Textatelier
BLOG vom: 20.11.2014

Styropor-Hausverpackung: D-Umweltministerin hat keine

Autor: Martin Eitel, Wissenschaftspublizist, Berlin
 
Viele Hauseigentümer liessen in den letzten Jahren ihre Altbauten mit Styropor einpacken, weil sie der Werbung der Hausverpackungsindustrie vertraut haben. Sie hat ihnen unter tatkräftiger Mitwirkung von seriös wirkenden geschäftstüchtigen Leuten wie dem früheren ARD-Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert die Kunststoff-Hausverpackungen aufzuschwatzen versucht. Sie haben sich nach der Modernisierung ihrer Hausfassade gewundert, dass die versprochenen Einsparungen beim Heizmaterialverbrauch nicht eingetreten sind.
 
Nach den Untersuchungen einer am 17.11.2014 um 20.15 Uhr gesendeten Dokumentation des Journalisten Dieter Könnes ist die Verfehlung der versprochenen Einsparungen nicht wirklich überraschend. Im Rahmen der Arbeiten an der Dokumentation liess der Sender verschiedene auf dem deutschen Markt verkaufte Hausverpackungen bzw. Dämmplatten aus Styropor von 2 unabhängigen Untersuchungsstellen daraufhin prüfen, ob die Platten die versprochene Dämmwirkung erreichen oder nicht. Das Ergebnis der Untersuchungen war ernüchternd. Zirka 40 % der geprüften Styropor-Platten erreichten nicht die zugesicherte Wärmedämmwirkung, oder anders ausgedrückt: Viele Hauseigentümer wurden mit falschen Angaben über die Wärmedämmwirkung betrogen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang und soll daher dahingestellt bleiben, ob dieses Ergebnis auf minderwertigem Material oder falschen Versprechungen beruht. Entscheidend ist allein die Verfehlung der zugesicherten Dämmwirkung, wodurch sich der betroffene Hauseigentümer zu recht über den Tisch gezogen oder vielleicht eher sogar betrogen fühlen könnte.
 
Im Übrigen hat die Dokumentation vom 17.11.2014 noch folgenden sehr interessanten Aspekt ergeben. Der Journalist Dieter Könnes hat die in Deutschland für das Ressort Umwelt zuständige Ministerin Barbara Hendricks (SPD) interviewt, die offensichtlich selbst Eigentümerin eines nicht ganz neuen Einfamilienhauses ist, und sie danach gefragt, welche Massnahmen zur Energieeinsparung sie selbst daran vornehmen liess. Wie die Ministerin in dem Interview angegeben hat, hat sie selbst (nur) eine Dämmung der Kellerdecke und der obersten Geschossdecke bzw. des Dachs und eine Modernisierung der Heizungsanlage vornehmen lassen. Der Hauseigentümer, dem ein Unternehmen eine Styroporvollverpackung für sein Haus andrehen will, sollte sich genau überlegen, warum wohl eine deutsche Ministerin mit ihrem nicht gerade bescheidenen Einkommen entgegen der Propaganda vieler Politiker für Wärmedämmungsmassnahmen eine solche in der Regel kostenintensive Hausverpackung am eigenen Haus nicht hat durchführen lassen. Für ihr eigenes Haus ist die Ministerin trotz der politischen Propaganda offensichtlich zu dem Rechenergebnis gelangt, dass die Hausverpackung wirtschaftlich völliger Unsinn ist.
 
Diese von der Umweltministerin Hendricks an ihrem eigenen Haus vorgenommenen Massnahmen, nämlich eine Modernisierung einer alten Heizungsanlage, die Dämmung der Kellerdecke und die Dämmung der obersten Geschossdecke oder des Dachs, wenn das Dachgeschoss bewohnt ist, sind diejenigen Massnahmen, die auch seriöse Energieberater den Eigentümern älterer Häuser vorschlagen. Denn diese Massnahmen sind diejenigen, bei denen Aufwand und Energiesparmöglichkeiten in einem vernünftigen Verhältnis stehen.
 
Wie bereits frühere Dokumentationen ergeben hatten, sind solche Styroporverpackungen für Bauwerke unter Brandschutzgesichtspunkten nicht ungefährlich. Dies hat insbesondere ein Interview mit dem Brandschutz-Experten Albrecht Broemme vom Technischen Hilfswerk in Deutschland ans Tageslicht gebracht, der früher bei der Berliner Feuerwehr tätig war.
 
Wie die Sendung vom 17.11.2014 ebenfalls ans Tageslicht gebracht hat, ermittelt inzwischen das Bundeskartellamt in Deutschland gegen mehrere Hersteller solcher Hausverpackungen aus Styropor wegen des Verdachts, dass diese Hersteller ein verbotenes Kartell mit Preis- und Kundenschutzabsprachen betreiben oder betrieben haben. Solche Kartelle führen in der Regel zu überhöhten Preisen für die Kunden. Viele Kunden, die sich eine Fassadendämmung anbauen liessen, haben daher, wenn sich das Kartell bewahrheiten sollte, wohl erheblich zu viel für die Styroporverpackung ihres Hauses bezahlt, welche zudem die versprochene Dämmwirkung nicht erreichte.
 
Interessenten, die in Erwägung ziehen, ihren Altbau nachträglich mit einer Wärmedämmung nachzurüsten, ist daher dringend anzuraten, dass sie, gegebenenfalls zusammen mit dem für sie tätigen Architekten, dafür Sorge tragen, dass ihnen vor Inangriffnahme einer solchen Nachrüstung mit einer Wärmedämmung aus Styropor nicht nur ein Zertifikat des Herstellers mit der angeblichen Dämmwirkung vorgelegt wird, sondern dass sie sich ausdrücklich und rechtsverbindlich zusichern lassen, und zwar schriftlich, dass der an ihrer Fassade angebrachte Dämmstoff den versprochenen Dämmwert (U-Wert) auch tatsächlich erreicht. Im Übrigen sollte der Interessent versuchen, den Preis für das Dämm-Material zu drücken, nachdem der Kartellverdacht besteht. Bei grösseren und daher kostenintensiven Baumassnahmen könnte es im Einzelfall unter Umständen auch sinnvoll sein, den auf die Baustelle gelieferten Dämmstoff stichprobenartig vor der Montage von einem Labor daraufhin untersuchen zu lassen, ob er die zugesicherte Dämmwirkung erreicht oder nicht, und die Abnahme des Dämmstoffs zu verweigern, falls die zugesicherte Dämmwirkung nicht erreicht wird.
 
Der Bürger, dem Unternehmen eine Sanierung in Form einer Hausverpackung aus Styropor andrehen wollen, sollte sich ein Beispiel an der in Deutschland für den Umweltbereich zuständigen Ministerin nehmen und wirklich nur sinnvolle Massnahmen durchführen lassen. Eine Styroporvollverpackung gehört in den seltensten Fällen dazu. Wenn der Hauseigentümer trotz allem eine Styroporverpackung seines Hauses überhaupt in Erwägung ziehen sollte, sollte er ihm unterbreitete Angebote für eine Styroporverpackung einer äusserst kritischen Überprüfung unterziehen. Einerseits ist die Aussenfassade, die bei solchen Massnahmen eingepackt wird, nur ein recht bescheidener Teil der Gebäudehülle, durch die Wärme entweichen kann, nämlich je nach Bauausführung 15 bis 25 %. Wenn der Hausverpackungsverkäufer dem potenziellen Kunden durch die Fassadendämmung z. B. eine Einsparung von 50 % verspricht, ist das also in Wahrheit die Hälfte von den 15 bis 25 %, die durch die Fassade verloren gehen, also real nur 7.5 bis 12.5 % der gesamten Heizkosten. Pro Quadratmeter (qm) Aussenwand fallen für eine solche Styroporverpackung eines Hauses zirka 150 EUR an, wobei für ein kleines Reihenmittelhaus etwa 100 qm zu verpackende Fassade und für ein kleineres freistehendes Einfamilienhaus rund 150 qm zu verpackende Fassade zugrunde gelegt werden. Um möglicherweise eine solche bescheidene Einsparung von 7.5 bis 12.5 % der Heizkosten zu erreichen, muss der Hauseigentümer also erhebliche Investitionen vornehmen, beim Beispiel des kleinen Reihenmittelhauses mindestens 15 000 EUR und beim beispielhaft gewählten freistehenden Einfamilienhaus mindestens 22 500 EUR. Bei grösseren Häusern ist der Aufwand natürlich entsprechend deutlich höher. Die restlichen 75 bis 85 % der entweichenden Wärme gehen über den Dachboden, den Keller, die Fenster und die Lüftung verloren und lassen sich durch eine Fassadenverpackung nicht verringern. Daraus wird ersichtlich, dass sich eine solche Fassadendämmung nur selten für den Hauseigentümer, immer aber für den Unternehmer rechnet, der dem Hauseigentümer die Styroporverpackung andreht.
 
Damit erklärt sich auch, warum die deutsche Umweltministerin Hendricks trotz ihrer durchaus nicht schlechten Einkommensverhältnisse mit monatlich 14 293 EUR brutto, die ihr eine Vollwärmedämmung finanziell durchaus erlauben würden, neben der älteren Heizung nur die Kellerdecke und die oberste Geschossdecke bzw. das Dach, aber nicht die Aussenfassade dämmen liess. Sie ist nicht so blöd, dass sie auf den Unfug hereinfällt, den die politische Propaganda und die Märchen der Dämmstoff-Industrie verbreiten, um dem obrigkeitshörigen Bürger eine Styroporverpackung für sein Haus anzudrehen.
 
Zum anderen erreicht die Dämmwirkung der Styroporverpackung häufig nicht die zugesicherten Werte, so dass sich die Styroporverpackung, wie unabhängige Experten ausgerechnet haben, häufig erst nach etwa 50 Jahren amortisiert, vorausgesetzt, die Fassade hat nicht inzwischen, was häufig vorkommt, Schäden wie Spechtlöcher oder Durchfeuchtung erlitten, die aufwändig saniert werden müssen und ein Erreichen der Gewinnzone für den Hauseigentümer in die weite Ferne rücken.
 
 
Quellenangaben
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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