Textatelier
BLOG vom: 08.08.2016

Altbundesrat Alphons Egli – Ein Politikerleben

Autor: Pirmin Meier, Historiker und Schriftsteller, Beromünster LU/CH


Alphons Egli, geboren in Luzern am 8. Oktober 1924, dem Tag der im Kanton Luzern einst verehrten heiligen Birgitta von Schweden, verstorben am 5. August 2016, war einer der originellsten Parlamentarier in der Geschichte des Ständerates. Nicht zufällig wurde er deshalb zum Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft vorgeschlagen und gewählt. Die CVP Schweiz und die CVP des Kantons Luzern haben einen bedeutenden katholisch-konservativen Politiker alter Schule verloren, der es nicht vergass, dem Fortschritt nach besten Kräften zu dienen. Als Bundesrat war er zeitweilig Vollstrecker einer Umweltpolitik, die seinerzeit Julius Binder, 1982 Eglis Hauptkonkurrent um das Amt des Bundesrates, mit einer Verfassungsmotion aus dem Jahre 1964 angeregt hatte. Ein geschickter Schachzug von Eglis Anhängern war, im Zusammenhang mit einer Zweierkandidatur anstelle des Denkers und Redners Julius Binder aus dem Aargau den blassen Walliser Interessenpolitiker Hans Wyer auf das Ticket zu setzen. Als die CVP noch nicht die SVP fürchten musste, stand sie sich selber im Wege. Dafür aber konnte Alphons Egli nichts. An der Redlichkeit dieses klugen Magistraten gab es und gibt es für mich nie einen Zweifel. Er verdient den Respekt der Nachwelt.

Im Gegensatz zu seinen Bundesratskollegen Kurt Furgler und Willi Ritschard, deren historisches Profil sich als nachhaltiger erwies, gehörte Alphons Egli zu den Politikern, deren Karriere in Stadt, Kanton und Bund schon aus familiären Gründen nahe lag. Sein Vater, Gotthard Egli, war ein bedeutender Luzerner Erziehungsdirektor, im Zusammenhang mit Radio Beromünster und der SRG ein früher Medienpolitiker und nicht weniger als 20 Jahre Ständerat des Kantons Luzern. Dabei war aber Sohn Alphons Egli genauso wie seine hochgebildete Schwester Dr. phil. Elisabeth Egli, die Biographin des Luzerner Volksschriftstellers Xaver Herzog, mehr als nur ein privilegiertes Kind aus guter Familie. Seine juristisch-humanistische Ausbildung erfolgte an den Universitäten Zürich, Bern und der Päpstlichen Universität Gregoriana auf einem Niveau, das der Tradition von Luzerns Rechtshistoriker Philipp Anton von Segesser Ehre macht. In Sachen Rechtsgeschichte mit breitem Hintergrund scheint Alphons Egli allenfalls noch mit den Luzerner Altregierungsräten Walter Gut und Josef Egli vergleichbar. Vom Bildungsniveau her vertrat das Mitglied des Schweizerischen Studentenvereins die besten Traditionen aus der Blütezeit seiner Partei. Der Begriff „wertkonservativ“ ist im Zusammenhang mit Alphons Egli mehr als nur ein Schlagwort für einen salbungsvollen Nachruf. Er hat diesen Fundus nicht bloss ererbt, sondern erarbeitet.

Mit dem 1982 gleichzeitig in den Bundesrat gewählten Anwaltskollegen Rudolf Friedrich (FDP) gehörte Alphons Egli zu den Kurzzeit-Bundesräten, welche den aufgrund der Verfassung ohnehin schwachen Bundesrat ihrerseits nicht zu stärken vermochten, wiewohl Egli analog zu seinem Kollegen Rudolf Friedrich (1923 – 2013) zu den brillantesten und wohl auch bestinformierten Parlamentariern seiner Generation gehört hatte. Wie Rudolf Friedrich hatte Alphons Egli vor seiner Wahl in den Bundesrat keinerlei nennenswerte zivile Führungserfahrung. Dies zu einer Epoche, da sich sein Departement des Innern fast explosionsartig zu einem Mammut-Departement zu entwickeln begann. Es war zu einer Zeit, da galt: „Politik ist, was ohnehin geschieht“, wie es Bundesratssohn Thomas Hürlimann im Hinblick auf seinen Vater Hans Hürlimann, den Vorgänger von Alphons Egli, kritisch ausdrückte. Hans Hürlimann war indes einer der besten Bildungspolitiker, die es je im Bundesrat gab, und insofern doch ein bedeutender Magistrat. Eglis Tätigkeit als Umweltminister fiel seinerseits ins Gewicht, weil er unter der Suggestion des Waldsterbens, wozu Hans Erni das geeignete Plakat kreierte, mit der Luftreinhaltung vorwärts machte. Dies war eine nicht weniger vernünftige Massnahme wie heutige Aktivitäten zur Verminderung des CO2-Ausstosses, unabhängig davon, ob sich die verschiedenen Theorien zum Klimawandel bewahrheiten. Pragmatische Politik zugunsten der Natur ist immer richtig, sofern nicht gerade wie in der Zeit nach Egli im Ernst über einen Ablasshandel betreffend CO2-Kontingenten mit afrikanischen und anderen Staaten der Dritten Welt diskutiert wird. Aufgrund seiner auch theologischen Bildung wäre Egli, der Missionar des Waldsterbens, auf dieses Niveau der Debatte wohl nicht eingetreten. Hingegen gehört es zu seinen Verdiensten, dass er auf die Thematik der „Kinder der Landstrasse“ eingetreten ist. Ein fatales Unrecht, das man den Kindern von Fahrenden angetan hat. Damals haben der „Schweizerische Beobachter“ (unter Chefredaktor Josef Rennhard und Redaktor Hans Caprez) regelmässig auf diese historische Misere aufmerksam gemacht.

