Textatelier
BLOG vom: 14.10.2016

König Bhumibol - "Produkt" schweizerischer Bildung

Autor: Pirmin Meier, Historiker und Schriftsteller, Beromünster LU/CH

 


König Bhumibol und Sirikit (Quelle: www.svenskdam.se)
 

König Bhumibol Adulyadej, aufgrund einer Volksabstimmung „der Grosse“ genannt, geboren am 5. Dezember 1927 in Cambridge (Massachusetts), verstorben am 13. Oktober 2016 in Bangkok, verheiratet mit der ihm an Charisma eher noch überlegenen Königin Sirikit (*1932), war mit einer Amtszeit von 70 Jahren der am längsten regierende und einer der angesehensten Monarchen der neueren Menschheitsgeschichte. Wiewohl ähnlich wie der Kaiser von Japan mit einem gottähnlichen Status geschmückt und durch strenge Gesetze vor „Majestätsbeleidigung“ geschützt, führte er eine beinahe bürgerliche Existenz. Nie in seiner ein Menschenalter dauernden Regierungszeit wurde er mit Frankreichs Sonnenkönig verwechselt. Seine Mutter war eine Bürgerliche gewesen. Im Zusammenhang mit den für den thailändischen Staat vor allem innenpolitisch wichtigen Gesetzen zum Schutze der Unantastbarkeit des Königs führte er aus: „Das Gesetz kann niemals bedeuten, dass ich keine Fehler mache.“ Es steht jedoch niemandem zu, solche Fehler öffentlich zu beanstanden. Wohltuend blieb aber, dass König Bhumibol sich selber nicht überschätzte.

Das Kleinbürgerliche und sozusagen Bescheidene an König Bhumibol hängt nicht bloss mit dem thailändischen Volkscharakter zusammen, den er ein Leben lang mit seiner Familie eindrücklich respräsentierte. Wohl auch damit, dass er - ursprünglich gar nicht zum König geboren - seinen älteren Bruder, Prinz Ananda Mahidol, früh durch einen mutmasslichen Mord verlor, wobei Selbsttötung nicht ganz auszuschliessen ist. So kam Bhumibol schon 1946, im Alter von weniger als 19 Jahren, ins königliche Amt. Von nicht geringerer Wichtigkeit für die Charakteristik des Königs ist, über sein Eheleben mit Sirikit hinaus, dass er wohl eines der weltgeschichtlich bedeutendsten Produkte der Westschweizer Internatsbildung ist, welche schon seit dem frühen 19. Jahrhundert gekrönte Häupter und weitere hohe Politiker und Führungspersönlichkeiten mitgeprägt hat. Dabei verbrachte Bhumibol nicht nur einige Studienjahre in Lausanne, wo er auch die eidgenössische Matura gemacht hat, sondern seit 1933 den grössten Teil seiner Jugend. Er sprach ebenso gut Französisch wie Thailändisch. Das Französische war seine eigentliche Bildungssprache, die er sowohl für naturwissenschaftliche Studien wie auch für das Studium der Politik verwendete. Sein Amtsanstritt als (noch ungekrönter) König 1946 konnte ihn am Weiterstudium nicht hindern.

Zur Zeit seiner Ausbildung setzte sich Bhumipol nicht nur mit Jazz auseinander. Auch  Marx und der Marxismus interessierten ihn. Er kam aber zum Schluss, dass dies für Thailand nicht das Geeignete sei. Dies war für einen Prinzen und Jungmonarchen durchaus nicht selbstverständlich. Beispielsweise konnte sich Prinz Norodom Sihanouk (1922 – 2012) von Kambodscha mit dem Marxismus anfreunden, sogar mit dessen grausamster Variante, den Roten Khmer. Demgegenüber blieb Bhumipol Adulyadej bürgerlich geprägt, wiewohl nie ein ausgeprägter Ideologe. Nach seiner Krönung am 5. Mai 1950 in Bangkok, zusammen mit seiner Gattin Sirikit, wurde er für Generationen Garant für Stabilität in seinem Land, auch für Westorientierung. Als Symbol- und Integrationsfigur vermochte er sich Respekt zu verschaffen. Seine gleichsam zivilreligiöse Stellung kam nach dem 26. Dezember 2004 zum Ausdruck, als einer der wohl schlimmsten Tsnunamis der Menschheitsgeschichte sein Land verwüstete.

