Textatelier
BLOG vom: 15.08.2015

Bypass-Operation (2): Erlebnisse in der Rehabilitätsklinik

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D

 

Nach dem 10-tägigen Aufenthalt im Herzzentrum von Bad Krozingen stand ein 3-wöchiger Aufenthalt in einer Rehabilitätsklinik auf dem Programm. Empfohlen wurde mir die Theresienklinik am selben Ort von einigen Patienten. Ein Mann war so begeistert, dass er mir den Mund wässrig machte. Er war nach seinen Stent-Operationen schon mehrmals dort. Er äusserte: „Das Essen ist hervorragend, der Kaffee schmeckt besser als in der Herzklinik“.

Da musste ich nicht lange überlegen und meldete mich in der Rehabilitationsklinik für Orthopädie und Kardiologie an.

„Die Genesung des Menschen ist Ziel unseres Handels“, ist die Botschaft der Klinik. In der Klinik befinden sich 3 selbständige Abteilungen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen des Haltungs- und Bewegungs-Systems sowie des rheumatischen Formenkreises und vollständige Pflege/Kurzzeitpflege.

Ich war überrascht, welch komfortabel eingerichtetes Einzelzimmer mit Balkon mir zugeteilt wurde. Es herrschte von Anfang an eine angenehme Atmosphäre.

Am 1. Tag waren noch keine Behandlungen angesagt, so dass ich mich gleich in den Speisesaal zum Mittagessen begeben konnte. Eine Platzanweiserin säuselte: „Wollen Sie bei 3 Frauen sitzen?“ Damit war ich einverstanden. Ich wurde freudig empfangen und bald ergaben sich Gespräche. Die erzählfreudigen Damen berichteten über ihre Krankheiten und Schmerzen, aber auch über private Dinge.

Die Theresienklinik bietet eine ausgewogene und schmackhafte Ernährung (auch eine vegetarische) an. Die am Herzen Operierten erhielten ein cholesterinsenkendes Mittagessen mit Fisch, Hähnchen, Truthahn. Ich wunderte mich, dass kein Schweinfleisch, auch für die Normalesser, auf den Tisch kam.

Hier eine kurze Zwischenbemerkung: Am Ende der Reha wird einem ein Fragebogen ans Herz gelegt. Bei einer Gelegenheit belauschte ich ein Gespräch mit 2 älteren Burschen. "Ich schreibe in den Fragebogen hinein, man solle doch in Zukunft auch mal einen Schweinebraten servieren.“
Schweinefleisch wurde wohl deshalb auf dem Speiseplan ausgelassen, weil es nicht als gesund eingestuft wird (Massentierhaltung, ein Schwein frisst alles).

Was ich besonders gut fand, waren die verschiedenen Salate, die auf einem Buffet angeboten wurden. Sehr schmackhaft war auch ein Frühstücksbuffet mit Müesli-Theke (Müesli, Joghurt und frische Früchte).
Für Mahlzeiten zwischendurch wurden Obst, Joghurt oder Buttermilch angeboten.

Das Nichtstun war bald vorbei
Das süsse Nichtstun am 1. Tag war bald vorbei. Nach einer Eingangsvisite standen schon die ersten Therapieanwendungen am 2. Tag auf dem Plan. Jeder Patient erhielt ein Therapiebuch, in dem er den täglichen Behandlungsplan einheften musste. Darüber hinaus wurden wir angewiesen, am Morgen und Abend den Puls und Blutdruck selbst bestimmen. Am Morgen wurde auch das Gewicht in eine Liste eingetragen.
Oft waren die einzelnen Anwendungen zeitlich kaum auseinander, so dass wir uns sputen mussten, rechtzeitig in die jeweiligen Räume zu gelangen.

Hier ein kleiner Auszug aus dem Therapieplan: Inhalation, Ergometertraining, Gymnastik der Thoraxgruppe, Hydrojet-Massage (Massage im Wasserbett), Atemtherapie, Gehtraining im Freien. Dazu wurden etliche Vorträge über Ernährung, Bluthochdruck, Rückenschule, Schlafstörungen, Medikamente und Ausführungen zur Belastbarkeit bei Herzerkrankungen angeboten.

