Textatelier
BLOG vom: 25.05.2005

Brot, Fisch und Wein: Schlank durch die Jesus-Diät

Autor: Heinz Scholz

Wenn das die feisten Mönche des Mittelalters gewusst hätten, dann wären sie schlank und rank durchs Klosterleben gepilgert! Aber das wollten sie ja gar nicht. Vielleicht waren ihnen diverse Bibelstellen über eine gesunde Ernährung unbekannt oder sie gingen darüber hinweg, da sie ja auf das Schlemmerleben hinter den Klostermauern nicht verzichten wollten. Und wer verzichtet denn schon gern auf Genuss und sonstige Freuden!

Warum ich darauf komme? Dies ist leicht zu erklären: Don Colbert hat ein kurioses Kochbuch geschrieben, das derzeit in den USA für Furore sorgt. Der Mediziner und Gesundheitsprodukte-Vermarkter bringt biblische Ernährungstipps unter dem Titel „Jesus-Diät“ unter die Leute: Wer sich von Brot, Fisch und Wein ernährt, der wird schlank und bleibt auch gesund. Ein moderater Fleischgenuss ist auch erlaubt – wahrscheinlich etwa ein christliches Osterlamm . . .

Tatsächlich deckt sich der moderate Fleischkonsum mit modernen Ernährungsempfehlungen. Hinzu kämen typische Produkte der Region wie Olivenöl, Trauben und andere Früchte“, so „Focus online“ in einer Meldung am 23. Mai 2005. Wohlweislich hat der Autor Heuschrecken und Grillen, die auch Bestandteil der biblischen Ernährung sind, weggelassen. Diese Viecher sind nichts für Gaumen westlich vom Nahen Osten. Was immerhin lehrt, dass Ernährungsweisen (und Religionen) immer auch ortsgebunden sind.

Der Konsument wird täglich mit immer neuen Schlankheitskuren und Diätprodukten umworben. Der Erfindergeist kennt keine Grenzen. Alle Diäten versprechen ein schnelles und angenehmes Abnehmen, so auch die 3D-Diät von Karl Lagerfeld. Innerhalb eines Jahres nahm er unglaubliche 42 Kilo ab. Aber wohl nur er. Was kam dabei heraus: Ein spindeldürres Männchen (siehe dazu auch „Diäten, die mehr schaden als nützen“ von Heinz Scholz).

Ein vollschlanker Bekannter von mir bemerkte zum Diätenwahnsinn Folgendes: „Ich esse, was mir schmeckt, nicht zu viel und nicht zu wenig. Wenn das nicht reicht, mache ich Gymnastik.“ Unter Gymnastik versteht er eine spezielle „Fingergymnastik“ . . .

Die moderne Frau macht „Power Wellness“. Dies las ich am 23. Mai 2005 in der „Badischen Zeitung“. In dieser Ausgabe berichtete Ruth Gleissner Bartholdi Treffendes: „Ob der moderne, in Power-Wellness geformte Body seine gestraffte und entschlackte Beauty über den Tag in die nächsten Wochen hinüberrettet, wollen wir lieber nicht hinterfragen. Zumindest eines steht fest: Rein geldbeutelmässig ist frau nach der Power Wellness garantiert um einiges leichter, was besagter Beutel ja auch besser in Form hält. Dafür aber weiss sie anschliessend, was sich hinter dem Doppelwort verbirgt.“

Es wird also nur einer dünner, und das ist der Geldbeutel.

Ich habe heute Walter Hess vorgeschlagen, dass wir eine neue Diät kreieren sollten, die altbekannte Ernährungsweisen beinhaltet, aber unter einem schlagkräftigen Namen verkauft wird. So empfahl ich die „Globalisierungs-Diät“, um seinem Anti-Globalisierungsbuch „Kontrapunkte zur Einheitswelt“ zu zusätzlichem Auftrieb zu verhelfen, sodann die „Computer-Diät“, die „Bibersteiner Wunderdiät“ oder die „Textatelier-Blitz-Diät“.

Ein Schopfheimer Bürger empfahl eine ganz andere Namensgebung für eine Diät. Ich solle doch diese als „Hohe Möhr-Diät“ verkaufen. Die „Hohe Möhr“ ist ein 985 Meter hoher Berg bei Schopfheim und hat nichts mit Möhren (Rüebli) zu tun. Aber vielleicht in einem noch zu schreibenden Diät-Buch wäre dieser Bezug zwingend!

Ich bin überzeugt, ein Diät-Buch mit einem besonders einprägsamen und ungewöhnlichen Titel würde bald in den Bestseller-Listen auftauchen. Denn neue Diäten kommen immer gut an. Das beweist aber auch, dass alle bisherigen Diäten nicht erfolgreich waren; sie haben nicht überlebt.

Zurück zur Jesus-Diät. Der Autor Don Colbert vertritt die Auffassung, dass sich Jesus nicht mit „Fast-Food“ aus der Pappschachtel ernährt hätte, wäre dieses damals erhältlich gewesen (da liegt er vielleicht richtig, obschon Jesus nicht als besonderer Feinschmecker beschrieben wird). Colbert empfiehlt zudem auch das geruhsame Essen. Dann hat er noch einen weiteren Tip parat: Man soll doch die Mahlzeiten – ganz nach dem Jesus-Vorbild – in Gesellschaft zelebrieren.

Es ist also altbekanntes Ernährungswissen, das Don Colbert in einer neuen Verpackung präsentiert. Auch dieses Werk wird vielen Abspeckwilligen nicht helfen; es ist einfach dem in den USA sporadisch grassierenden Jesus-Kult entsprungen. Die Konsumenten werden bald wieder nach neuen Diät-Bibeln Ausschau halten und dabei in Frieden zunehmen.

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