Allgegenwärtig war König Bhumibol Adulyadej trotz langer Krankheit auch in seinen letzten Lebensjahren. Niemand konnte sich den überlebensgrossen Gemälden und Plakaten entlang der Strassen und an öffentlichen Gebäuden entziehen, von denen der Monarch bald nachdenklich, bald gestreng, bald wohlwollend, aber nie lächelnd auf seine Untertanen herabblickt. Die öffentlichen Auftritte Seiner Majestät hingegen waren in den vergangenen Jahren selten. Im Frühjahr 2010, als sich Thailands gesellschaftliche Spaltung in blutigen Zusammenstössen auf Bangkoks Strassen niederschlug, warteten viele vergeblich auf ein Machtwort des Königs. Manche schrieben das Schweigen des Monarchen seiner fragilen Gesundheit zu. Andere mutmassten, er habe das gewaltsame Vorgehen gegen die vom früheren Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra unterstützten «Rothemden», die nicht zu den glühendsten Anhängern der Monarchie zählen, gebilligt. Auch im Umfeld des jüngsten Militärputschs 2014, der Thaksins Schwester Yingluck das Amt kostete, blieb es um das Königshaus überraschend still.

Dass Bhumipol auf eine fast unvorstellbar lange Regentschaftszeit kam, ist letztlich einer glücklichen Schickung zu verdanken. 1948 erlitt der leidenschaftliche Autofahrer, der vor Raserexzessen zwischen Lausanne und Genf mit Geschwindigkeiten von über 150 Stundenkilometern nicht zurückschreckte (es gab damals am Fuss der Westschweizer Rebberge noch keine Autobahn!), einen Autounfall, der ihn zwar nicht das Leben, aber doch ein Auge kostete. Dies tat, zumindest für westliche Freunde der Monarchie, seinem Charisma einen gewissen Abbruch. Umso willkommener war die Kompensation dieser etwas beeinträchtigten Ausstrahlung durch die Verehelichung mit Sirikit, der Tochter des thailändischen Botschafters in Paris, welche durchaus königlichen Geblütes war. Eine faszinierendere Asiatin als Sirikit – die beiden lernten sich 1947 kennen – konnte man sich zwischen 1950 und 1970 schlicht nicht vorstellen. Unvergessen der Staatsbesuch des thailändischen Königspaares in der Schweiz 1960 mit Empfang im Berner Landgut Lohn, einem Erbstück der Familien Escher und Welti, den Grossbürgern aus dem 19. Jahrhundert. Für den deutschen Bundespräsidenten Heinrich Lübke, für die damaligen Satiriker ein Spiessbürger, war es ebenfalls – wie für das deutsche Volk – nicht gerade eine Kleinigkeit, Gastgeber des thailändischen Königspaares zu sein.

1964 war der Staatsbesuch von Bhumibol und Sirikit in Österreich ein gewaltiges Ereignis, die schönste Frau seit Sissi war zugegen. Ein Stück Trost für die Entwöhnung der Österreicher vor der Monarchie. 1965 wurde Sirikit zur bestangezogenen Frau der Welt gewählt, zwei Jahre nach dem durch die Ermordung ihres Mannes bedingten Rückzug von Jacqueline Kennedy aus der ganz grossen Weltöffentlichkeit. Von diesem Glamour profitierten Thailand im Allgemeinen und der im Grunde seines Herzens schlichte König Bhumibol im besonderen. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor, darunter der Thronfolger Maha Vajiralongkorn, der bei weitem umstrittener ist als sein Vater. Verheiratet mit Prinzessin Srirasmi flog dieser 2011 mit seinem Privatflugzeug, das in München beschlagnahmt wurde, nach Deutschland, angeblich aus Anlass des Geburtstages seines Pudels Foufou. Solche Anekdoten haben ihre Widerhaken. Es ist keine Kleinigkeit, dass Königin Sirikit als Demokratin gilt und wie ihr nunmehr verstorbener Mann über hohes Ansehen verfügt. Sie repräsentiert das krasse Gegenteil der einstigen philippinischen Präsidentenwitwe Imelda Marcos mit deren berüchtigter Schuhsammlung.

Insofern König Bhumipol, in seiner Jugend ein Jazzfan und ein nicht unbegabter Saxophonist, dank seiner Integrität so etwas wie ein ruhender Pol Thailands war, bleibt zu hoffen, dass es auch in Zukunft nicht zu einer Destabilisierung des Landes kommt. Das Motto seiner Regierungszeit lautete: „Ich werde das Land einzig zum Vorteil seiner Menschen regieren.“

 
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