Textatelier
BLOG vom: 27.03.2005

Angst und Schrecken: Die Bestie von Sydenham

Autor: Emil Baschnonga

Vielerorts sucht man gerade Osterhasen. Doch in der Osterwoche sorgte eine Riesenkatze, wenn nicht gar ein Panther, für Schlagzeilen in der Presse und verbreitete Schrecken im sonst ruhigen Örtchen von Sydenham. Handelt es sich um einen vorgerückten Aprilscherz? Solche Schreckensmeldungen erscheinen periodisch, wie das legendäre Loch-Ness-Monster. Eine ähnliche Monsterkatze beunruhigt übrigens zurzeit auch die Bürger von Burford in England.

Doch jetzt wird das Biest fürwahr mit Polizeieinsatz gejagt. Die Kinder dürfen während der Pause nicht mehr im Schulhof spielen und werden angehalten, die Strassen zu meiden und den Bus zu benützen.

Das erste Opfer dieser Bestie war der tapfere Anthony Holder, ein 36-jähriger DJ. Er ging der Ursache des Lärms seiner Hauskatze im Hintergarten nach, dachte, wie nahe liegend, ein Fuchs habe sie angegriffen. Da überfiel ihn die Bestie und warf ihn um. Nur dank seiner militärischen Ausbildung entkam er mit nur einigen oberflächlichen Kratzern. Es gelang ihm, das Biest an der Gurgel zu fassen. Es ist einzig seiner Tierliebe zuzuschreiben, dass er es nicht erwürgte, sondern freigab.

Tierliebe hin oder her, ich hätte anders gehandelt . . . Nun liegt es nicht an mir, diesen Vorfall zu bagatellisieren, wiewohl Herrn Holders Schrammen auch von einer Brombeerranke oder Kletterrose stammen könnten. Dieser Mann hat ein ehrliches Gesicht und lügt gewiss nicht – ohne guten Grund.

Gestern war Sydenham wie ausgestorben. Die Leute blieben in ihren Häusern verschanzt. Selbst die gewöhnlichen Katzen, die um diese Jahreszeit viel draussen zu tun haben, mussten drinnen bleiben. Ein Sozialarbeiter, der gewöhnlich um die Abendzeit die in Hostels (Wohnheime) einquartierten Obdachlosen besucht, meidet jetzt die Nebenpfade und Wegabkürzungen durch Sydenham.

Zuverlässige Augenzeugen berichteten, diese Bestie gesichtet zu haben. Diese Wildkatze oder dieser Panther, behaupteten sie, war an ihnen wie ein schwarzer langer Schatten vorbeigeflitzt. Massgeblich soll das Tier 6 Fuss lang sein (1,5 m) und 3 Fuss hoch (90 cm). Der einzige Einwand, den ich habe, ist, dass nachts alle Katzen schwarz sind.

Ich habe mir mit dem Rollmeter die Ausmasse dieses Biestes veranschaulicht: Es ist etwa 20 cm höher gebuckelt als mein Pult und sogar 30 cm länger. Mir gruselt der Gedanke, es in meinem Garten aufzustöbern. Wer weiss, wenn ihm die Luft in Sydenham zu dick wird, könnte dieser Schnellläufer nach Wimbledon überwechseln. Auf meine militärische Ausbildung in der Rekrutenschule will ich mich nicht verlassen, vielmehr mich mit einem Spaten ausrüsten. Am liebsten wäre mir eine Heugabel, wenn ich sie hätte.

Neugierig schlug ich im Internet nach und staunte: Im Beckenham Park soll der Sydenham-Panther untergebracht sein! Gemeinhin denken die Leute nicht ans Naheliegende. Ich werde den Bürgermeister von Sydenham bitten, nachzuschauen, ob der Panther dort noch im Gehege ist. Wenn er dort ist, ist mein Glaube in den britischen Stockzähne-Humor entschieden gestärkt, und bin ich beruhigt.

Ich meine, ein Panther in Sydenham sollte ausreichen.

Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst