Textatelier
BLOG vom: 24.11.2014

Die Gefährdung des Demonstrationsrechts durch Missbrauch

Autor: Walter Hess, Publizist (Textatelier.com), Biberstein AG/CH
 
 
Daran gibt es nichts zu deuteln: Das Demonstrationsrecht ist eine grossartige demokratische Errungenschaft, ein Grundrecht, ob es nun verfassungsrechtlich ausdrücklich verankert ist oder nicht. Es wird umso wichtiger, je weiter sich ein Land von der direkten Demokratie (mit der entsprechend grossen Möglichkeit zur Einflussnahme) entfernt. Aufgeklärte Menschen müssen eine Möglichkeit haben, ihre Meinung kundzutun, woraus sich ergibt, dass das Demonstrationsrecht mit der Meinungsfreiheit eng verbunden ist.
 
Die Beschränkung der Meinungsfreiheit, die auch eine Meinungsäusserungsfreiheit ist, wird oft versucht und vollzogen, so etwa in Bezug auf kritische Äusserungen gegen Israel und das Judentum, früher auch auf religiöse Aspekte; man sprach dann etwa von der „Verletzung religiöser Gefühle". Der Umstand, dass Religionen auch die Verletzung von Gefühlen der religiös Ungebundenen verletzen können, blieb auf der Strecke; von Abtrünnigen erwartet man Toleranz. Auch die USA müssen mit Samthandschuhen angefasst werden, will man dem schweren Vorwurf des Antiamerikanismus entgehen. Das dürfte nicht sein: Solange nicht Persönlichkeitsrechte im Rahmen der Anstandsregeln verletzt werden, sollte die Meinungsfreiheit möglichst umfassend gelten.
 
Wenn die Meinungsfreiheit, die über allem steht, genügend ausgebaut ist, ergibt sich daraus das Demonstrationsrecht automatisch. Und tatsächlich ist die Demonstrationsfreiheit ist in der schweizerischen Verfassungsordnung als solche nicht erwähnt, aber trotzdem einbezogen: Nach der Praxis des Bundesgerichts untersteht eine Demonstration dem Schutz der Meinungsäusserungs- und der Versammlungsfreiheit, beides ungeschriebene Grundrechte der Bundesverfassung.
 
In diesem Sinn existiert also zweifelsfrei ein verfassungsmässiges Demonstrationsrecht. Beide Grundrechte sind zudem von den Artikeln 10 und 11 Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK sowie vom Menschenrechtsausschuss (Human Rights Committee, CCPR) geschützt, worauf wir in der Schweiz allerdings nicht angewiesen sind. Für uns sind die allgemeingültigen Freiheiten eine Selbstverständlichkeit. Und deshalb konnte es sich SVP Bundesrat Ueli Maurer leisten, die Kündigung der EMRK vorzuschlagen.
 
Grundrechte in Bedrängnis
Die Grundrechte sind unbestritten und müssen eher ausgebaut als beschnitten werden. In Gefahr gebracht werden sie allerdings, wenn Demonstranten Gewalt ausüben oder durch ein inakzeptables Vorgehen die Staatsgewalt provozieren, indem sie die öffentliche Ordnung und Sicherheit verletzten, randalieren, zerstören. Es gibt mannigfaltige Ausprägungen von Demonstrationen, auch solche der brutaleren Art: Sitzstreike (Blockaden) und Gewalttaten gegen Menschen und Sachen wie Gebäude, um Aufmerksamkeit zu erhaschen.
 
Bei den Demonstrationen in Hongkong, die Ende September 2014 begannen, gerieten viele Einwohner in Rage, weil sie von den Demonstranten in ihrer Bewegungsfreiheit und in ihren Alltagsgeschäften behindert wurden; sie kamen damit der eigenen Bevölkerung in die Quere. Es kam infolgedessen zu Gegendemonstrationen, die nach dem Demonstrationsrecht selbstverständlich ebenfalls möglich sind. Wenn sich Fronten bilden, besteht immer die Gefahr von gewaltsamen Auseinandersetzungen, die schwere Schäden hinterlassen können.
 
Massenphänomene
Das Demonstrationsrecht findet seine Berechtigung im Ausdrücken einer persönlichen Meinung, die meistens auf einer Unzufriedenheit basiert. Mit verschiedenen Mitteln, via Medien und auch übers Internet mit seinen verschiedenen Diensten, können die Massen heutzutage auf einfachere und schnellere Weise als früher mobilisiert werden. Das wird dann durch das massenpsychologische Phänomen Nachahmung (Imitation oder auch Kontra-Imitation) verstärkt. Dieses Verhaltensmusters hat sich schon der jesuitisch erzogene, französische Wissenschaftler Gabriel de Tarde in seinem 1890 in Paris erschienen Werk „Les lois de l'imitation“ (Die Gesetze der Nachahmung) angenommen.
 
Tardes Vorstellung war die einer triebgesteuerten, gesetz- und ziellosen, gewalttätigen Masse, die eines Führers bedarf, um gelenkt und geordnet zu werden. Aktuelle Demonstrationserfahrungen geben ihm Recht. Dieser Führer, den Tarde mit einem Begriff Hippolyte Taines als „meneur“ (aus dem Französischen: Aufwiegler, Anführer) bezeichnet, ist jene Person, die den Zeitgeist gut erfasst hat und in markige Worte kleiden kann, und zudem sollte sie über ein herausgehobenes Prestige verfügen. Deutlich lässt sich in den Theorien Tardes die Hegel'sche „List der Vernunft“ erkennen, die sich des „grossen Mannes“ bedient, um den Volksgeist manipulierend voranzutreiben.
 
Massenaufstände
Aus Demonstrationen können Massenversammlungen und Massenaufstände mit grosser politischer Brisanz werden, die oft ausser Kontrolle geraten und dem ehrlichen Anliegen schaden. Die meist in Stadtzentren besetzten Plätze werden zu Schlachtfeldern, und eingreifende Ordnungskräfte werden zu Symbolen für die Unfreiheit. Dabei wird übersehen, dass das Demonstrationsrecht ein Recht zum Bekanntmachen einer persönlichen Ansicht oder Unzufriedenheit ist, aber nicht zum Randalieren, zum Chaotentum. Und eben darin liegt die Bedrohung für eine wertvolle freiheitliche Errungenschaft.
 
Die Ordnungshüter tun sich schwer mit der Bändigung von Vandalen, denen es um provozierende Zerstörungen geht und die oft unter Alkohol- und Drogeneinfluss stehen. In der Schweiz werden die Hooligans, die schon bei der Anreise Eisenbahn-Rollmaterial verwüsten, mit nur zögerlich statt der dringend erforderlichen Härte angefasst. Es geht nicht an, dass die Bevölkerung für Schäden geradestehen muss, die vom Sportbereich angerichtet werden. Wegen der Linkslastigkeit des Medien-Hauptstroms sind Behörden und Polizei bemüht, nirgends anzuecken, Verdrehungen und Verunglimpfungen vorzubeugen, beschränken ihren Einsatz aufs Nötigste, abgesehen davon, dass auch einmal ein angegriffener Beamter die Beherrschung verlieren kann oder sich wehren muss.
 
Vermummungsverbot
Ein erster Ansatz, den Vandalen das Leben zu erschweren, ist das Vermummungsverbot, wie es in Deutschland, Österreich und einigen Kantonen der Schweiz gilt. Dummerweise hat der Ständerat in Bern am 02.12.2013 die Motion von Peter Föhn (SVP/SZ) abgelehnt, die ein nationales Vermummungsverbot forderte. Dieses ist und bleibt eine kantonale oder kommunale Angelegenheit. Immerhin kennen 15 Kantone -– darunter Bern, Zürich, Basel-Stadt, Luzern und St. Gallen – bei Demonstrationen und Sportveranstaltungen ein solches Verbot, dessen Übertretung allerdings bloss wie ein Kavaliersdelikt behandelt wird.
 
Einmischungen von aussen...
Zu den Menschen, denen es nur um Zerstörungen (auch jener der gesellschaftlichen Ordnung geht), kommen heute zunehmend machtpolitische Einflüsse, meistens aus dem Ausland. So beginnen die kriegsversessenen USA praktisch jeden Kampf in rohstoffreichen und/oder strategisch wichtigen Ländern nicht nur mit politischen Lügen (von einer PR-Agentur erdichtete Brutkastenstory zur Golfkrieg-Entfesselung, Chemiewaffenlüge zur Einleitung des Kampfs gegen Saddam Hussein usf.), sondern auch durch Einmischung ins Innenleben der Staaten, die sie destabilisieren und deren Regime sie beseitigen wollen, um ihre eigene Macht ausdehnen zu können.
 
... am Beispiel von Hongkong
Sie fördern und finanzieren Demonstranten aus dem bekannten Kreis von Unzufriedenen, und ihre Berater vermitteln diesen Kenntnisse darüber, mit welchen provokativen Mittel eine Eskalation herbeigeführt werden kann, wobei das Drehbuch immer dasselbe ist und dadurch auch Signale auf den Ort des Agierens der Hintermänner gibt. Das ist gerade auch in Hongkong (HKG) geschehen. Die USA finanzierten die Rädelsführer der Demonstranten und hofften, dass sich die Unruhen unter dem Stichwort „Demokratie“, das in den politischen USA weitgehend abschafft ist, ausweiten liessen. Demokratie heisst nach der sich heute aufdrängenden Interpretation Unterwerfung unter die USA, welche nach den Worten des grössenwahnsinnigen Barack Obama die gesamte Welt beherrschen möchten.
 
Die Hoffnung der USA bestand darin, dass aus der „Demokratie“-Bewegung in HGK Funken aufs Landesinnere von China überspringen würden, womit dieser gigantische und erfolgreichere Konkurrent Amerikas entscheidend geschwächt werden könnte. Die chinesische Führung wäre miserabel beraten, wenn sie das zulassen würde. Sie muss zum Schutz des eigenen Lands und Volks Härte zeigen, auch auf die Gefahr hin, dass die eingebundenen Westmedien dann von einem Akt der Barbarei durch einen aggressiven Staat sprechen. In HKG war das fast aber nur verbal nötig; grössere Schlägereien unterblieben.
 
Mediengleichschaltung
Die Medien, auch die elektronischen, die weitgehend gleichgeschaltet und auf US-Kurs getrimmt sind, wirken als Megaphone und erreichen durch ihre Einseitigkeit und Manipulation der Berichterstattung, dass auch ihnen Schranken auferlegt werden müssen. Neben der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit gerät somit auch die Medienfreiheit in Gefahr. So haben die allermeisten westlichen Medien kein Wort über die US-Provokationen in HKG verloren, ein Totschweigen, wie das auch in der Berichterstattung über den zerstörerischen, unendliches menschliches Elend herbeiführenden sogenannten Arabischen Frühling zu beobachten war. Die Drahtzieher wurden nicht genannt.
 
Schranken der Freiheit
Die Lösung des Problems kommt dem Durchhauen des Gordischen Knotens gleich. Eine wichtige Freiheit muss bewahrt werden. Gleichzeitig gilt es, zu verhindern, dass sie missbraucht und zum Einfallstor für ausländische Agitatoren wird und sich dadurch selber zerstört. In der Praxis wird das bedeuten, dass die Meinungsfreiheit unangetastet bleibt, aber Fremdeinwirkungen, die staatsgefährdend sein können, erkannt und ausgeschaltet werden müssen.
 
Somit kann die Demonstrationsfreiheit nicht (wie die Freiheit über den Wolken, die von Reinhard Mey besungen wurde) grenzenlos sein. Ängste und Sorgen, die für uns keineswegs „nichtig und klein“ sind, müssen wir intern und extern äussern können. Dabei müssen wir dafür sorgen, dass unsere kleineren oder grösseren Nöte nicht missbraucht werden, um uns vor der Karren von dubiosen Kräften aus dem Hintergrund spannen lassen. Wir brauchen gewissermassen eine gepflegte und umso wirksamere Demonstrationskultur. Wenn wir dazu ausserstande sind, werden politische Behörden uns zur politischen Vernunft und zur höchsten Vorsicht gegenüber US-Einmischungen zwingen müssen.
 
 
Quellen
Hangartner, Yvo und Kley-Struller, Andreas: „Demonstrationsfreiheit und Rechte Dritter“.
De Tarde, Gabriel: „Die Gesetze der Nachahmung“. http://www.sehepunkte.de/2004/05/4642.html
 
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