Textatelier
BLOG vom: 19.09.2016

Ein verlängertes Wochenende in London

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Deutschland

 

Meine Reisevorbereitungen habe ich in meinem letzten Blog beschrieben. Am Ende meiner Reise muss ich sagen, dass alles, was ich geplant und organisiert hatte, geklappt hat. Eine Reiseplanung gar über das Reisebüro zu buchen ist in Zeiten des Internets nicht mehr erforderlich. Der pessimistische Spruch: "Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt." muss nicht zutreffen!

Über meinem Besuch bei meinem Bloggerkollegen Emil Baschnonga hat dieser schon in einem wunderschön formulierten Blog berichtet. Ich komme später noch einmal darauf zurück.

Zurück zum Anfang. Ich stand also an dem kleinen Bahnhof eines Lübecker Vorortes an der Ostsee (Baltic Sea) und wartete auf den Zug, einen Intercity von Kiel nach Mannheim, der mich zum Hauptbahnhof nach Hamburg bringen sollte, von dort aus wollte ich die S-Bahn zum Flughafen nehmen. Die Zeit war ein wenig knapp kalkuliert, ich würde, wenn der Zug pünktlich ankäme, und ich auch die richtige S-Bahn erreichen würde, ziemlich genau 1 Stunde vor Abflug dort sein, um mein Gepäck abzugeben und durch die Sicherheitsschleuse zu gehen. Ich hatte mir die Bordkarte schon am Abend vorher ausgedruckt, das Papier war allerdings aus Mangel an Farbtinte etwas schwach ausgefallen. Es warteten noch weitere Reisende auf dem Bahnhof. Ein älterer Herr sprach mich an, er sei aus Castrop-Rauxel, das ist eine Stadt im Ruhrgebiet. Schon lange kannte ich als jemand, der auch in dieser Mega-Metropole mit 7 Millionen Einwohnern, aufgeteilt auf eine ganze Reihe von Städte, aufgewachsen war, den netten Witz, dass Castrop-Rauxel der lateinische Name einer der Nachbarstädte sei, nämlich Wanne-Eickel. Während der Mann mit einem kleinen Messer seine schmutzigen Fingernägel säuberte, erzählte er mir seine Lebensgeschichte mit der beruflichen Laufbahn in einer Fabrik in Bochum, in der aus Roheisen Stahl erschmolzen worden war, heute sei dort nichts mehr als eine Industrieruine, die als Kunst bezeichnet wurde. Er und seine Frau, die noch hinzukam, berichteten noch, dass sie in dem Badeort an der Ostsee im neuerbauten 5**-Nobelhotel Belveder, direkt am Strand gelegen, übernachtet hätten, was allerdings sehr teuer gewesen sei. (Zwei Übernachtungen kosten ca. 200 Euro pro Person im Doppelzimmer.) Ein verrenteter Stahlarbeiter (im Ruhrgebiet sagen wir "Malocher") in einem Luxustempel, also eigentlich für betuchte Kundschaft gedacht! Angenehm aufgefallen sei der Frau nur, dass nur wenige verhüllte Araberinnen beim Frühstück zu sehen waren.

Die Anreise verlief genau nach Plan. Vom Flughafenbahnhof bis zur Abfertigungshalle sind es nur wenige Meter. Allerdings gab es vor dem Gepäckschalter eine lange Schlange und nur 3 Damen standen dafür bereit. ich mogelte mich ein wenig nach vorn, immer mit dem Hinweis auf die kurze Zeit bis zum Abflug, bis ich auf 3 Männer stiess, die mir sagten, dass ihr Flug noch früher angesetzt sei. Dann ging es recht schnell. Die Dame druckte mir die Bordkarte noch einmal lesbar aus und ich ging zur Sicherheitsschleuse. Dort waren auch viele Fluggäste, aber mehr Abfertigungsschalter. Der Bodyscanner "bitte strecken sie die Arme nach oben aus", meldete sich, obwohl ich alles auf das Band gelegt hatte, sogar meinen Hosengürtel, ich wurde also noch abgetastet und meine Schuhe in der Art eines Schuheputzens untersucht. Genau 10 Minuten nach dem leicht verspäteten "einchecken" (ein Wort in der deutsch-anglisierten Sprache!), angekommen, konnte ich bereits ins Flugzeug einsteigen. - Der Flug war sehr eindrucksvoll. Es gab eine klare Sicht, die Reise ging zuerst bis in die Niederlande (der Kapitän: "Wir fliegen jetzt über Groningen") und dann ein ganzes Stück an der holländischen Küste entlang, bis das Flugzeug nach Norden auf die britische Insel abbog. Dort allerdings sah man  nur dicke Wolken. Beim Sinkflug war minutenlang nur dicker Nebel, quasi ein Blindflug. Dann aber war sogar der Buckingham Palace erkennbar. Die Landung geriet ein wenig hart, aber bald stand ich auf dem Boden des United Kingdoms in Heathrow.

