Textatelier
BLOG vom: 01.05.2015

Zur Hohen Möhr: Alte Grenzsteine, Sandwürfe und Fernsicht

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
 
Die Hohe Möhr ist ein bis 983 m ü.M. gelegener Berg, der weithin sichtbar ist. Auf dem Berg ragt der Hohe-Möhr-Turm 30 m in die Höhe. Unweit vom Aussichtsturm befindet sich eine SWR-Sendeanlage. Als Antennenträger dient ein 77 Meter hoher, freistehender Stahlfachwerkturm. Da unser Wanderorganisator Toni von Lörrach in Urlaub war, hatte sich Claus von Wehr bereiterklärt, auf den 22.04.2015 eine Wanderung von Schopfheim-Schweigmatt zur jener Hohen Möhr zu organisieren.
 
Es gibt viele Wege, die zum Berg führen, so von der Schweigmatt über den Südhang zur Hohen Möhr. Ausgangspunkt ist das Schwimmbad. Auf einem bequemen Fahrweg sind es 2.5 km und 240 Meter Höhendifferenz bis hinauf zum Turm. Dieser ist für Kinderwagen oder Mountainbiker geeignet. Von Schopfheim-Raitbach (Festhallenparkplatz auf der Scheuermatt) führt ebenfalls ein Wanderweg hinauf. Der Wanderweg erstreckt sich über 5 km, und bei dieser Variante müssen 420 Höhenmeter überwunden werden.
 
Claus parkierte auf dem Parkplatz des Berggasthofs Waldhaus. Dort studierten wir zu dritt (Bernd von Rheinfelden war auch dabei) die schön gestaltete Tafel mit der Wegstrecke und den Infos zu Sehenswürdigkeiten der Umgebung. Die Ausschilderung (zunächst gelbe, dann rote Route) mit den Wegweisern des Schwarzwaldvereins war vorbildlich. Claus wählte eine Wegstrecke, die abseits der Fahrstrasse lag. Sie war jedoch etwas länger, aber schöner und auch nicht so steil (ca. 220 Höhenmeter vom Berggasthof Waldhaus bis zum Turm).
 
Auf zu den „Sandwürfen“
Auf der rechten Seite des Parkplatzes wanderten wir bei schönem Frühlingswetter in Richtung Sandwürfe, die sich unterhalb des Gleichens befinden. Wir rätselten, woher der Name Sandwürfe stamme. Elmar Vogt von Hausen gab mir auf Anfrage die Auskunft, es handle sich vermutlich um Stellen, wo „Sandgruben“ vorhanden waren. Dort wurde wohl Sand für den Haus- und Strassenbau abgebaut. Der Sand kam für die Glasherstellung nicht in Betracht. Laut Werner Störk von Schopfheim wurde für die Glasherstellung möglichst reiner Quarzsand gebraucht, der in Bächen gewonnen wurde. Da dieser Sand Spuren von Eisenoxid enthielt, bekam das Glas eine leichte Grünfärbung (wird als Waldglas bezeichnet). Das Glas wurde erst durch den Zusatz von Braunstein (Mangan IV-Oxid oder Manganit) glasklar.
 
Grenzstein von 1790
An den Sandwürfen erreichten wir den mit einer roten Raute markierten Westweg. Von dort aus gingen wir zur Schutzhütte Rotruhe. Nach einer kurzen Trinkpause stiegen wir auf einem Zick-Zack-Weg zur Hohen Möhr hinauf.
 
Auf dem Weg zur Rotruhe und von dort aus zur Hohen Möhr sahen wir zahlreiche Grenzsteine. Der grösste und älteste war ein Grenzstein von 1790. Die Vorderseite ist mit der Zahl „2“, einem „R“ und einem Wappen verziert. Die Rückseite ist stark verwittert, und man kann das Wappen kaum noch erkennen.
 
