel betrieben werden können: als Wasserpumpen einer- und als Stromerzeugungsanlagen anderseits. Bei einem Besuch in den Grimsel-Kavernen habe ich gesehen, dass man dazu die gleichen Generatoren verwendet; man kann sie einfach auf die entsprechende Betriebsart umstellen. Turbine, Generator und Pumpe sind auf ein und derselben Welle als Einheit montiert. Natürlich leidet durch das Auf und Ab des Wassers der Wirkungsgrad; aber mit 75‒80 % (oder auch etwas mehr) ist dieser noch immer erstaunlich hoch.
 
Pumpspeicherwerke gibt es in zahlreichen Ländern; sie sind also keine Schweizer Spezialität. Und die Schweiz ist diesbezüglich auch keine Rekordhalterin, obschon hier die meisten alpinen Wasserkraftwerke als Pumpspeicherwerke ausgelegt sind. Dass in Deutschland etwa 4 Mal mehr Strom als in der Schweiz aus Pumpspeicherwerken gewonnen wird, ist mir erst am 05.03.2014 bei einer Fahrt durchs Wehratal oberhalb von Wehr D im südlichen Schwarzwald bewusst geworden, wo seit 1929 das Schluchseewerk seine Anlagen betreibt. Wer Wehr auf der neuen Wehratalstrasse in Richtung Todtmoos verlässt, sieht nach etwa 3 km linkerhand einen grösseren Stausee, der Anfang März 2014 allerdings einen tiefen Wasserspiegel hatte. Es gab ja nicht viel Schnee, der zu schmelzen war.
 
Der Wehraspeichersee gehört zur Hornbergstufe Wehr der Werksgruppe Hotzenwald, wie eine Informationstafel neben der am Strassenrand bei der Wehrasperre zu berichten weiss. Unterhalb von der Mauer befindet sich talabwärts noch eine Kleinwasserkraftanlage.
 
Die Hornbergstufe mit dem ganz oben gelegenen, ovalen Hornbergbecken ist das pure Gegenteil eines Hornberger Schiessens; das Werk, 1968 bis 1976 erbaut, hat mit einem guten Resultat geendet (im Gegensatz zum mit grossem Getöse einst angekündigten Hornberger Schiessen, aus dem nichts wurde). Die Hornbergstufe nutzt im teils felsigen und steilen Gebiet den Höhenunterschied von rund 630 m zwischen der Kuppe des Langecks beim Ortsteil Hornberg der Gemeinde Herrischried und dem erwähnten Wehrabecken oberhalb der Stadt Wehr, in deren Zentrum dekorative Wasserräder aus Aluminium an die Bedeutung der Energie erinnern.
 
Die Maschinenhalle des Kraftwerks, in der 4 Maschinensätze arbeiten, befindet sich in einem künstlich angelegten Felshohlraum. Über einen 1.3 km langen Zufahrtsstollen ist die 39 m hohe und 219 m lange Kaverne zu erreichen. Über einen mit Stahlrohen ausgekleideten Druckschacht fliesst das Wasser beim Turbinenbetrieb vom Hombergbecken (nicht: Hornbergbecken) zu den Francis-Turbinen in der Kaverne und dann zum Wehrabecken. Beim Pumpbetrieb wird das Wasser aus dem Wehrabecken auf 419 m ü. M. zurück ins Hombergbecken befördert.
 
Gemeindeangestellte, welche im Dorf Öflingen (gehört zu Wehr) der Umgebung der Schulanlage den Frühlingsputz verpassten und die ich auf Pumpspeicherwerke ansprach, erzählten mir, dass rechtsufrig von der Wehra auf dem bewaldeten Hügel seinerzeit die Firma Brennet GmbH & Co. KG, im Dreikaiserjahr 1888 entstanden, früher ein Pumpspeicherwerk betrieben habe. Das hoch gelegene Auffangbecken habe sich im Wald befunden, und davon sei nichts mehr zu sehen. Die ehemals mechanische Buntwerberei, die sich dann alle Sparten einer Textilfabrik angliederte, hochwertige Hemdenstoffe und Seidenstickereien herstellte, musste ihren Betrieb Ende 2012 schliessen, das übliche Schicksal der Textilindustrie in Zentraleuropa.
 
Der Bannwald in der Schlucht
Die Reise auf der Strasse durch den anschliessenden Schluchtteil führt durch einen nur schwach verfichteten Bannwald, der von försterlichen Eingriffen verschont bleibt und langsam seine Natürlichkeit zurückgewinnen darf – Richtung Urwald, ein Freilandlaboratorium, das keine Kosten verursacht. An den steilen, stark bemoosten Hängen liegen Baumstämme kreuz und quer zwischen stehenden Bäumen und Sträuchern und bilden beim Zerfall die Lebensgrundlage für zahlreiche Lebewesen. Die Felsentürme neben der zweispurigen Strasse sind von Algen und Moosen teilweise ins Grünliche umgefärbt. Diese Schlucht zähle zu den „interessantesten Naturlandschaften Südbadens“, heisst es an einem Orientierungspunkt des hier vorbei führenden Erlebnispfads.
 
Bei all der Regulationswut wächst das Verlangen nach Ursprünglichkeit, nach Gebieten, die der Mensch nicht nach seinen kurzsichtigen Bedürfnissen umgestaltet hat.
 
 
Hinweis auf weitere Blogs über Pumpspeicherwerke
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