Beim Gehtraining im Kurpark wurden wir angewiesen, eine Pulsuhr zu tragen. Es wurden dann nach dem Training von 30 Minuten der Ruhepuls, Durchschnittspuls und der maximale Puls abgelesen und der Trainerin mitgeteilt. Die Werte wurden dann im Therapiebuch festgehalten. Unsere Trainerin wies uns darauf hin, dass wir je nach Gutdünken das Tempo forcieren konnten. Man sollte jedoch darauf achten, dass der maximale Wert nicht allzu sehr überschritten wird (der maximale Puls und der Blutdruck wurden beim Ergometertraining ermittelt).

 
Lustige Bemerkungen
Hier eine lustige Bemerkung eines Zuhörers während des Vortrags über Lebensstiländerungen gegen Herzinfarkt von Prof. Dr. med. Stefan Jost. „Was machen Sie bei Übergewicht?“ wollte der Vortragende wissen. Ein Patient meldete sich mit den Worten: „Fettabsaugen.“ Da waren die Lacher auf seiner Seite.
Es wurde auch der Unterschied von einer Kur und einer Reha sehr gut erklärt. Bei einer Kur gibt es am Morgen Fango und am Abend Tango. Bei einer Reha, wie schon erwähnt, müssen viele Therapieanwendungen angewandt werden. Viele haben dann mit dem Tango wenig am Hut. Als meine Wanderkollegen, die mich einmal besuchten, die Frage nach Kurschatten aufwarfen,  entgegnete ich, da spiele sich nichts ab, weil viele behindert sind. In meiner Unerschrockenheit erzähle ich das meinen Tischnachbarinnen, die alle mit orthopädischen Problemen behaftet waren. Was folgte? Eine allgemeine Entrüstung. Eine sagte: „Wir sind doch nicht behindert, wir können noch.“

Die freiwilligen Angebote (Thermosandliege, Armbäder) nutzte ich nicht. War ja anderweitig beschäftigt. Wenn wir jedoch etwas Luft zwischen den Anwendungen hatten, ging ich im grossen Kurpark spazieren oder suchte das nahe Stadtzentrum auf. Besonders interessant war die Besichtigung des Kräutergartens im Kurpark.

Die Klinik legte viel Wert auf Hygiene-Massnahmen. Auf sämtlichen Stockwerken und auch vor dem Speisesaal hingen Desinfektionsmittelspender. Vor Betreten des Speisesaales und vor Benutzung der Trinkbrunnen wurden wir angewiesen, unsere Hände mit dem Mittel einzureiben.

Fazit: Für mich war die Reha eine besondere Erfahrung, zumal ich noch nie eine solche „genossen“ hatte. Viele meiner „Leidensgenossen“ hatten schon etliche Reha-Aufenthalte hinter sich. Einer sprach sogar von 6 Reha-Aufenthalten.

Die Therapien waren nötig, um eine gute Belastung zu erreichen. Am Anfang konnte ich nur mit einem Schnaufen 1 Stockwerk bewältigen. Nach einigen Tagen waren es schon 2 Stockwerke ohne Atembeschwerden. Das Gehtraining und die Ausflüge im Kurpark (oft 1 Stunde) wurden immer leichter absolviert.

Mit der Theresienklinik war ich höchst zufrieden. Alle guten Dinge, die mir anfangs zugetragen wurden, haben sich erfüllt.

 
 
Anhang
Jochen B
., bei dem 1993 eine Herztransplantation durchgeführt wurde und in der Theresienklinik war, schrieb unter „Herzkrank“ das Folgende (eingerahmter Text im Erdgeschoss des Altbaus der Theresienklinik):

„Als ich mit 26 Jahren schwer herzkrank wurde, war das für mich ein hartes Los.
Doch mit den Jahren akzeptierte ich mein Schicksal.
Mein Glück war es, in dieser Zeit wichtigen Menschen zu begegnen, die mich auf meinem Wege unterstützten.
Nach langen Krankenhausaufenthalten in Tübingen und München kam ich zur Reha nach Bad Krozingen.
Nun bin ich schon das 4. Mal in der Theresienklinik in einem Zeitraum von 11 Jahren und fühle und fühlte mich immer wohl. Ich lernte viele tolle Leute kennen – ob Patienten, Ärzte, Schwestern, Pfleger, Therapeuten oder Angestellte.
Mit diesem Bild „Herzkrank“ möchte ich mich bei allen bedanken.“

Jochen B., Bad Krozingen, den 26. März 2001.
 
Internet
 

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