Pflanzen sind einfühlsame Zuhörerinnen
Wenn die Navajo-Indianer (im US-Bundesstaat New Mexico) eine Pflanze pflücken wollten, die sie für Nahrungs- oder Heilzwecke benötigten, erklärten sie ihr zuerst, wozu sie verwendet werden soll. Und sie baten dieses Lebewesen um Erlaubnis, es pflücken zu dürfen. Sonst hilft nach ihren Erkenntnissen die pflanzliche Kraft nicht. Die berühmte Vegetarier-Diskussion, ob man Pflanzen nutzen (und ihnen damit das Leben nehmen) darf, fand auf diese Weise ihre salomonische Lösung. Dieses ehrfurchtsvolle Verhalten anderen Lebewesen gegenüber sagt vieles über die alte Indianer-Kultur aus. Offenbar waren diese naturverbundenen Menschen der Auffassung, dass Pflanzen über Sinne verfügen, gewissermassen über eine Geistigkeit, wie man sie ihnen in unserem eigenen Kulturraum kaum oder überhaupt nicht zubilligt. Das blieb den Naturvölkern vorbehalten, die in der Regel alles Lebendige als beseelt betrachteten (Animismus), solange wir ihnen ihren Glauben liessen. Im christlichen Okzident haben wir uns strikte geweigert, von diesen "primitiven" Naturmenschen etwas zu lernen. Wenn eine Pflanze bei einer Person besonders gut gedeiht, liegt es laut der üblichen Auffassung zufolge am "grünen Daumen", aber eigentlich nicht an der engen Verbindung PflanzeMensch. Doch wer mit den Pflanzen spricht, hat mehr gärtnerischen Erfolg. Einbildung?
Leute mit dem "grünen Daumen" haben meistens ein grosses Einfühlungsvermögen in die Bedürfnisse der Pflanzen. Das war zum Beispiel in Findhorn im schottischen Hochland ausgeprägt der Fall. Peter und Eileen Caddy, die in den 60er-Jahren auf wenig fruchtbarem Boden wundersame Gemüseerträge herbeizauberten, hatten den Boden mit Strohmatten und natürlichen Düngemitteln verbessert, wie ich selber an Ort und Stelle beobachten konnte. Den "Elementargeistern" wie den Devas, wozu vielleicht die Wärme aus dem Golfstrom gehört, wurde also kräftig nachgeholfen. Die persönlichen Beziehungen zu den Pflanzen haben schon ihre Wirkungen, wie nachfolgend darzulegen sein wird. Pflanzen gedeihen wirklich besser, wenn man mit ihnen spricht oder sie liebevoll berührt. Selbstredend gab es auch im westlichen Kulturbereich immer Denker und Forscher, welche die Welt nicht im descartesischen Sinne als mechanisch funktionierende Maschine betrachten mochten. Viele Leute spüren die wunderbare Anziehungskraft, die Pflanzen auf sie ausüben. Wir alle umgeben uns gern mit Pflanzen im Alltag innerhalb unserer Betongrüfte, bei festlichen Anlässen und im Freien. Die Kraft eines gesunden, vielfältigen Waldes ist deutlich zu spüren. Naturverbundene Leute fühlen sich nach Baumumarmungen vitaler; Bäume vermitteln Kraft, Heilung und Trost, wie der Lindenbaum am "Brunnen vor dem Tore". Der Natur zugewandte Menschen suchen im Krankheitsfall gern bei Heilpflanzen Zuflucht und Genesung. Diesem Treiben geboten allerdings zuerst christliche Kirchengewaltige und Missionare Einhalt das Volk sollte im Gebet und bei Weihwasser und nicht bei heidnischen Naturheilern und Schamanen Heilung suchen und schliesslich auch die aufkommende Pharmaindustrie und wissenschaftliche Schulmedizin. Neuerdings aber entdeckt selbst die Pharmazeutische Industrie die Wirksamkeit von intakten Pflanzengefügen. Auch wild lebende Tiere haben die Fähigkeit, für ihre Gesundheit nützliche Pflanzen aufzusuchen und zu verzehren.
Die Pflanzen reagieren viel intensiver und differenzierter auf ihre Umgebung, als man bisher angenommen hat. Die Amerikanerin Brett L. Bolton schrieb von "einer Art zellularem Bewusstsein, das die Pflanze befähigt, mit allen anderen Lebensformen in Verbindung zu treten". Ein nahe liegendes Beispiel sind Topfpflanzen auf viel gespielten Klavieren, die scheints rasch dahinwelken. Und unter der Einwirkung grosser Orchester sollen viele Blumen ebenfalls verkümmern. Anderseits gibt es musikliebende Blumen. So haben indische Forscher Mimosen-Sprösslingen täglich 25 Minuten lang eine einheimische Melodie vorgespielt und sie so zu einem deutlich schnelleren Wachstum angeregt. Möglicherweise sind Pflanzen in der Lage, Schwingungsfelder aller Art aufzunehmen. Selbstverständlich gingen und gehen Vertreter unserer technischen Zivilisation auch mit Messgeräten wie dem Crescographen, der Nervenimpulse registriert, oder dem "Psyphy"-Biometer-System, das auch zur Messung von Akupunkturpunkten eingesetzt wird, analytisch ans Werk. So konnte schon vom Inder Jagadis Chandra Bose (London, 1920) u.a. bewiesen werden, dass jeder Teil einer Pflanze auf mechanische Reize reagiert, und anschliessend treten dieselben physiologischen Veränderungen auf wie in tierischen Organismen. Bose erkannte, dass schwache elektrische Reize genügen, um die Mimose zu ihrer Kontraktionsbewegung zu veranlassen, starke Elektroreize aber das Blatt zum Abfallen bringen. So unterschied er zwischen lustvollen und schmerzhaften Reaktionen. In seinem Privatlabor in Maida Vale (England) zeigte Bose dem Schriftsteller Bernard Shaw in Vergrösserung, wie ein Kohlblatt im kochenden Wasser unter Krämpfen und Zuckungen starb. Bose vertrat die Auffassung, dass die Pflanzen in den Leitungsgefässen des Phloëms ein sensorisches System besitzen. Er starb 1937. Annähernd 30 Jahre später machte der CIA-Verhörspezialist Cleve Backster ähnliche Versuche und Beobachtungen. Er fand mit Hilfe eines Lügendetektors (hochauflösendes Hautwiderstandsmessgerät) heraus, dass alle Pflanzenteile verblüffende Reaktionsfähigkeiten aufweisen Besorgnis, Angst, Vergnügen, Erleichterung. Eine Eiche schreit nach seinen Erkenntnissen auf, wenn sich ihr ein Holzfäller nähert. Und von Backster stammt die These, dass eine mit einem Menschen in Zuneigung verbundene Pflanze augenblicklich auf alles reagiert, was ihm widerfährt, wobei die Entfernung keine Rolle spielt eine telepathische Ebene also. Er soll dies mit seinem "Bedrohungs-Experiment" nachgewiesen haben. Wissenschaftler in der damaligen Sowjetunion haben sich solcher Fragen besonders eingehend angenommen, obschon das allerdings keine naturschützerischen Auswirkungen hatte. Sie gelangten zur Auffassung, dass Pflanzen ein Erinnerungszentrum am Wurzelhals haben. Das russische Ehepaar Semjon D. und Valentina Kirlian hat in Krasnodar die Technik der Strahlenfotografie entwickelt, die eine bis dahin unbekannte Energie sichtbar gemacht hat. Doch vieles musste unsichtbar bleiben - etwa die Gedanken.
Möglicherweise spielen telepathische Übermittlungen auch zwischen Pflanze und Tier, da Tier- und Pflanzenreich fliessend ineinander übergehen. So geriet der uns zugeflogene Wellensittich immer in höchste Erregung und begann einen wirren Schimpfkalauer, wenn ein Familienmitglied mit dem Staubsauger im Tropengarten, wo er untergebracht war, in die Nähe einer Ameisen- oder Mückenversammlung kam. Die Invasion musste durch Offenlassen der Türe gelöst werden. Die Insekten verschwanden jeweils wieder, wie sie gekommen waren. Aus Afrika sind Fälle von Baumkommunikationen gemeldet worden: Stunden vor der Ankunft von Heuschreckenschwärmen lassen bestimmte Bäume ihre Blätter hängen. Im welken Zustand sind sie für die Ameisen unattraktiv; sie gehen vorbei. Man vermutet, dass biochemische Signal- oder Botenstoffe im Spiele sind. Bei Akazien wurde Äthylen nachgewiesen, ein süsslich riechendes, narkotisierendes Gas, in anderen Fällen fand man Methyl-Jasmonat.