Ich fragte Elmar Vogt,  was es mit dem Grenzstein auf sich habe. Es handelt sich nach seiner Auskunft um den Grenzstein Nr. 2. Dieser markierte die frühere Landesgrenze zwischen der Markgrafschaft Baden (Raitbach) und Vorderösterreich (Vogtey Zell). Elmar wusste dies zu berichten: „Die Wappenbildung steht für das Badische Wappen und der Buchstabe ‚R’ für die Gemeinde Raitbach. Die Grenzsteine einer Gemarkungsgrenze entlang wurden jeweils durchnummeriert und in einem Verzeichnis festgehalten. In bestimmten Abständen, meistens einmal jährlich, fand ein ‚Umgang’ statt, bei welchem die Grenzsteine auf ihren genauen und ‚richtigen’ Standort und die Standfestigkeit hin überprüft wurden.“
 
Nachdem ich den Grenzstein von 1790 sah, wollte ich gern erfahren, was vor 225 Jahren so geschah. Hier ein kleiner Blick in die Geschichte: Sturm der Bastille, Johann Wolfgang von Goethe dichtete das Schauspiel „Torquato Tasso“, Friedrich Schiller wurde auf Empfehlung von Goethe Professor an der Uni Jena. Zudem starb Benjamin Franklin.
 
Schnaufend ging es hoch zum Turm
Nach etwa 1,5 Stunden erreichten wir die Hohe Möhr. Vor dem Turm befinden sich eine Grillanlage, mehrere Tische und Bänke. Wir verschnauften etwas und machten uns stark für den Aufstieg zum 30 m hohen Turm. Der Turm hat übrigens eine Raitbacher Hausnummer (Nr. 41).
 
Als wir zum Eingang des Turms schritten, sagte Claus: „Hoffentlich geht der Aufzug.“ Bald bemerkten wir, dass er hier keinen gibt, sondern 54 Stein- und 87 Holzstufen. Diese Stufen der Wendeltreppe überwanden wir etwas schnaufend, aber ohne Herzbeschwerden.
 
Bald erreichten wir die Aussichtsplattform zirka 25 m über dem Boden. Von hier oben hatten wir einen fantastischen Rundblick auf den 500 m tiefer gelegenen Dinkelberg und das Wiesental mit Schopfheim, Hausen und Zell. In der Ferne waren die schneebedeckte Schweizer Alpenkette und der 250 m hohe Sendeturm St. Chrischona sichtbar. Wir blickten zum den Jura, zu den Vogesen und auf die Schwarzwaldberge Belchen, Blauen, Herzogenhorn und Feldberg. Wir waren so überwältigt, dass wir mehrere Male auf der kreisrunden Plattform herumliefen. Hier oben wehte uns ein kühler Wind um die Ohren, so dass wir uns bald wieder auf den Abstieg machten.
 
In der Folge wanderten wir auf dem südlichen Bergrücken der Hohen Möhr zunächst auf einem schmalen Pfad bergab und erreichten die breite Zufahrtsstrasse, die uns nach 2.5 Stunden Gesamtwanderzeit zum Berggasthof Waldhaus führte.
 
Casten-Dyk-Tanne
Vorher war jedoch neben einer Wander- und Schutzhütte eine Besonderheit zu sehen gewesen. Eine mächtige Tanne, die Kastendyktanne (so geschrieben auf einem Schild!). Auch hier wollte ich Näheres über die Namensgebung erfahren.
 
Elmar Vogt schlug in Büchern nach und entdeckte in der „Chronik Raitbach“ von Erwin Jost einen Hinweis. Die Kastendyktanne (andere Schreibweisen: Castendyktanne, Casten-Dyk-Tanne = wohl die richtige Schreibweise) am Möhrenweg, Abzweigung Gleichen, wurde nach einem treuen holländischen Gast, der Anfang des letzten Jahrhunderts im Kurhaus Schweigmatt weilte, benannt. Nach Auskunft von Heinz Uehlin machte dieser Kurgast fast täglich einen Spaziergang vom Kurhaus in Schweigmatt bis zu dieser Tanne und wieder zurück.
 