Ohne zivile Führungserfahrung in die Regierung der Schweiz

Dass Alphons Egli über alles gesehen in seiner kurzen Amtszeit kein starker Bundesrat war, weder von der Liga eines Josef Zemp noch der eines Kurt Furgler, musste ich bei allem Respekt vor Egli und seiner Bildung seinerzeit bei der Delegiertenversammlung der CVP des Kantons Luzern mit noch anderen Kollegen feststellen. Das Thema war der vom Bundesrat empfohlene Beitritt der Schweiz zu den Vereinigten Nationen, worüber das Volk am 16. März 1986 ein vernichtendes Verdikt aussprach. Der federführende Aussenminister, Pierre Aubert (SP), ebenfalls dieses Jahr verstorben, agierte allerdings noch schwächer als Innenminister Egli. Alphons Egli, Bundespräsident der Schweizerischen Eidgenossenschaft, im Ständerat einst bekannt für seinen Humor und seine Schlagfertigkeit, las vor der Luzerner CVP erschreckend lustlos einen Text ab, welcher unfreiwillig zur deutlichen Nein-Parole der Partei beitrug. Obwohl ich selber den UN-Beitritt nicht befürwortete, war ich über die Einflusslosigkeit des angesehensten Politikers des Kantons, dem auch Ständerätin Josi Meier nicht helfen konnte, schlicht betreten. Bei allem Respekt vor dem Toten kann dies hier nicht verschwiegen werden, will man das politische Format des damaligen Bundespräsidenten ehrlich einschätzen. Für den enormen Niedergang der CVP des Kantons Luzern sind weder die neueren Parteipräsidenten Martin Schwegler und Pirmin Jung verantwortlich, wohl auch nicht die CVP-Regierungsräte der letzten 30 Jahre, letztlich auch nicht die SVP. Wer dann?

Brillanter Parlamentarier

Eine gewichtige Verantwortung lag wohl bei Repräsentanten auf Bundesebene, und zwar zur Zeit der Egli und Cotti. Zu dieser Riege des Abstiegs gehörte auch der schon genannte damalige Parteipräsident Hans Wyer, der brave Katholik und Lobbyist aus dem Wallis. Was nach Wyer kam, erinnerte noch bis zur Wahl von Gerhard Pfister eher an Konkursverwaltung als an Aufbruch. Mit Sicherheit hat wohl auch ein so bedeutender und gescheiter Professor wie Joseph Deiss der Partei keine Wähler gebracht, woran nicht einmal das Präsidium der UN-Vollversammlung etwas zu ändern vermochte. Der Unterschied zum Aussenpolitiker Giuseppe Motta, der wenigstens dann und wann dank seiner Dynamik auch mal einen Fehler gemacht hat, scheint schlicht gigantisch. Der letzte CVP-Bundesrat, der so gut war, dass es auch Fehler ertrug, war Kurt Furgler. Der Jahrhundertstaatsmann war jederzeit in der Lage, sich gegen eine unwillige Delegiertenversammlung durchzusetzen. Auch das habe ich, zusammen mit Marcel Sonderegger, Victor Kuhn und anderen beherzten Kollegen selber miterlebt.

Wider den tierischen Ernst in der Politik

Nun aber gehörte der verstorbene Alphons Egli meines Erachtens zweifelsohne zu den besten Mitgliedern des Ständerates seit dessen Bestehen. Ein Parteikollege, der in Sachen Mutterwitz und politischer Besonnenheit ihm das Wasser hielt und ihn vielleicht noch übertraf, war der Appenzeller Ständerat und Landammann Raymond Broger, 1977 im Deutschen Fernsehen zum Ritter wider den Tierischen Ernst geschlagen. Auch Broger hätte sich bei seiner Eigenwilligkeit und Originalität als Bundesrat wohl nur suboptimal geeignet.

Dabei war das Hauptverdienst von Alphons Egli im Ständerat nicht bloss seine damalige köstliche Eloquenz. Sein Postulat von 1979, und zwar als Befürworter der Kernenergie, über den Verzicht auf das Kernkraftwerk Kaiseraugst zu verhandeln, war eine Friedensleistung schon fast im Geist von Bruder Klaus. Er war nicht nur ein guter, vielleicht sogar ein grosser Ständerat. Beeindruckend war Eglis Sinn für Selbstironie wie zusätzlich seine satirisch-humoristische Begabung, die man im Parlament besser schätzen kann als in einer Regierung. Eine Spezialität von Alphons Egli waren „Grabsprüche zu Lebzeiten“, mit denen er gelegentlich seine eigenen Ständeratskollegen nicht verschonte, so den unlängst verstorbenen Nidwaldner Ständerat Eduard Amstad, Jahrgang 1922. Über diesen dichtete Alphons Egli:

Hier steht inmitten ewiger Lichter
Der Amstad vor dem letzten Richter.
Der liebe Gott kam nicht zu Worte,
Weil der Amstad ständig schnorrte.

Wirklich, Alphons Egli hätte es genauso gut wie der prächtige Raymond Broger verdient, zum „Ritter wider den tierischen Ernst“ geschlagen zu werden. Er war ein kluger und unerhört menschlicher Politiker. Seine Angehörigen, der Kanton Luzern, die CVP zumal des Kantons Luzern verdienen in diesem Sinn aufrichtiges Beileid. Die Feststellung, dass Egli als Parlamentarier womöglich nachhaltiger wirkte wie als Bundesrat, ändert nichts daran, dass er für den Kanton Luzern und die Innerschweiz zu den Persönlichkeiten gehört, die einen ehrenvollen Eintrag im Geschichtsbuch verdienen.  

 
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