Dasselbe Beziehungsgefüge gilt erfahrungsgemäss auch für die Beziehungen TierMensch, obschon mit der Höherentwicklung Fähigkeiten zur Strahlungswahrnehmung verkümmern. Wir reden noch von "Gespür", von Intuition. Ein Hund spürt sofort, ob man Angst vor ihm hat oder ob man ihm freundlich oder abweisend begegnet. Alles in allem bin ich heute der Auffassung, dass Empfindungen bei Pflanzen am ausgeprägtesten, beim Menschen aber am schlechtesten ausgebildet sind; die entsprechenden Fähigkeiten der Tiere sind irgendwo dazwischen anzusiedeln. Daraus könnte man folgern, der Mensch sei mit seiner irrenden Vernunft wahrscheinlich doch nicht das Mass aller Dinge.
Der Stammbaum der Lebewesen, der bei den Einzellern beginnt und beim Menschen endet, wie ich ihn in der Schule lernen musste, gibt wahrscheinlich einen verkehrten Eindruck von der Entwicklung sensitiver Fähigkeiten. Vielleicht haben "niedere" Lebewesen die bessere ursprüngliche Primär-Wahrnehmung, wie sie allem Leben zu Eigen ist. Aber Menschen und Tiere haben viel mehr Möglichkeiten als Pflanzen, ihren Empfindungen Ausdruck zu geben, was die wahrscheinlich verkehrte Beurteilung erklären könnte. Zudem darf man nicht vergessen, dass Gewächse als einzige die besondere Fähigkeit haben, lebende Substanz zu produzieren; sie sind autotroph und die Grundlage für die Ernährung aller anderen Lebewesen. Die biochemische Werkstatt der Gewächse ist also besonders reich und mannigfaltig.
Moderne biologische Erkenntnisse lassen keinerlei Zweifel darüber offen, dass lebendige Systeme zumindest thermodynamisch "offen" sein müssen. Denn sie stehen in einem ständigen, aber kontrollierten Austausch von Stoffen und Energie mit ihrer Umgebung, wofür sie u.a. auch einen präzisen Zeitmassstab benötigen. Dabei müssen vielfältige Sensoren die Steuerungsfunktionen übernehmen. Es gibt keinen Stillstand, alles ist in ständigem Fluss; die Natur ist immer auf Evolution angelegt. Sie ist immer ein Erkenntnisvorgang, an dem auch Zufälle mitwirken. Zudem gibt es "im Organischen nicht nur das Zweckmässige, sondern auch alles, was nicht so unzweckmässig ist, dass es zur Ausmerzung der betreffenden Art führt" (Oskar Heinroth). Und so sind vielleicht auch ihre Gesetze wandelbar und nicht "ewig". Die Natur "ist ganz, und doch immer unvollendet. So wie sies treibt, kann sies immer treiben" (G.C. Tobler). Nur der Mensch sollte es mit Pflanzen nicht weiterhin so treiben, wie er es mit ihnen in Gewächshäusern und Genlabors treibt. Schnittblumen werden im Chemiedunst lieblos wie Mastvieh produziert. In ihrer Spezialisierung sind Pflanzen unübertroffen und deshalb so erfolgreich. Da sie ihren Standort nicht verlassen können, muss ihre Wahrnehmungs- und Anpassungsfähigkeit besonders intensiv ausgebildet sein. Die festsitzenden Pflanzen brauchen mindestens einen Licht-, Wasser- und Tastsinn und auch einen chemischen Sinn. Laut dem einschlägigen Standardwerk "Das geheime Leben der Pflanzen" von Tomkins und Bird sind besonders Philodendren gute Gedankenleser, wobei jedem einzelnen Blatt seine eigene, unverwechselbare Persönlichkeit zugestanden wird. Und so kann man zweifellos vom Vorhandensein von Gefühlen bei Pflanzen reden, ohne dass man als phantasievoller Narr abgestempelt wird, wie das früher der Fall war. Es brauchte schliesslich auch lange Zeit, bis sich die katholische Kirche mit der Geschlechtlichkeit der Pflanzen und ihren individuellen Duftnoten abfinden konnte; darüber herrschte im 17. und 18. Jahrhundert ein erbitterter Streit, weil diese "schmutzigen Lügen" als Verstoss gegen die Bibel betrachtet wurden. Man muss sich ja gelegentlich wieder einmal klarmachen, aus welcher intellektuellen Tradition unser Denken herausgewachsen ist.