Adenauer im Kurhaus Schweigmatt
Als ich das über den holländischen Kurgast hörte, fiel mir eine Episode über Konrad Adenauer ein.Die Geschichte erwähnte Dr. Ulla K. Schmid im „Jahrbuch der Stadt Schopfheim 2001“.
 
Anfang der 1920er-Jahre war der damalige Oberbürgermeister von Köln, Konrad Adenauer, für einige Zeit im Kurhaus Schweigmatt zu Gast. Er wurde bei seiner Ankunft mit Schmährufen empfangen. Einige Kurgäste waren nämlich nicht erbaut über seine damalige Haltung als Separatist in der Rheinbundfrage. Aber das hielt ihn natürlich nicht davon ab, seine Kur durchzuführen. Während der Kur ging er immer zu Fuss nach Zell im Wiesental hinunter, um den katholischen Gottesdienst zu besuchen.
 
Das Kurhaus wurde übrigens 1952 „Erholungsheim“ der Landesversicherungsanstalt (LVA). Es wurde nur das Nötigste renoviert. Weiterhin bestand eine Dampfheizung auf Koksbasis noch im Jahre 1961. Die Brandschutzbestimmungen waren abenteuerlich. Auf den Zimmern des Obergeschosses waren Haken angebracht und lange Seile deponiert. Im Notfall konnten sich die Patienten abseilen.
 
Anhang
Aus der Geschichte des Hohen-Möhr-Turms
Der Vorgänger-Turm wurde 1894 von der Ortsgruppe Schopfheim des Schwarzwaldvereins erbaut. Damals beliefen sich die Kosten auf 7825 Goldmark.
 
Nach dem Ersten Weltkrieg erfolgte 1921 eine Instandsetzung des Turms. Am 22.06.1922 war es aus mit der Herrlichkeit: Der hölzerne Teil des Turms brannte nach einem Blitzschlag ab. Er wurde jedoch mit Hilfe von Spenden wieder aufgebbaut. Am 11.05.1924 wurde er wieder eingeweiht. Der untere Teil des Turms wurde übrigens mit Hilfe von Steinen aus dem St. Gotthard-Gebiet erbaut.
 
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren immer wieder umfangreiche Sanierungen notwendig. So 1950, als der Mantel aus 25 000 Schindeln erneuert wurde. Dann folgte eine Stabilisierung des Turms mit 10 eisernen Bändern (1953). 1972 wurde das Turmdach völlig erneuert. Weitere Massnahmen zur Stabilisierung des Turms erfolgten in den 80er-Jahren. Es war immer eine grosse Herausforderung des Schwarzwaldvereins, Ortsgruppe Schopfheim, den Turm zu renovieren.
 
Alles ging bis 2014 gut, dann kamen Schäden durch Vandalismus. Wie blöd müssen eigentlich die Täter sein, um hier zu wüten! Zum Glück konnten diese Idioten durch die Polizei ermittelt werden. Die Schäden auf der Holzplattform wurden durch grossen Arbeitsaufwand der freiwilligen Helfer beseitigt.
 
Marita Sütterlin, Vorsitzendes des Schwarzwaldvereins Schopfheim, bedankte sich bei allen freiwilligen Helfern, die rund um die Hohe Möhr immer wieder aktiv sind. Ein Dank ging auch an den Möhrenvater Ewald Sutter mit Gattin Irmgard für Ihre Dienste.
 
 
Dank
Ein herzliches Dankeschön an Elmar Vogt von Hausen. Er ist für die Presse und Öffentlichkeitsarbeit des Geschichtsvereins Markgräflerland e.V. tätig. Er schreibt in bewährter Weise regelmässig für diverse Zeitungen und Zeitschriften über Johann Peter Hebel, über Geschichte und Kultur der Region.
 
 
Internet
www.badische-Zeitung.de (Artikel „Freiwillige vor für Dienste auf der Hohen Möhr)
http://de.wikipedia.org (Infos „Hohe Möhr“)
www.outdooractive.com (Südschwarzwald Tour zur Hohen Möhr)
 
Hinweis auf weitere Wanderblogs von Heinz Scholz
Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst