Textatelier
BLOG vom: 09.01.2017

Lavasand, Felsen und das Meer auf den Kanaren

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, z.Zt. auf La Palma


Mein Blick geht von der Terrasse des Ferienhauses aus in Richtung Westen. Vor mir zur Rechten steht eine Palme, die unteren Zweige sind über die Jahre hinweg immer wieder abgesägt worden, so dass die Krone prächtig nach oben zeigt. Etwas weiter steht ein Orangenbaum, die noch nicht ganz reifen Früchte leuchten zwischen den dunkelgrünen Blättern hervor. Dahinter blühen einige Kirschbäume, sie stehen etwas schief, der Wind hat sie in eine Richtung gedrückt. Die Aussicht zeigt eine enge Schlucht, hinter der bergaufwärts eine Reihe Häuser des kleinen Ortes stehen. Sie sind gelb, weiss, grün und blau angestrichen, auch die Dächer haben verschiedene bräunliche Farben, danach lässt sich auf das Alter der Gebäude schliessen. Zwischen den Häusern ragen verschiedene Bäume, Pinien und ein Drachenbaum sind darunter, empor, die Palmen überragen sie. Auch dieser Berghang endet, dahinter wieder eine Schlucht und im Hintergrund ist eine bewaldete, noch höher gelegene Bergkette sichtbar.

Rechts von mir krähen zwei Hähne unablässig, sie unterhalten sich den ganzen Tag in einem regen Gespräch. Ab und zu bellt ein Hund, er warnt vor den vorbeilaufenden Fussgängern.

Neben dem Wind sind es fast die einzigen Geräusche. Nur ab und zu ist in der Ferne ein Motorengebrumm meines Autos oder Motorrades zu vernehmen.

Mein Blick wandert weiter. Hinter dem Hügel, auf dem der Ort ist, geht es westwärts zum Meer hinab.
Die Strasse, an der unsere geräumige Finca liegt, führt steil hinab. Etwa 2 Kilometer dem Meer entgegen findet man eine Eremitage und eine Kirche. Ein Stück sieht man den Hafen, der von der Strasse aus nur über eine gewundene steile Treppe zu erreichen ist. Unten schlagen die Wellen an die Felsen, die Gischt steigt ein paar Meter in einem Wasserschleier empor. Hier gibt es ein kleines Schwimmbecken, das allerdings nur in den heissen Sommermonaten bei ruhiger See zu nutzen ist. Hinunter ist die Wanderung einfach, aber zurück äusserst anstrengend und beschwerlich. In der Ortsmitte steht neben einem Bistro und einem Supermarkt eine Uhr mit einer Glocke, die statt der Kirche am Hang zu den vollen Stunden schlägt und die Zeit anzeigt.

Heute ist es wolkig, so dass in der Ferne nicht auszumachen ist, wo weissgrau das Meer aufhört und der Himmel anfängt.

Der Wind wühlt das Meer auf und die Wellen malen helle Streifen und Tupfer auf die Wasseroberfläche, ein sich unentwegt änderndes Schauspiel. Es ist kein Schiff zu sehen, überhaupt, an dieser Seite der Insel scheint es keine Route zu geben. Angefahren wird die Insel von der Ostseite her.

Ab und an verschafft sich die Sonne ihr Vorrecht, ihre Strahlen auf die Erde zu senden.

Es ist ein friedlicher Flecken auf dieser kanarischen Vulkaninsel. Es müssen gewaltige Eruptionen gewesen sein, die sie aus dem Meer hat entstehen lassen. Kaum eine Strasse ist schnurgerade, immer winden sie sich um die vielen Berge herum, eine Kurve folgt der nächsten. Die meisten Küsten fallen steil ab ins Meer. Nur an wenigen Stellen sind kleinere Städte mit Häfen und Stränden.

25 km Richtung Süden: Der kurvige Weg führt an grösseren Anpflanzungen mit Bananenstauden vorbei in den Ort. Es ist seltsam, auf einem Strand zu laufen, auf dem Urlauber und Erholung Suchende auf Decken liegen, denn der Strand ist zwar sandig, aber der Sand ist nicht hell, sondern pechschwarz. Es ist Sand, ähnlich dem, den wir von der Ostsee, dem Mittelmeer oder der Wüste kennen, nur die Farbe wirkt befremdlich. Bei starkem Wind wird er ebenso aufgewirbelt. Wir laufen darauf und die Schuhe sinken leicht in den weichen Untergrund ein. Im sicheren Hafen ankern einige Segelschiffe. Ansonsten ähnelt dieser Puerto allen kleineren Badeorten mit ihren Restaurants und Andenkenläden überall auf der Welt. Nur die Aussicht in Richtung Osten ist mit dem über 1000 m hohen aufsteigenden Felsmassiv beeindruckend anders.

Im nächsten grösseren Ort, den wir, obwohl nur 35 km entfernt, nach knapp einer Stunde erreichen, haben wir eine Verabredung mit einer Spanischlehrerin. Sie hat einen vollen Terminkalender, denn kaum hat sie die vorausgehende Unterrichtsstunde beendet, sind wir an der Reihe. Sie erläutert uns Anfängern die Grammatik der Verben im Satz. Nach 45 Minuten wartet schon der nächste Kunde. Wir vereinbaren noch schnell, dass wir nächste Woche wiederkommen wollen.

Hektik ist kaum zu spüren, nur manche Autofahrer hupen, wenn die Vorausfahrenden zu langsam reagieren. Doch eine schnelle Fahrweise ist wegen der Strassenführung ausgeschlossen, Rasen wäre tödlich, denn es würde entweder am Felsen oder im Abgrund enden. So stellt sich auch beim Urlauber eine träge, gelassene Lebensweise ein, so richtig erholsam.

Es ist zwar nur dann angenehm warm, wenn bei Windstille die Sonne scheint und sich die Temperatur dabei um die 23 Grad bewegt, aber angesichts der winterlichen Minustemperaturen in Deutschland darf man nicht klagen!

 


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