Textatelier
BLOG vom: 13.01.2017

Die Caldera de Taburiente auf La Palma

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, z.Zt. La Palma/Kanaren


Der Pfirsich ist rund, eine unregelmässige Schale umgibt ihn, an manchen Stellen ist sie weniger dick. Ich bohre einen Finger hindurch.  Seltsam, je tiefer ich bohre, desto wärmer wird es. Ich durchstosse eine weiche Masse. Mein Finger geht noch tiefer. Ganz im Innern der Frucht erfühle ich einen harten Kern. So stelle ich mir das Innere unseres Planeten vor.

Auf der Erde findet man unzählige Lebewesen. Sie alle bewegen sich auf der Erdkruste, nur wenige fliegen darüber hinweg, aber auch sie müssen irgendwann auf ihr landen. Lebewesen unter der Erde bohren sich nur einige Meter tief. Die Menschen haben Kohle aus der Tiefe geholt und sind dabei bis auf wenig mehr als 1000 m vorgedrungen.

Es ist teuer, so tief hinunter zu gehen. Und es wird immer wärmer. Dabei ist gerade einmal die Erdkruste angekratzt, sie ist auf dem festen Kontinent ca. 30 km dick, allerdings unter dem Meeresboden nur etwa ein Drittel davon.

Gewaltige Kräfte aus dem Innern müssen von der Erdkruste gebändigt werden. Dauernd ist sie in Bewegung und driftet. Magma aus dem Erdmantel aus 100 km Tiefe drückt mit gewaltigen Kräften noch oben, den Meeresboden kann sie schneller durchstossen als die Kontinente. Und wenn der Druck zu stark geworden ist, schiesst das flüssige Gestein nach oben. Der Vulkan bricht aus. Manchmal bildet es im Laufe von Millionen Jahren Inseln. Der Magmaherd in der Tiefe wandert und schiesst immer wieder an die Oberfläche. Auf den entstandenen Inseln bilden sich in den erkaltenden Kratern Hohlräume, die das Magma zurücklässt. Nicht selten stürzen die Hohlräume ein, nichts bleibt stabil, alles ist in Bewegung. Der ursprüngliche Krater wird zu einem Kessel, genannt Caldera.

Hier auf der Kanarischen Insel La Palma erreicht ein Kessel eine Höhe von 6400 m, davon sind 4000 m unter der Meeresoberfläche. Bevor die Caldera de Taburiente einstürzte, war sie noch über 1000 m höher. Die Felswände ragen weit in den Himmel hinein. Vulkanisch gesehen tut sich sichtbar nichts, wie es in der Tiefe aussieht, weiss niemand genau. Nur einzelne Vulkane stossen noch Schwefeldämpfe aus.

Heute Morgen lag noch eine Haarnadel auf dem Waschtisch in unserer Finca. Der dünne Metallstreifen ist gebogen und beide Enden liegen nebeneinander. Daran musste ich denken, als wir auf die höchste Erhebung hinauffahren. Wir passieren eine Haarnadelkurve nach der anderen auf dem Weg nach oben. Es ist nur ein kleiner Teil der Caldera, sein gesamter Durchmesser ist ca. 9 km, der Umfang misst 28 km, sein tiefster Punkt ist 430 m über dem Meeresspiegel. Es ist ein riesiger Kessel, es gibt nur einen einzigen Durchbruch, durch die die Trümmerlawinen entsorgt wurden, heute fliesst ein Bach durch ihn ins Meer. Man nennt sie die "Schlucht der Ängste", die Barranco de las Angustias".

Aber jetzt fahren wir erst einmal nach oben. Vor uns fährt ein Lieferwagen mit einem Anhänger, der voller Mountainbike-Räder ist. Es muss ein wahnsinniges Gefühl sein, die kurvenreiche Strasse mit einem Gefälle von oft mehr als 10% ins Tal zu rasen.

Wir nähern uns der Höhe, kein Baum wächst mehr hier oben, nur noch Gras und Krüppelsträucher sind neben der Strasse zu sehen.

 


 

Direkt unter der Spitze des Berges ragen einige silberne und weisse Kuppeln in den Himmel, 2 riesige Parabolspiegel befinden sich im Bau. Sieben europäische Länder betreiben seit 1985 eine der modernsten Sternwarten der Welt, damals entstand hier der zu dieser Zeit grösste Parabolspiegel. Die Luft ist ganz klar, kein Licht von Städten und Siedlungen stört. Schilder an der Strasse untersagen den Autofahrern nachts mit Aufblendlicht zu fahren. Es würde die Arbeit der Astronomen stören. Für sie sind auch neue Wohnungen in Bau.

 


 

Vom Parkplatz aus geht der Blick, vorbei an den Sternwarten, die alle ihre eigenen Namen tragen, der eine heisst Galilei, hinunter ins Tal, allerdings wird er durch einen grauen Nebelschleier getrübt. Wir laufen ein Stück über einen schmalen Weg auf die Spitze. Wir sind jetzt 2426 m über dem Meeresspiegel. Wer gefühlig dafür ist, spürt, dass die Luft dünner ist als unten im Tal. Auf der Nordseite ragen die Felswände des Kessels in die Tiefe, deren Ende nicht mehr sichtbar ist, auf der anderen Seite sieht man in die weite steinige Landschaft mit Höhen und Tälern.

 


 

Lava, durch Wind und Wetter erodiert, hat kleine Türmchen entstehen lassen, die ein paar Meter an der Seite in den Himmel ragen. Immer wieder werde ich von den fast glatten Felswänden, die senkrecht in die Tiefe gehen, angezogen. Ein grandioses Schauspiel!

Weitere Informationen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalpark_Caldera_de_Taburiente

(Fotos vom Verfasser)

 


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