Textatelier
BLOG vom: 16.01.2017

La-Palma-Geschichten

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, z.Z.t auf La Palma, der Kanarischen Insel


Es kommt vor, dass man mit Menschen in Kontakt gerät, die, obwohl sie völlig fremd sind, einem in kürzester Zeit ihre ganze Lebensgeschichte erzählen und in diesem Fall, den ich berichten will, auch noch einiges von der Insel, auf der sie wohnen und die unser  Urlaubsdomizil ist.

In Los Llanos, einer Kleinstadt im Westen der Insel La Palma, wollten wir nach unserer Unterrichtsstunde Spanisch noch etwas trinken gehen. Wir setzten uns vor eine Bar, vor der 2 runde Tische am Rande der Strasse aufgestellt waren zu einem älteren Mann, der dort aus einer Flasche Bier trank.

Er sprach deutsch. Das überraschte uns nicht, wohnen und arbeiten doch viele Deutsche oder Deutschstämmige auf dieser Insel. So kann es leicht passieren, dass man im Geschäft in deutscher Sprache bedient wird.

Meine Wiedergabe des Gesprächs ist im Konjunktiv verfasst.

Er wohne schon fast dreissig Jahre hier. Er habe viele Jahre selbstständig auf dem Bau gearbeitet. Er sei schon mehrmals verheiratet gewesen, die Ehen hätten aber nicht stand gehalten. Es habe wohl an beiden gelegen. Die letzte Ehe sei er nur deshalb eingegangen, um einer Kolumbianerin die Möglichkeit zu geben, hierhin zu kommen. Ihre Schwester habe noch als Nutte hier auf der Insel arbeiten müssen, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie habe ihn auf diese Möglichkeit angesprochen, und so sei er nach Kolumbien eingeladen worden, habe dort geheiratet. Das sei recht einfach gegangen, man müsse nur die Ehe bei einem Notar eintragen lassen und schon sei man, nach nur einer Woche, verheiratet. Er sei in Kolumbien von ihrer Familie eingeladen worden, habe alle Reisekosten bezahlt und obendrein noch etwas Geld zusätzlich bekommen. Nach 3 Jahren auf La Palma, er habe nie mit ihr zusammen gelebt, habe er sich wieder scheiden lassen und so habe seine Ex-Frau die Aufenthaltsgenehmigung erlangt. Übrigens hätten seine Arbeiter in seinem Betrieb nach und nach auch die anderen Schwestern von ihr geheiratet und nach Europa geholt. Momentan wolle er wieder eine Kolumbianerin heiraten, allerdings wären die Bedingungen erschwert worden, und er warte auf die Zusage der Behörde.

So wohne er in seinem grossen Haus mit riesigem Grundstück momentan allein. Um eine ausreichende Rente zu bekommen, müsse er noch bis zum Alter von 67 Jahren arbeiten, als ehemals Selbstständiger wäre es früher nicht möglich. Wenn er sein Eigentum gut verkaufen könnte, würde er nach Südamerika auswandern und dort mit seinem Motorrad den Kontinent durchfahren.

Es sei immer schwieriger, als Bauunternehmer zu arbeiten, es würde kaum noch etwas gebaut, es gebe kaum noch Grundstücke dazu und freie Grundstücke seien so mit Erbschaftssteuer belastet, dass sei nicht verkauft würden. Überhaupt, hier im Westteil der Insel lohne sich kaum noch etwas, der Flughafen sei unrentabel gewesen und wieder geschlossen worden.

Nach Deutschland wolle er nicht zurück. Er sei, obwohl er leichten bayrischen Dialekt spreche, eigentlich kein richtiger Bayer, denn seine Eltern seien nach dem Krieg aus dem Sudetenland gekommen. Deutschland kenne er nur bis Dortmund, der Stadt im Ruhrgebiet. Weiter nördlich sei er nie gewesen, das habe ihn nie interessiert. Die bayrische Landschaft finde er sehr schön. Die süddeutschen Dialekte verstände er alle sehr gut, überhaupt sei das Bayrische der beliebteste Dialekt in ganz Deutschland, ganz im Gegensatz zum Sächsischen, das viele Deutsche abstossend fänden. Sogar das Thüringische weise schon Tendenzen in diese Richtung auf, er könne es nicht ausstehen.

Neben Motorradfahren liebe er das Tauchen im Meer. Das verbände er mit dem Fischfang, mit dem Harpunieren. Einmal habe er zusammen mit einem Freund in wenigen Stunden 80 kg Fische und Seepocken, die eigentlich zu den Krebsarten gehörten, gefangen. Da man offiziell nur jeweils 10 kg für den Eigenbedarf fangen dürfe, habe man den Fang direkt am Ufer den Aufkäufern, die für die Restaurants immer auf der Suche nach frischen Meeresfrüchten seien, direkt verkaufen können. Nicht nur das, in einem Restaurant, das einem Freund gehöre, habe man vereinbart, dass es ein Grossteil des Fangs kostenlos bekäme, dafür wollte man nur für sich selbst und mit 13 anderen Freunden essen und trinken. So habe man alle zufrieden stellen können und es sei ein grossartiges Erlebnis gewesen.

Tauchen sei nur möglich, wenn er nicht, wie viele Palmeros es täten, Marihuana konsumiere, denn das vernebele die Sinne. Da sei Kokain besser und überhaupt, 80% der Insulaner gebrauchten Kokain, das nicht süchtig mache. Er könne auf einen Blick erkennen, wer Benutzer sei und manchmal seien es in einer grösseren Gruppe von Menschen nur Einzelne, die nicht konsumierten.

Uns sei aufgefallen, dass es auf La Palma so viele Hähne gebe und so wenig Hennen zu sehen seien. Das liege daran, dass ein beliebter Freizeitsport die Hahnenkämpfe seien. Er habe einen Bekannten, der sei von Beruf Polizist und der besitze 200 Kampfhähne. Früher habe er Kampfhunde gehalten, aber das sei jetzt verboten und er als Polizist müsse sich an die Gesetze halten. Überhaupt, es ginge dabei in erster Linie um das Wetten. Hahnenkämpfe seien hier noch erlaubt, in anderen Ländern nicht mehr. Übrigens gebe es hier auch keinen Stierkampf auf der Insel. Die Palmeros hätten noch andere Gewohnheiten, so würden Pferderennen auf der asphaltierten Strasse veranstaltet und die armen 'Kreaturen würden vorher noch gedopt, um weniger die Schmerzen zu spüren.

Dass er sein Leben in vollen Zügen geniesst, diesen Eindruck bekamen wir im Laufe dieses Gespräches, konnte man ihm ansehen. Er sagte, er sei 58 Jahre alt, aber man hätte ihn auch leicht 10-20 Jahre älter schätzen können!

 


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