An der Gepäckausgabe in Heathrow, wir mussten besonders lange warten, kam ich ins Gespräch mit einer Deutschen, die mir ihre "Gepäck-Erlebnisse" gerade auf diesem Flughafen schilderte. Einmal sei ihr Gepäck in Portugal wieder aufgetaucht, ein anderes Mal habe sie bis zum Ende ihres Aufenthaltes in London warten müssen, bis das Gepäck wieder da war und auch, dass das Gepäck auf einem anderen Laufband angeliefert wurde, habe sie bereits erlebt. Dieses Mal ging, zwar mit Verzögerung, aber immerhin, alles gut.

Es war angenehm, dass ich das Ticket für die U-Bahn bereits in der Tasche hatte. So benötigte ich zwar ca. eine Stunde, aber kein englisches Geld, um bis zu dem Haus zu gelangen, in dem das Zimmer ist, dass ich preiswert über Airbnb gebucht hatte. In einer Mail hatte mir das Eigentümerehepaar die genaue Prozedur erklärt, wie ich an den Schlüssel ins Haus und zur Wohnung kommen würde. Ein Kästchen an der Aussenwand war durch einen Zahlencode zu öffnen, darin befanden sich die erforderlichen Schlüssel. In der Wohnung zählte ich 4 Schlafzimmer, eine geräumige Küche und ein Bad. Das Zimmer war für den Preis von 110 englischen Pfund für 2 Nächte für die Innenstadt angemessen. Alles war sauber und das Bett war weich. Die Bewohner der anderen Zimmer habe ich nur teilweise gesehen, 2 junge Damen aus Tschechien, ein junger Mann aus Singapore.

Ich brühte mir eine Tasse Tee, alles dafür Erforderliche war vorhanden, und machte ich mich auf den Weg zum Kings Place Festival, also mit der U-Bahn nach Kings Cross. Ich hatte die genaue Beschreibung zu diesem Gebäude nicht ausgedruckt oder auf dem Smartphone, so musste ich mich durchfragen. Nur wenige Londoner kannten es. 5 Minuten vor Beginn erreichte ich die Kasse, zuerst erklärte man mir, das Konzert sei ausverkauft, doch dann fand sich noch ein Platz auf dem Balkon. Man wies mir den Weg dorthin. Der Platz war besetzt, der Nachbarplatz aber frei. Der ältere Herr, der dort sass, bestand aber darauf, dass ich den richtigen Platz neben ihm bekommen würde, und das Konzert begann.

Die Mitglieder des Brodsky Quartet schrieben auf Facebook selbst über dieses Konzert:
"We had a fantastic time at the Kings Place Festival on Friday night, performing these electric pieces:
Shostakovich 4
Mendelssohn Fugue op.80
Beethoven Grosse Fugue
It's always a pleasure performing at this wonderful venue and we're extremely proud to be resident string quartet there!"

Wikipedia schreibt über das erste Stück:
"Das Streichquartett in D-Dur op. 83 ist Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitschs 4. Streichquartett.
Die viersätzige Komposition entstand 1949 in einer Phase, in der Schostakowitsch, der sich Repressionen des Sowjetregimes unter Josef Stalin ausgesetzt sah, das Komponieren von orchestralen Werken zurückstellte und sich auf das Schaffen „privater“ Kammermusik konzentrierte. Diese Innerlichkeit wird in diesem Streichquartett besonders deutlich. Frei von Pathos ist das Werk von lyrischem, melancholischen Gesang geprägt, der nur selten durch heitere, tänzerische Passagen unterbrochen wird. Der finale Satz ist geprägt von Melodien aus der jüdischen Volksmusik, was einer der Gründe dafür war, dass Schostakowitsch seine Komposition bis nach Stalins Tod zurückhielt. Das Streichquartett wurde schließlich am 3. Dezember 1953 durch das Beethoven Quartett in Moskau uraufgeführt.[1] Die Sätze lauten im Einzelnen: Allegretto — Andantino — Allegretto (attacca) — Allegretto."

Nach der Aufführung ergab sich ein Gespräch mit dem Herrn, der neben mir sass, besonders über das Verbot von Stalin, und wir diskutierten, ob es "nur" die jüdische Volksmusik war, die ihn dazu veranlasst hatte, oder nicht auch die Melancholie, die zur revolutionären Ideologie des Kommunismus nicht passte, aber die mich sehr angesprochen hatte.

Die Fuge von Mendelsohn war nur kurz und ging fast unter und ist mir längst nicht so eindrucksvoll in Erinnerung wie das vorhergehende und das nachfolgende Stück.

Beethovens "Grosse Fuge" war mir nicht bekannt und für mich war sie eine Offenbarung!

Wikipedia:
"Beethoven beschrieb bei der Veröffentlichung der Großen Fuge die Art seiner Sonatenfuge als »tantôt libre tantôt recherchée« («frei und gebunden»). Dies bezieht sich auf die Durchführung der Fuge, in der sich freie und gebundene Bestandteile abwechseln.
Die Overtura. Allegro – Fuga beginnt mit einer drohend klingenden Phrase, dem ein sanftmütiger Abschnitt folgt. Doch wenig später setzt die schroffe Fuge mit ihren Variationen ein. Als wesentliches Element der Fuge erscheint eine Variation der Viertongruppe, die bereits Grundlage von Beethovens Streichquartett Nr. 14 cis-Moll op. 131 und Streichquartett Nr. 15 in a-Moll op. 132 war.
Abgelöst wird die Overtura von einem sanftmütigen Meno mosso e moderato.
Es folgt ein beschwingtes Allegro molto e con brio mit seinen energischen Variationen, das Thema der Fuge fließt mit ein. Dem schließt sich ein erneuter Meno-mosso-e-moderato-Abschnitt an, in dem das Thema des ersten Meno mosso e moderato, diesmal in einem zügigeren Habitus, wiederholt wird.
Der folgende Abschnitt, erneut ein Allegro molto e con brio, bringt ein unbeschwertes Allegro-Thema, das zwischenzeitlich auch zur Ruhe findet.
Im abschließenden Allegro werden die Themen der Fuga, des ersten Meno mosso e moderato, der Overtura wiederholt; das Werk findet zu einem lebhaften Ende."

Das war nicht "der" Beethoven, so wie ich ihn kenne, mit seinen Symphonien und vor allem mit meinem Lieblingswerk, dem 5. Klavierkonzert! Das war ein Stück, das so modern daher kam, wie im 20. Jahrhundert komponiert! Ein Mitglied des Brodsky Quartet besprach das Werk und dass Beethoven es geschrieben hatte, als er schon taub geworden war, also es nie hat hören können. Das Publikum der Premierenaufführung verstand es nicht, so fremd waren die Klänge für damalige Ohren gewesen.

Auch mein Sitznachbar (ziemlich genau in meinem Alter) war begeistert ,und so gingen wir nach Schluss des Konzertes diskutierend durch das Gebäude, in dem man auch noch einen Gospelgesang in der Halle hören konnte, nach draussen. John erwähnte, er wohne nur wenige Schritte von hier und so begleitete ich ihn einfach. Wir sprachen über das King Place, über die Musik, die dort im Repertoire ist und natürlich über das gerade Gehörte. Wir passierten die Bahnhöfe Kings Cross und Pancras. Nach einigen Minuten fragte ich ihn: "Do you fancy a drink?" Er sagte zu, empfahl ein Pub, und darin ein Bier, von dem ich bisher noch nichts gehört hatte, ein leichtes Ale, und wir redeten weiter über unsere Vorlieben in klassischer Musik. Gustav Mahler, den ich gern höre, sagte ihm wenig, was mich überraschte. Er berichtete über eine Aufführung von Beethovens 5. Klavierkonzert mit Herbert von Karajan, das ihn sehr beeindruckt hatte, und - schon viele Jahre zurück - noch immer lebhaft in Erinnerung war. Nach dem Bier gestand er, Hunger zu haben, wir gingen also in eine Pizzaria und redeten weiter. Es wurde sogar ein wenig privat, er gestand, dass er "in Scheidung" lebte, seine Frau wolle nach 40 Jahren Ehe nicht mehr mit ihm zusammen sein. Wir sprachen über das Reisen, ich schwärmte von Indien, er von den USA. Kurzum - wir genossen einen angenehmen Abend mit guter Konversation und gingen danach beschwingt unseres Weges, er nach Hause und ich in meine Unterkunft. Der erste Nachmittag meines Aufenthaltes war äusserst zufriedenstellend verlaufen!
Eine Begegnung der besonderen Art!

Ich muss eine Lanze für die Londoner brechen. Die Freundlichkeit und Bemühung, mir bei der Suche nach einer Strasse oder auch einem Gebäude zu helfen, war bemerkenswert. Ausserdem gab es mehrere kleinere Kontakte, vor allem in der U-Bahn. In der U-Bahn zu stehen, weil alle Plätze besetzt sind, ist ganz normal, man steht recht dicht neben einander, nicht nur schweigend, abweisend oder mit Ohrhörern und Smartphone beschäftigt, manchmal auch ganz ohne das und es erfolgt ein kurzes Lächeln, ein "smile", das aussagen soll, wir sind so etwas wie Leidensgenossen und müssen halt die Zeit in dem Transportmittel gemeinsam überstehen. Das war nicht nur einmal, sondern passierte mir öfters, auch einmal, als ich einen mir angebotenen Sitzplatz mit einer kurzen Handbewegung abwies, lächelte eine junge Dame zu mir herüber. Manchmal hatten die Mütter Babys auf dem Arm, die mich mit ihren grossen Augen ansahen. Man bekam ab und an Kontakt zu ihnen, nur durch die Bewegung eines Fingers. Die Mutter lächelte mir dann zu, redete mit dem Kind. Ja, es kam sogar zu einem kurzen Gespräch mit mir, über das Alter des Kindes, sein Geschlecht, einmal sogar, bei einem besonders hübschen dunkelhäutigen, schwarzgelockten Baby mit grossen dunklen Kulleraugen auf dem Arm einer weißhäutigen Mutter bekam ich die Auskunft, der Vater sei ursprünglich aus Jamaika. Ein farbiges Paar hatte nur gegenüber sitzend einen Platz gefunden, 2 Plätze neben mir. Beide spielten an ihrem Smartphone und zeigten sich manchmal das, was sie Bemerkenswertes gefunden hatten. Der Platz neben mir wurde frei, ich machte der jungen Frau, die gegenüber mir sass, ein Zeichen, sie könne sich doch neben ihren Partner setzen, sie winkte ab und meinte nur lachend: "We need the distance!"

Meine deutschlernende Studentin meinte dazu, im Gegensatz dazu sei es ihr in Deutschland aufgefallen, dass die Mundwinkel der meisten Reisenden eher nach unter wiesen.

Am nächsten Morgen nahm ich ein Frühstück im kleinen nahe gelegenen Restaurant ein, Toast mit Käse und Kaffee. Ich fuhr kurz danach mit mehreren U-Bahn-Linien nach Wimbledon. Auch diese Fahrt dauerte etwa eine Stunde. Am Bahnhof nahm ich mir ein Taxi, es war eines dieser bekannten alten "black cabs", die hinten so viel Platz haben, dass man sogar einen Kinderwagen hineinschieben kann, und fuhr zu Emil Baschnonga.