Es sind nicht allein die Reaktionen, sondern auch die Handlungen der Pflanzen, die zum Staunen zwingen. Man betrachte nur einmal eine tierfangende Pflanze oder einfacher zu finden eine Kletterpflanze (wie etwa eine Stangenbohne), wie zielsicher sie den nächsten Ort anvisiert, an dem sie sich festhalten will. Die Spitzen der Kletterpflanzen suchen mit kreisenden Bewegungen die Umgebung ununterbrochen nach Befestigungsmöglichkeiten ab. Bei diesen Pflanzen spielen Berührungsreize die entscheidende Rolle. Die Sensibilität einer sich spiralförmig windenden Ranke, die sich anklammert, ist häufig auf ein kurzes Stück beschränkt. Bemerkenswerterweise löst ein einfacher Druck selten Reaktionen im Hinblick auf ein Festklammern an der Stütze aus; es müssen etwas Reibung oder Bewegung dazukommen. Auf der Seite der Ranke, die den Haltepunkt berührt, hört das Wachstum auf; aber gegenüber geht es um so schneller voran. Die Bewegungen der Wurzeln, deren Spitzen den Untergrund nach Wasser und Nährsalzen absuchen, sind langsam, da viele Widerstände zu überwinden sind. Es ist, als ob die Wurzelspitzen die Wände im Untergrund auf Stärke und Durchlässigkeit prüfen würden, um dort vorzustossen, wo der Durchbruch am leichtesten erfolgen kann ähnlich bewegt sich auch der Regenwurm.
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Die oben erwähnte Mimosa pudica ist die bekannteste Sinnpflanze, die rapide Reaktionen zeigt. Das kleine Blatt faltet die Fiederchen sofort nach einer Berührung zusammen, und oft folgen benachbarte Blätter dem Beispiel. Es kommt also zu einer Reizübertragung auf chemischem Wege. Auch der Waldsauerklee (Oxalis acetosella) gehört zu den Sinnpflanzen. Ein Reiz (wie ein Regentropfen, Wind oder Berührungen) lässt Wasser in die grossen leeren Räume zwischen die Zellen der Mimose einfliessen. Das Blattkissen ist nun nicht mehr steif, und der Blattstiel sinkt nach unten. Nach einer gewissen Zeit nehmen die Zellen des Blattkissens wieder Wasser auf, und das Blatt wird aufs Neue wieder steif, als ob nichts geschehen wäre. Chemische Botenstoffe und elektrische Ladungen scheinen an diesen biophysikalischen Bewegungsvorgängen beteiligt zu sein; die Pflanzen haben kein Muskelgewebe.
