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BLOG vom: 02.03.2016

Vogel des Jahres 2016: Stieglitz – ein farbenprächtiger Singvogel

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D

 

Der Distelfink genannte Stieglitz (Carduelis carduelis) war wegen seiner Farbenpracht und Sangeskunst ein beliebter Käfigvogel. Die Schönheit wurde ihm zum Verhängnis. Er wurde gnadenlos zu Tausenden in Europa gefangen. Zum Glück wurde ein Fangverbot durchgesetzt. Heute droht dem zu den Finken gehörende Vogel eine ganz andere Gefahr, wie wir später erfahren werden.

Der farbenprächtige Distelsamenliebhaber hat einen schwarz-weiss-roten Kopf, die Flügel sind schwarz und haben ein gelbes Flügelband. Rücken und Flanken sind zimtbraun, der Bauch fast weiss. Die Körperlänge beträgt 12 bis 13 cm.

Laut NABU sind Stieglitze gesellige Vögel. Futtersuche und Schlafen sind Gemeinschaftsaufgaben. Sie verteidigen auch keine grossen Territorien, sondern nur die unmittelbare Umgebung des Nestes. Früher bevorzugte er den Wald, dann wurde er immer mehr in besiedelte Gebiete gesichtet. Er sucht heute Waldränder, Streuobstwiesen,  Weinberge, Feldgehölze, Heckenlandschaften, Friedhöfe, Naturgärten, Alleen und Parks auf.

Er bevorzugt Samen aller Art, seine Lieblingsspeise sind Distelsamen. Nachgewiesen wurden auf seinem Speiseplan 152 Wildkräuter. Besonders gerne futtert er auch Samen von Ampfer, Wegerich, Mädesüss, Vogelmiere, Sonnenblume, Beifuss, Kornblume, Knöterich sowie Kieferzapfen und Birken. Während der Brutzeit verzehrt er auch „fleischliche“ Nahrung wie kleine Insekten und Blattläuse.

Der Vogel ist mit einem mittellangen, spitzen Schnabel ausgestattet. Dieser eignet sich sehr gut zum Herausziehen der Samen aus stacheligen Pflanzen.
Schön ist sein Gesang. Zunächst hört man ein paar einzelne Töne als wollte er sich einsingen. Dann folgt das lange, helle Trillern. Dieses „Stiglit“ verdankt der Vogel seinen deutschen Namen.

Eine Nachbarin, die Samen unter einer Fichte auslegt, erzählte mir, dass viele Vögel, darunter auch der Stieglitz, dorthin kommen und die Samenkörner  verzehren. Es sind auch Jungvögel dabei, die noch nicht die leuchtenden Kopffedern der erwachsenen Vögel haben. Erst nach der Mauser im Herbst zeigen sich die prachtvollen Farben.

Hier in Südbaden sind alle ausgezeichneten Vertreter der Natur, wie der Feuersalamander („Lurch des Jahres 2016“) und die Wiesen-Schlüsselblume („Blume des Jahres 2016“, s. Blog vom 24.02.2016) noch ganz gut vertreten. Aber wie lange noch?

 


Stieglitz (Foto: NABU/P. Kühn)
 

Viele Brutpaare sind verschwunden
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und sein bayerischer Partner, der Landesbund für Vogelschutz (LBV) haben den Stieglitz zum „Vogel des Jahres 2016“ gewählt.
Wie schon erwähnt, ernährt sich der Stieglitz von den Samen zahlreicher Blütenpflanzen, Gräser und Bäume. Es gibt jedoch immer weniger Nahrung für den Vogel. Der Bestand des Stieglitzes ist in Deutschland von 1990 bis 2013 um 48 % zurückgegangen. 305 000 bis 520 000 Brutpaare sind in Deutschland nach Schätzungen verschwunden.

Früher hatten die Vögel noch genügend Nahrung. Sie holten sich die Samen von blühenden Landschaften, es gab viele Randstreifen mit Blumen und Wildkräutern. Heute ist das leider anders. Durch den Siedlungsbau gibt es immer weniger wildblumenreiche Brachflächen. Privates und öffentliches Grün wird durch den Einsatz von Pestiziden wildkräuterfrei. Viele wollen einen nach englischem Vorbild geschaffenen Rasen. Wenn einmal eine Wildblume aus dem Einheitsgrün hervorlugt, wird diese gleich entfernt. Man will ja keine Verwilderung in Kauf nehmen oder sich vom Nachbarn sagen lassen, dass der Garten Pflege braucht.
Es gibt jedoch etwas Hoffnung: Ab und  zu erbarmen sich Gartenliebhaber und säen Blumensamen in die Erde von kleinen Vorgärten. Oder verschönern so manchen Balkon mit Wildblumen. Bei unseren Wanderungen sehen wir ab und zu Blumen an Wegrändern, am Rande von Weinbergen und in der Nähe von Trockenmauern.  Aber solche kleine Areale sind natürlich zu wenig, um Vögel satt zu bekommen.

Verlust an Brachflächen stoppen!
„Überregional kann nur eine Reform der bestehenden EU-Agrarverordnungen und Agrar-Förderinstrumente den Verlust landwirtschaftlicher Brachflächen stoppen. Aber auch in Städten und Gemeinden werden Konzepte benötigt, damit es mehr Wildnis am Strassenrand und auf grünen Flächen gibt“, sagte der LBV-Vorsitzende Norbert Schäffer.
Es ist deshalb sehr wichtig, dass Blühflächen mit heimischen Wildkräutern sowie Obstbäumen geschaffen werden. Auf die Anwendung von Pestiziden sollte verzichtet werden. Solche Massnahmen helfen dem Stieglitz und auch den anderen Vögeln.

Aktion „Bunte Meter“
Zum Vogel des Jahres 2016 gibt es von NABU viele Informationen, nützliche Materialien (Broschüre, Aufkleber usw.). Mit der Aktion „Bunte Meter für Deutschland“ will NABU und LBV die Bevölkerung dazu animieren, Wildblumen an Ecken im Garten und in den Feldern auszusäen. „Wir fordern jeden auf, möglichst viele Quadratmeter von solchen Wildblumenwiesen giftfrei anzulegen, deren Samen der Stieglitz gerne frisst. Sei es in der wilden Natur oder im eigenen Wohnumfeld“, erklärte NABU-Referent für Ornithologie und Vogelschutz, Lars Lachmann.
Wer „Bunte Meter“ anlegt, kann sich auf der NABU-Website anmelden.

Wer die grossartige Arbeit von NABU unterstützen möchte, kann sich für eine Spende, für Geschenk-Spenden, eine Geschenk-Mitgliedschaft oder eine Patenschaft entscheiden.

Ein herzliches Dankeschön geht an den Naturschutzbund Deutschland für die Abdruckerlaubnis der wunderschönen Aufnahme eines Stieglitzes.

Internet
www.nabu.de
spenden@nabu.de
https://de.wikipedia.org/wiki/Stieglitz
https://www.nabu.de/presse/pressebilder/index.html#vogeldesjahres

Literatur
Flegg, Jim: „Gartenvögel“, ars edition, Exeter, England 1984.
Rainard, Mawena: „Bunte Vielfalt in Südbaden: Wie lange noch?“, „Badische Zeitung“ vom 21.02.2016.
Schmeil, O.: „Leitfaden der Tierkunde“, Verlag von Quelle&Meyer, Leipzig 1924.

 


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