Hinter einem Tor musste ich ein Stück durch einen leicht verwilderten kleinen grünen Garten und wurde freundlich durch Emil und Lily begrüsst. Sie wohnen in einem alten Haus im viktorianischen Stil, das Emil vor einiger Zeit günstig erwerben konnte. Es ist geschmackvoll eingerichtet, mit Bildern und Figuren "die alle ihre eigene Geschichte haben", wie Emil mir versicherte. Ich fühlte mich gleich sehr wohl. Obwohl ich Emil und auch seine Frau noch nie persönlich habe kennenlernen können, sondern nur über die Blogs auf dieser Website, spürten wir bald, dass wir "auf derselben Wellenlänge schwammen", "on the same wavelength". Durch Darstellung unserer Biographien lernten wir uns näher kennen und stellten fest, dass wir in Vielem einer Meinung waren. Wir sprachen über Literatur- und Musikgeschmack, über die unterschiedlichen Kulturen in der Schweiz, Deutschland und im UK, auch über Persien, aus dem Lily stammt. Wir waren einer Meinung über den "Brexit" und darüber, dass die Auswirkungen dieser Wahl noch gar nicht absehbar sind. Gewählt für den Ausstieg aus der Europäischen Union haben vor allem die, die am unteren Ende der Einkommensleiter stehen, mit wenig beruflicher Zukunft, und die sich mehr Chancen ohne die EU ausgemalt haben. Vielleicht gibt es in 10 Jahren wieder eine Abstimmung, die alles wieder revidiert, wobei die Frage offen bleibt, ob "die EU UK wieder in den Völkerbund mit aufnimmt", wie ich meine.

Ich wurde gut bewirtet und wir verlebten anregende Stunden. Emil zeigte mir noch den buddhistischen Thai-Tempel ganz in der Nähe mit dem für diese Religion charakteristischen Baustil und der - für Nordeuropäer - etwas kitschig anzusehenden Buddha-Figuren auf einem goldenen Altar. Der Park um das Gebäude herum, mit Holzbrücken über ein kleines Gewässer hatte etwas kontemplativ Beruhigendes an sich.

 


 

Emil schrieb in seinem Blog, er werde das Treffen ins "Schatzkästchen der Erinnerungen einbetten". Schöner kann man es nicht formulieren und auch für mich war es ein Erlebnis, das eine neue Freundschaft begründete. Ach so, bevor ich es vergesse: Emil hat die Leser ein wenig in Spannung versetzt, in dem er das erste Zusammentreffen mit meiner jetzigen Frau vor 4 Jahrzehnten erwähnte. Das ist so eine lange humorvolle Geschichte, ich werde sie in einem getrennten Blog in naher Zukunft einmal erzählen!

Ich verabschiedete mich frohen Sinns und machte noch einen Abstecher nach Westminster. Hier schoss ich - zum ersten Mal in meinem Leben - ein "selfie", also ein Selbstbildnis. Zu sehen ist mein Gesicht und im Hintergrund Big Ben. Abends gönnte ich mir noch ein "Fisch und Chips" in Erinnerung an alte Zeiten im Vereinigten Köngreich. Der Cod war gut, nur die Chips fast nicht essbar!

In der Wohnung hatte ich noch ein kurzes Gespräch mit dem jungen Mann aus Singapore, der sich auch für Deutschland interessierte und "vielleicht" eine Reise dorthin plant.

Nach dieser Nacht war schon der letzte Tag meines Aufenthalts angebrochen. Ich nahm in dem Restaurant ein typisches englisches Frühstück ein, "2 eggs, bacon, baked beans and Toast", es war sehr lecker. Ich konnte mir dadurch das Mittagessen sparen, so satt wurde ich!

In meiner Unterkunft gab es die Möglichkeit, das Gepäck zu deponieren und erst später am Nachmittag wieder abzuholen. Der praktische Vorschlag war schon in der eingangs erwähnten Mail angeboten worden.

