Textatelier
BLOG vom: 08.01.2018

Unvorstellbares Verhalten kann Fremdschämen auslösen

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Deutschland


Wie aus der oberflächlichen Bekanntschaft mit dem Hausnachbarn eine etwas nähere und engere wurde, ist nicht so wichtig. Jedenfalls verstand man sich recht gut, wie man zu sagen pflegt, wenn Meinungen zu Übereinstimmungen neigen und unterschiedliche Verhaltens- und Lebensweisen das Tolerieren beider Parteien fanden. Dennoch war es eher ein gegenseitiges Beschnuppern (ähnlich dem zweier Hunde) und ein Herausfinden von Gemeinsamkeiten in Positionen, Vorlieben, Meinungen und Hobbys, ein berührungsloses Abtasten, allein unterbrochen durch das Händeschütteln und das fast kontaktlose Umarmen bei Begrüssung und Abschied.

Die Förmlichkeit der Sie-Anrede wurde durch das vertrauliche Du abgelöst, dies ein weiterer Schritt des aufeinander Zugehens.

Ich behaupte, dieser Prozess vollzieht sich mehr oder weniger bei allen Kontakten, aus denen mehr als diese entstehen, Bekanntschaften, Freundschaften, Zuneigung und nicht zuletzt auch dass, was man landläufig als Liebe bezeichnet. Wobei das Verliebtsein eher der Schnellzug dieses an und für sich eher langsameren Prozesses ist, aber dieses Phänomen, verbunden mit dem fast gänzlichen Unterdrücken von Bedenken und Zweifeln, kurz des als "gesunden Menschenverstandes" definierten Normalempfindens eher als pathologisch anzusehen ist.

Nach einiger Zeit der Annäherung kommt es zu Einladungen, erst einseitig, aber dann aus einem gewissen Drang heraus, empfangene Wohltaten zu kompensieren, auch gegenseitige.

So lange sich diese um kurze, zeitlich begrenzte gemeinsame Aktivitäten in kleinem Kreis handelt, sind sie für beide Seiten gesellig, denn in dieser Zeit kann das Rollenspiel, das wir allen anderen bieten, noch eingehalten werden.

Sobald diese Treffen aber einen längeren Zeitraum umfassen, und womöglich noch Alkohol im Spiel ist, könnte es dazu führen, dass die Maske der Wohlanständigkeit und des Vormachens zivilisatorischer Anständigkeit fallen.

Denn: das Gegenüber hat sich jeweils ein Bild, sein Bild von dieser Person geformt, das ihn glauben macht, die Person bereits gut zu kennen, geschlossen aus ihrem Benehmen, ihren Erzählungen, ihren Berichten über ihre Ideale, ihren Lebenslauf und ihren Erfahrungen.

Diese Einschätzung fällt so aus, dass eine Einladung zu einem besonderen Anlass, sei es ein Geburtstag, ein Jubiläum, ein Silvesterabend als bereichernd, also unterhaltsam, angesehen wird.

Und dann kann es zu einem bösen Erwachen führen. Die Person, schon als Freund oder Freundin gesehen, entpuppt sich als ganz anders, als man von ihr erwartet hatte.

Plötzlich zeigt sich das wahre Gesicht, wie man es nennen könnte. Diese Person ist gar nicht so, wie das Gegenüber es sich vorgestellt hatte.

Es kommen verquere Meinungen, Vorurteile, gar menschenverachtende und misanthropische  zur Sprache, die zunächst aus einer Art Schocksituation heraus nicht entgegnet, abgewiesen und bekämpft, sondern nur erstaunt und fassungslos zur Kenntnis genommen werden.

Die Person wird ausfallend, macht beleidigende Anmerkungen und die Meinungen der übrigen Anwesenden abfällig herunter und lächerlich.

Oder: es wird ein Verhalten an den Tag gelegt, das in zivilisatorischen Kreisen hierzulande nicht toleriert wird: Rülpsen, Schmatzen, lautes Schnäuzen, gar Furzen.

Der oder die Gastgeber als Bekannte der sich so gebärdenden Person übt sich in Fremdschämen, so lange, bis die Feier verlassen wird.

Damit ist die so hoffnungsvoll begonnene Beziehung ebenfalls am Ende. Die Person, sich keiner Schuld bewusst, da sie doch nur ehrlich den anderen entgegen getreten ist, wird bei den nächsten Kontaktversuchen mit Ausflüchten abgewimmelt. Dass das Auftreten als überaus peinlich wahrgenommen worden war, kommt nicht zur Sprache.

 


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