Über die Fähigkeiten der Pflanzen, sich in ihrem Umfeld intelligent zu verhalten, liessen sich Bücher füllen. Die Reaktionen sind vor allem aus dem Überlebenskampf heraus geboren, z.B. um den Wasserhaushalt auch bei grosser Hitze zu regulieren. So lässt die Silberlinde ihre Blätter im grellen Sonnenlicht sinken, damit sie nicht versengt werden. Zarten Pflänzchen gelingt es, sich durch Eis oder Asphalt zu bohren, ohne sich zu verletzen. Pflanzen werden überhaupt mit allem fertig, auch mit unserer Beton- und Asphaltkultur und darin liegt etwas Tröstliches. Jede Pflanze hat ihre eigene Methode, um die Einflüsse, die an ihrem Standort auf sie wirken, nutzbar zu machen oder sich davor zu schützen, wozu die Fähigkeit zum Mutieren gehört, eine fundamentale Eigenschaft. Das so genannte Spanische Moos (Tillandsia usneoiodes) und andere Pflanzen können sogar auf Telefondrähten gedeihen, eine im Zeitalter der Massenkommunikation wichtige Eigenschaft... Meistens sind es Vögel, die mit ihren Ausscheidungen die Samen verbreiten. Die Steuerung der Reaktion von Pflanzen ist schwierig zu erklären. Pflanzenphysiologen machen für die Topismen (Bewegungen von Pflanzen) meistens chemische Botenstoffe verantwortlich, ohne aber die Phänomene vollständig begreifen zu können. Befindet sich eine Pflanzenseite im Schatten, bewegt sich ein Wachstumshormon dorthin, und die Pflanze wächst schneller. Als Folge neigt sich der Trieb der Lichtquelle entgegen, um die Möglichkeiten zur Fotosynthese zu verbessern. Hormone wie die Auxine bewegen sich im Pflanzensaft wie die tierischen Hormone im Blut. Das sind chemisch-mechanische Erklärungsversuche. Erwin Chargaff schrieb, die grossen Biologen würden "geradezu im Lichte der Dunkelheit" arbeiten. Mit einer ausschliesslich materialistischen Betrachtung kommt man jedenfalls nicht zum Ziel. Das Einwirken der Sonne und anderer kosmischer und wohl auch terrestrischer Strahlungen, wie es vor allem in der Anthroposophie berücksichtigt wird, gehört zum Grundlegenden jeden Lebens, auch des pflanzlichen, das sich in besonders eindrücklicher Weise dem Licht zuwendet, die augenfälligste Anpassung an die Umgebung. Besonders eindrücklich ist es, wenn das ganze Sonnenblumenfelder tun; Schattenpflanzen sind diesbezüglich bescheidener, aber keine Ausnahmen. Selbst die einzellige Grünalge Chlamydomonas hat diese Fähigkeit, sich nach dem Licht auszurichten. Können Pflanzen (und Algen) denn sehen? Niemand weiss, welches Eiweiss bei fototropen Reaktionen als Lichtempfänger dient, geschweige denn, wie die Lichtsignale jene Wachstums- und Krümmungssignale auslösen, die Pflanzen exakt zum Licht hin ausrichten. Friedrich Rinne schrieb bildhaft: "Aus dem blossen Anhören einer lieblichen Melodie lassen sich die besondere Konstruktion und das Wirken der Instrumente nicht erkennen."
Der naturwissenschaftliche Materialismus, der sich wenigstens von den naturfernen kirchlichen Dogmen losriss, ist kein abschliessender Kulturerfolg, höchstens ein pubertärer Neubeginn im Hinblick auf eine erkenntnismässige Reifung. Aber selbst die Gentechnologie ist noch dem altehrwürdigen Mechanik-Denken verhaftet; sie berücksichtigt nicht, dass auch das Umfeld eines Gens mitbestimmend ist. Sie ist somit bloss ein neues Dogma.
Wenn man sich mit dem Pflanzenleben so eingehend wie möglich befasst, ergeht es einem wie Goethe, der die Entfaltung der Pflanze genau studierte. Er betrachtete die Urpflanze als reales Wesen und konnte Schiller nicht verstehen, der sie "nur eine Idee" nannte. Wir erkennen wohl den Zweck und die Ideen, welche die Gestalt eines Organismus prägten; aber um mit Justus von Liebig (in "Über den Materialismus", 1859) zu sprechen "wir sehen die Kraft nicht, welche das widerstrebende Material bewältigt und es zwingt, sich in die vorgeschriebenen Formen und Ordnungen zu fügen. (...) In den organischen Körpern muss eine Ursache wirken, welche die gerade Linie krummbiegt." Die unterschiedlichen Veranlagungen funktionieren, wenn sie da sind. Aber warum sind sie da? Warum bleiben sie erhalten und werden immer wieder reproduziert, bis sie durch uns Menschen vollständig ausgerottet sind weil alles begradigt und mit Round-up-Herbiziden besprengt wird? Zu wenige Menschen kennen ein sich selbst auferlegtes moralisches Gesetz, das sie trotz aller gegenteiliger Aufforderungen veranlasst, ihre Macht über die Natur zu bändigen, sich der Natur untertan zu machen und die darin enthaltene Sinnhaftigkeit anzuerkennen. Die wichtigsten Fragen sind nicht beantwortet. Die Geheimnisse mögen hoffentlich bleiben.Walter Hess
Literatur
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