So fuhr ich direkt zur Tate Modern. Sie zeigt "international modern and contemporary art".
Ich schlenderte durch die Stockwerke. Auch hier gab es kurze Begegnungen, ein Gespräch über ein Bild von Salavador Dali:

 


 

"This painting is Dalí's interpretation of the Greek myth of Narcissus. Narcissus was a youth of great beauty who loved only himself and broke the hearts of many lovers. The gods punished him by letting him see his own reflection in a pool. He fell in love with it, but discovered he could not embrace it and died of frustration. Relenting, the gods immortalised him as the narcissus (daffodil) flower. For this picture Dalí used a meticulous technique which he described as 'hand-painted colour photography' to depict with hallucinatory effect the transformation of Narcissus, kneeling in the pool, into the hand holding the egg and flower. Narcissus as he was before his transformation is seen posing in the background. The play with 'double images' sprang from Dalí's fascination with hallucination and delusion."

Eine Kopie dieses Bildes hing eine Zeitlang bei mir in meiner Studentenbude, weil es mich damals fasziniert hatte. So war ein Wiedersehen besonders erfreulich, denn ich hatte nicht erwartet, es hier wieder zu finden.

Ab und an stand ich unschlüssig vor einem Werk, was es denn aussagen will. Da war zum Beispiel ein Kunstwerk mit dicken Wollsträngen, die sich zuerst locker verteilt, dann aber immer mehr zu einer Fläche verdichteten. Ein Dame, vermutlich aus Japan, sah mich, und meinte auch, sie wüsste nicht, was sie damit assoziieren solle. Zu solchen kleinen Begegnungen kam es mehrmals, eine andere junge Dame erwähnte, wenn der Künstler erst umständlich erläutern müsse, was er aussagen will, sei es für sie keine "richtige" Kunst.

Regelrecht angezogen haben mich Bilder, die das Auge verwirren. Wenn man länger konzentriert darauf schaut, scheinen sich die Wellenlinien zu bewegen, manchmal über die Breite des Bildes hinweg, manchmal kreisförmig von der Mitte ausgehend. Unser Gehirn wird genarrt!

 


 

Wenn man in der Tate Modern ist, darf man es nicht versäumen, bis zum obersten Stockwerk zu fahren, um sich die Skyline von London anzusehen. Es ist faszinierend, wie viele Neubauten in unterschiedlichen Baustilen in den letzten Jahrzehnten in der City gebaut worden sind:

 


 
 
Daneben gibt es eine Mischung aus Tradition und Moderne:

 


 

Danach schlenderte ich noch ein wenig über die Piccadilly Strasse und nahm dann die U-Bahn, holte mein Gepäck ab, und fuhr nach Heathrow. Die Victoria Line brachte mich in diese Richtung. Scheinbar war man sich nicht einig, ob dieser Zug bis zu den Terminals fahren würde oder ein paar Stationen vorher die Endstation sein sollte. An dieser Station kam es hintereinander zu widersprüchlichen Aussagen durch den Lautsprecher darüber. Die Insassen waren eher amüsiert , niemand regte sich auf, so wie man das in Deutschland erwarten würde. Dann fuhr der Zug doch bis zum Flughafen.

Die Abfertigungsprozedur erfolgte schneller als ich erwartet hatte. In einem Laden erstand ich noch eine umfangreiche, mit einigen Modeblättern erweiterte Sunday Telegraph, als Beigabe erhielt man eine Flasche Wasser gratis hinzu! Hier am Flughafen war man sich ebenfalls nicht einig darüber, von welchem Gate aus der Einstieg ins Flugzeug sein sollte. Die Ankündigungszeiten, wann das angezeigt werden sollte, verschoben sich mehrmals, so dass es ohne einen verspäteten Abflug nicht zu schaffen war. Später im Flugzeug erläuterte der Kapitän auch den Grund: die Reinigungstruppe sei nicht erschienen. Dennoch war alles sauber. Nicht lange danach landete ich sicher in Düsseldorf und wurde von meiner werten Gattin bereits erwartet.

Quellen
13.09.2016: Richard Gerd Bernardys Besuch bei uns in Wimbledon
12.09.2016: Von der Idee und der Planung einer Reise in modernen Zeiten
http://www.tate.org.uk/art/artworks/dali-metamorphosis-of-narcissus-t02343
Alle Fotos sind vom Verfasser aufgenommen worden.

 


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