Textatelier
BLOG vom: 15.05.2005

Augenblick bitte: Das Gemüt spricht aus den Augen

Autor: Emil Baschnonga, London

Über die Augensprache möchte ich heute ein kurzes Blog schreiben. Der Gwunder stupste mich ins Netz, wo ich auf eine recht ausführliche und lesenswerte Abhandlung unter dem Titel „Freundliche Blicke“ stiess, beim www.ub.uni-duisburg.de. Aber das hat wenig mit meinem Blog zu tun.

Einen Augenblick bitte: Wie komme ich diesem hoch gegriffenen Thema bei? Suchend rollen meine Augen zuerst himmelwärts, dann entschlossen auf den Bildschirm zurück – zu meiner Schreibfläche.

Wortlos drücken Augen alle Gemütsbewegungen aus: Liebe, Lust, Neid, Zorn, Verlangen, Abscheu, Traurigkeit und eine Unmenge mehr. Augen sind Spiegel oder Fenster der Seele. So schön konnte es nur ein Dichter sagen. Aber wenn Blicke töten könnten, was dann? Niedrige Instinkte kommen mit zum Zuge.

Zwar sind wir ausgeprägte Augenmenschen, doch beherrschen wir die Augensprache eher mangelhaft. Jetzt reibe ich vom Thema überfordert die Augen und werde sie, wenn ich mich nicht zusammenreisse, gar schliessen. Die Lider sind wirklich praktische Klappdeckel zum Ausschalten.

„Ich sehe, so bin ich.“ Also rasch die Augen wieder aufmachen! „Mach keine ‚Kälbeli-Augen“, sagte mein Vater oft zu mir als Kind, wenn ich grosse Augen machte, um mein grenzenloses Erstaunen zu bekunden. Dabei kniff er seine Augen misstrauisch zusammen. Ich wusste, er hatte mich durchschaut. So verwundert unschuldig ich auch grossäugig dreinblickte, war ich meistens nicht. Ich begann reumütig zu blinzeln.

Viele Leute tragen vor den Augen Vorfenster. Damit ist nicht die Brille gemeint.

Mit der Augensprache kann man anderen viel vormachen, zum Beispiel ein gespieltes Interesse oder warme Teilnahme durchblicken lassen, wenn sich ein langweiliger Redeschwall – sehr oft von Klageliedern angestimmt – über uns ergiesst. Ich bleibe dabei gewohnheitsmässig höflich, wiewohl ich innerlich gähne. Sie kennen ja gewiss selbst dieses Gefühl von Langeweile zur Genüge.

Es braucht herzlich wenig, damit Augen aufleuchten: ein zugeworfenes Lächeln, ein strahlender Sonnentag, ein ausgesprochenes Lob, ein attraktives weibliches Geschöpf. Halt! Vom letzteren lieber nicht mehr zu viel . . . Das mit dem „Prima vista“ (sozusagen mit dem ersten Blick) haben wir – ich entziehe mich hier bewusst der Ich-Form im Blog − bereits mehr als einmal erfahren.

Die Augensprache ersetzt viele Wörter – ist Teil unserer Körpersprache, wie die Mimik auch. Ist die Augensprache nur Sache der Menschen? Hunde beherrschen die Augensprache oft besser als wir. Da steht der arme Dackel allein und verlassen vor dem Selbstbedienungsladen angebunden. Wie die Freude aus seinen Augen sprüht, sobald seine Hundemutter endlich wieder erscheint! Freudig springt er an ihr hoch. Vielleicht hat sie etwas für ihn in der Tasche? Auch Hunde haben ihre Mimik, nämlich im wedelnden Schwanz verankert.

Zum Abschluss muss leider noch bemerkt werden, dass viele Menschen aus toten und kalten Augen in die Welt blicken. Ich erfriere beinahe, wenn ich ihnen begegne und keinen Bogen mehr um sie machen kann. Jemand, der etwas für die Lektüre, die Kunst überhaupt, übrig hat, dessen Augen bleiben warm und werden leicht feucht. Auch Steckenpferde wirken ähnlich. Am wirksamsten ist der „freundliche Blick“. Er erwärmt und schützt das Herz vor der eisigen Gefühlskälte.

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